Wie funktioniert eigentlich die Dreiliter-Regel nach DIN 1988?
Formell dimensionieren wir SHK-Fachleute unsere Trinkwasserinstallationen nach den anerkannten Regeln der Technik. Zu diesen Regeln zählen ganz sicher die DIN EN 1717 und die Normenreihe der DIN 1988.
Im Zuge der hohen Hygieneanforderungen aus der Trinkwasserverordnung haben sich viele der Regeln und Inhalte rumgesprochen und tatsächlich auch etablieren können. Zwar gibt es immer noch Ausreißer und fehlerhafte Installationen aber ein hoher Anteil der tätigen Anlagenmechaniker und der Meister im SHK-Handwerk sind im Bilde.
Und immer wieder taucht die Zahl drei auf in Bezug auf ein Wasservolumen gemessen in Liter. Gemeint ist dieses Volumen in verschiedenen Zusammenhängen, die wir hier mal erstmalig zusammentragen und geballt vorstellen.
Warum Rohrvolumen begrenzen?
Die DIN EN 1717 weiß zu berichten, dass Stagnation von Wasser dessen Beschaffenheit negativ beeinflussen kann. Es gilt die entsprechende Passage dieser DIN zu beachten.
Zugegeben, das hört sich gut an, beinhaltet aber sehr dehnbare Begriffe. Beispielsweise der winzige Schluck Wasser in einer Heizungsfülleinrichtung oder einem Sicherheitsventil, der im Heizungskeller vor sich hinschlummert, beinhaltet ja nun mal faktisch auch Wasser, welches im Zweifel sehr lange darin verweilt, also stagniert.
Selbst wir Profis sind nicht imstande, dieses Volumen mit den heutigen Mitteln auf Null zu reduzieren. Also, was ist denn nun schädlich? Zu dieser Frage kommt glücklicherweise Hilfe einer anderen Norm. Die DIN 1988-100 wird ein wenig konkreter und stellt Genaueres fest.
Wie setzen Sie das konkret um?
Da haben wir also aus der DIN 1988 kurze Wege und nicht zu dicke Leitungen ans Herz gelegt bekommen.
Ja, mache ich vor Ihrem und meinem geistigen Auge und laufe los:
Die Außenzapfstelle am Ende meines Gartengrundstücks und natürlich auf der Rückseite meines riesigen Wohnhauses will nun mal nicht per WLAN versorgt werden und ich lege einen mir noch ausreichend erscheinenden Querschnitt von 18 × 1 ausgehend von meinem Hausanschluss an die Dreiviertel-Zoll-Zapfstelle zum Füllen meines Pools.
Ist das dann noch im Sinne dieser beiden zuvor zitierten Normen tolerabel? Oder sorgt dieser schon etwas beträchtlichere Schluck Wasser in dieser Leitung jetzt gegebenenfalls für eine Beeinträchtigung der Wasserqualität?
Letztlich wird diese Leitung ja wahrscheinlich nur sehr selten benutzt, eventuell nur einmal im Jahr. Und wer möchte schon dieses geparkte Wasservolumen aus diesem Rohr nach langer Standpause ernsthaft trinken?
Niemand, richtig!
Man wird also wohl noch konkreter im Sinne der Hygiene und zum Wohl der Trinkwasserqualität werden müssen.
Dreiliter-Regel die Erste
(Interpretation von 8.1 der DIN 1988-200)
Den ersten konkreten Ansatz zu einer Drei-Liter-Regel findet man bei den Vorschriften zur Verteilung von Kaltwasser. Gemäß der DIN 1988-200 sind Einzelzuleitungen zu Entnahmearmaturen so kurz wie möglich auszuführen. Und ein Wasservolumen von 3 l ist als Obergrenze einzuhalten.
Meine soeben beschriebene Außenzapfstelle zum Füllen des Pools muss ich also ganz bestimmt dahingehend überprüfen. Ein Volumeninhalt von 3 l wird bei einem 18er-Rohr ab einer Rohrlänge von 14,7 m überschritten.
Bin ich drüber mit meiner Pool-Füll-Strecke, muss ich handeln.
Im elegantesten Falle löse ich das Problem mit einem Strömungsteiler und tausche das Wasser quasi im Vorbeimarsch aus. Dazu kann ich dann noch die Zuleitung kleiner wählen und komme ganz sicher mit zwei Rohren von 15 x 1 mm aus.
Ich kann die Anbindung der Außenzapfstelle bei Überschreitung der Drei-Liter-Grenze aber auch komplett schleifen. Würde dann aber den gesamten Volumenstrom des eigentlichen Hausanschlusses durch meinen Garten führen müssen.
Wie auch immer, ich finde eine Lösung, die Drei-Liter-Grenze einzuhalten.
