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Water Safety Plan: Warum das WSP-Konzept in der Trinkwasserverordnung so wichtig ist

Dr. Christian Schauer

Die neue Trinkwasserverordnung (TrinkwV) hat aus Sicht der technischen Gebäudeausrüstung und damit der Fachplaner und SHK-Unternehmen nur wenige grundlegende Veränderungen gebracht. Dennoch steht sie für einen Paradigmenwechsel: die ganzheitliche Betrachtung des Wasserwegs bis zum Übergabepunkt. Es geht gewissermaßen um eine „Sektorkopplung zum Erhalt der Trinkwasserhygiene“ mit dem Water Safety Plan bzw. Wassersicherheitsplan (WSP) als wirkungsvollem Werkzeug zur Risikobewertung und -vorsorge. Warum sich ein Water Safety Plan-Konzept auch für Gebäude empfiehlt und was dafür notwendig ist, beschreibt Dr. Christian Schauer.

Als die erste Fassung der TrinkwV vor annähernd einem halben Jahrhundert – am 31. Januar 1975 – in Kraft trat, war sie das wohl umfassendste Regelwerk, in dem zentrale Grundsätze zum Erhalt der Trinkwasserhygiene einschließlich entsprechender Umsetzungsempfehlungen gegeben wurden. Dem Wissensstand der Forschung und den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) folgend ist die TrinkwV seitdem mehrfach novelliert worden.

Die aktuelle Fassung vom 20. Juni 2023 setzt die Vorgaben aus der EU-Richtlinie 2020/2184, der sogenannten EU-Trinkwasserrichtlinie, um. Unter anderem sind mit der Novelle der TrinkwV eine neue Struktur, einige veränderte Begrifflichkeiten, verschärfte Regelungen zum Einsatz von Desinfektionsverfahren sowie die Austauschpflicht von Bleileitungen verbunden.

Wesentlich entscheidender ist jedoch die Abkehr von der punktuellen Betrachtung ­potenzieller Einflussfaktoren auf den Erhalt der Hygiene in Trinkwasser-Installationen hin zu einem prozess­orientierten Ansatz, der im wahrsten Sinne des Wortes an der Quelle der Wasserversorgung ansetzt.

Paradigmenwechsel bei der Betrachtung der Maßnahmen zum Erhalt der Trinkwassergüte: Von der Endpunktkontrolle zur ganzheitlichen Betrachtung des Fließwegs.

Risikobasierter Ansatz

Thematisiert wird der Ansatz in erster Linie in Ab­schnitt 7 der neuen TrinkwV unter der Über­schrift „Risikobasierter Ansatz, § 34 Pflicht zum ­Risikomanagement für Wasserversorgungsanlagen“. In Absatz 1 heißt es: „Die Betreiber [...] haben die Wasserversorgungsanlage zur Sicherstellung von Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers einem kontinuierlichen Risikomanagement [...] zu unterziehen“, also für zentrale, mobile und zeitweilige Wasserversorgungsanlagen mit eigener Wassergewinnung auch einen risikobasierten Bewertungsansatz mit entsprechender Umsetzungsplanung zu entwickeln.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Betreiber dieser Anlagen einen bisher als Water Safety Plan ­eingeführten Prozess aufsetzen sollten. Das empfiehlt sich auch für Gebäudewasserversorgungsanlagen (= Trink­wasser-Installation). Über den WSP können die für den Erhalt der Trinkwassergüte maßgeblichen Faktoren und Abläufe innerhalb einer Trinkwasser-Installation zunächst identifiziert, im Sinne der Predictive ­Maintenance (zu Deutsch: vorausschauende Wartung) beherrscht, prozesssicher dokumentiert und – ganz entscheidend – kontinuierlich fortgeschrieben und weiterentwickelt werden.

Eine praxisgerechte Hilfestellung dafür bietet unter anderem das Handbuch „Das Water Safety Plan (WSP)-Konzept für Gebäude“ des Umweltbundesamtes (UBA) und die europäische Technische Regel CEN/TR 17801 „Guidelines for water safety plan concept in buildings“ bzw. die deutsche Fassung DIN CEN/TR 17801 „Leitfaden für die Umsetzung des Water Safety Plan Konzeptes in Gebäuden“.

Nach der neuen TrinkwV ist es sinnvoll, dass „nach der erstmaligen Durchführung [...] der Betreiber der Wasserversorgungsanlage das Risikomanagement in Abständen von höchstens sechs Jahren zu überprüfen [hat] und, wenn das Risikomanagement die Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers nach Abschnitt 2 nicht mehr sicherstellt, einen Antrag nach § 38 Absatz 3 [...] stellen [muss], um das Risikomanagement zu aktualisieren“.

Das ist mit Aufwand verbunden. Auf der ­anderen Seite gewinnt der Betreiber einer Trinkwasser-Installation dadurch Rechtssicherheit, da er für den Erhalt der Trinkwassergüte verantwortlich ist, wenn aus seiner Trinkwasseranlage Wasser an die Öffentlichkeit abgegeben wird – wie dies z. B. bei einer dezentralen Versorgung in einem Mehrfamilienhaus oder einem Industriebetrieb der Fall ist.

Struktur eines prototypischen Risikomanagements: So werden potenzielle Probleme für den Erhalt der Trinkwasserhygiene beherrschbar.

Water Safety Plan wird schon seit 2004 empfohlen

Das Konzept des WSP ist dabei nicht neu. Bereits im Jahr 2004 wurde es im Rahmen der Leitli­nien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Anwendung eines risikobasierten