Dreiliter-Regel die Zweite
(Interpretation von 9.1 der DIN 1988-200)
Der zweite Hinweis zu einer Drei-Liter-Regel findet sich bei den Vorschriften zur Verteilung von Warmwasser. Gemäß der DIN 1988-200 sind bei Rohrleitungsinhalten von mehr als 3 l Zirkulationsleitungen oder selbstregelnde Temperaturbänder einzubauen.
Diese Beschreibung bedeutet also: Schau dir einen beliebigen Fließweg in deiner Warmwasserinstallation an. Ausgehend vom Trinkwassererwärmer zu dem jeweils betrachteten Warmwasserverbraucher sollst du das beinhaltete Leitungsvolumen betrachten. Beträgt dieses Volumen mehr als 3 l, so sollst du eine Zirkulation einbauen.
Dreiliter-Regel die Dritte
(Interpretation von 9.7.2.1 der DIN 1988-200)
Bereits seit einigen Jahren haben sich sogenannte Wohnungswasserstationen in Mehrfamilienhäusern etabliert. Diese kleinen Durchlauferhitzer beziehen ihre Heizwasser meistens aus einem Pufferspeicher.
Von diesem Pufferspeicher wird zu jeder Wohnung heißes Heizungswasser verteilt. Dieses Heizungswasser kann verkeimt sein oder nicht, es ist ja ganz sicher kein Trinkwasser mehr und wird auch nicht verschluckt oder zum Duschen genutzt.
Nutzt man dieses Heizungswasser zur Erwärmung von Trinkwasser, muss das Trinkwasser nicht mehr zwingend auf 60 °C erwärmt werden können.
Warum schreiben wir das hier? Ja richtig, weil eine Voraussetzung für diese Ausnahme zur Beheizung auf mindestens 60 °C geknüpft ist an die Bedingung, dass das nachgeschaltete Leitungsvolumen kleiner oder maximal gleich 3 l im Fließweg beträgt.
Hat also deine Wohnung, die an eine Wohnungswasserstation angeschlossen ist ein Leitungsvolumen im Fließweg von weniger als 3 l, kannst du auch Warmwassertemperaturen unter 60 °C am Ausgang dieses Erwärmers zulassen.
Dreiliter-Regel die Vierte
(Interpretation von 9.7.2.3 der DIN 1988-200)
Wird die soeben beschriebene Ausnahme ausdrücklich nicht eingehalten, beträgt auch innerhalb einer Wohnung die mittels Wohnungswasserstation mit Warmwasser versorgt wird eine Pflicht zum Erreichen der 60 °C am Austritt aus dem Trinkwassererwärmer.
Dreiliter-Regel die Fünfte
(Interpretation von 9.7.2.4 der DIN 1988-200)
Erfolgt die Trinkwassererwärmung mittels eines Durchflusssystems innerhalb einer Wohnung mit einem Volumen von weniger als 3 l, so sind insgesamt keine Anforderungen an die Warmwassertemperaturen gestellt.
Dies führt dazu, dass auch verhältnismäßig niedrige Warmwassertemperaturen von knapp über 40 °C normativ akzeptiert werden können. Mit diesen Temperaturen kann man ja immer noch duschen und eine komfortable Nutzung aufrechthalten.
Der große Vorteil dieser Ausnahmeregelung ist die Tatsache, dass die Heizungsanlage, unter Nutzung von Wohnungswasserstationen mit Pufferspeicher im Keller, nur niedrige Temperaturen bevorraten muss.
Neue Systeme der Wohnungswasserstationen werden mit 48 °C im Vorlauf betrieben. Das schafft auch eine gewöhnliche Wärmepumpe noch mit einigermaßen akzeptabler Effizienz. Und damit sehen wir jetzt auch die Ursache für diese Ausnahme. Die Wärmepumpenhersteller haben sich schon einiges einfallen lassen, um seinerzeit noch im Rennen zu bleiben.
Die verbreitete Wärmepumpe mit alter Technik, aber modernen Effizienzanforderungen hätte immer Probleme gehabt die 60-°C-Hürde auf Dauer zu nehmen. Da wäre wahrscheinlich der Betrieb mit dem Heizstab statt mit der Wärmepumpe die Regel gewesen.
Mit dieser Regelaufweichung auf fast beliebig niedrige Temperaturen kann eine Wärmepumpe dann doch eingesetzt werden und kann trotzdem innerhalb der Grenzen der DIN 1988 bleiben.
Ich gehe aber mal sicher davon aus, dass die Hygieniker unter den Ausschussmitgliedern der DIN 1988-200 nicht gerade „amused“ waren über diese Ausnahme.
Dreiliter-Regel die Sechste
(Interpretation von 10.3.2 der DIN 1988-200)
In der DIN 1988-200 wird auch noch festgestellt, dass Durchflusswassererwärmer mit einem Nennvolumen bis 3 l nicht zwingend mit einem Sicherheitsventil ausgestattet sein müssen. Zu den schon lange verfügbaren elektrischen und elektronischen Durchlauferhitzern können also auch die eben bereits zitierten Wohnungswasserstationen theoretisch ohne Sicherheitsventil installiert werden. Die jüngste Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das fatale Folgen haben kann. Ein absolut starres System aus Rohren kann kaum eine Wasserausdehnung durch Erwärmung aufnehmen und kann daher unter Wärmeeinfluss sehr hohen Drücken ausgesetzt werden.
Aber sei es drum, die Norm sagt zumindest, dass ein Sicherheitsventil in diesen engen Grenzen nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Dreiliter-Regel die Siebte und Achte
(Interpretation von 10.5.2 und 10.5.3 der DIN 1988-200)
Man wiederholt sich auch in der 1988 ganz gerne und weist mehrmals darauf hin, dass ab einem Rohrleitungsinhalt von mehr als 3 l Zirkulationssysteme einzubauen sind. Und man möchte dann wohl auch noch zusätzlich den Umkehrfall beschreiben. Unter 10.5.2 wird lustigerweise auch nochmals betont, dass Stockwerks- und/oder Einzelzuleitungen mit einem Wasservolumen von kleiner oder gleich 3 l ohne Zirkulationsleitungen gebaut werden können. Und dann wird unter 10.5.3 noch nachgeschoben, dass Stockwerks- und/oder Einzelzuleitungen mit einem Wasservolumen von kleiner oder gleich 3 l auch ohne Begleitheizung verlegt werden können.
Dreiliter-Regel die Neunte
(Interpretation von 10.5.4 der DIN 1988-200)
Im Schwimmbad muss nicht jede Duscharmatur einzeln thermostatisch geregelt werden. Auch muss man dann ja nicht den Verbrühungsschutz für jede einzelne Armatur vorsehen. Vielmehr kann man einen zentralen Thermostaten setzen und die Duscharmaturen der nachfolgenden Duschen mit vorgemischtem Wasser beschicken, also nicht mehr 60 °C heißem Wasser. Bis zum Thermostaten bleibt dann das Wasser auf hohem und damit hygienischem Niveau. Hinter dem Thermostaten zirkuliert das Wasser dann gewöhnlich nicht mehr und wird selbstverständlich auch nicht mehr auf 60 °C erwärmt. Aber diese Einschränkung gilt nur, falls das Wasservolumen zwischen der Durchgangsarmatur und der entferntesten Entnahmestelle auf maximal 3 l begrenzt bleibt.
Die Formulierung gilt natürlich nicht nur für eine Reihenduschanlage, sondern beispielsweise auch für große, thermostatisch abgesicherte Reihenwaschanlagen, wie diese auch in Kitas unsere Kinder vor Verbrühungen schützen.
Dreiliter-Regel die Zehnte
(Interpretation von Tabelle 9 der DIN 1988-200)
Die Dämmung von Rohrleitungen wird unter anderem in der DIN 1988 festgelegt. Auf eine Dämmung von Warmwasserleitungen darf verzichtet werden, wenn eine Leitung weder in einen Zirkulationskreis eingebunden ist, noch über ein Temperaturhalteband verfügt und der Wasserinhalt maximal 3 l beträgt.
Eigenes Fazit
Mir ist nicht ganz klar, ob Legionellen und deren Cousins und Cousinen Normen lesen oder Volumen abschätzen, bevor sie sich an die Besiedelung neuer Lebensräume machen. Damit will ich andeuten, dass ich nicht so ganz an die Wirksamkeit sämtlicher Drei-Liter-Vorgaben in dieser DIN 1988-200 glaube.
Letztlich wird bei der Feststellung mangelhafter Trinkwasserhygiene auch der Installateur ins Boot geholt, um Verantwortung zu übernehmen. Wenn er dann nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, also der DIN 1988-200 gearbeitet hat, sieht es zumindest nicht schlecht für ihn aus.
Aber ganz aus der Verantwortung ist er nach meiner Einschätzung letztlich auch dann noch nicht. Insbesondere bei sehr niedrigen Trinkwassertemperaturen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Wohnungswasserstationen und Wärmepumpen sehe ich eine Grauzone.
Auf Ihre Einschätzung und Kommentare in diesem Zusammenhang freue ich mich. Bitte schreiben Sie mir unter der E-Mail held@sbz-online.de und dem Betreff: Drei-Liter-Regeln.
Dieser Artikel von Elmar Held ist zuerst erschienen in der Ausgabe 10/2017 von SBZMonteur.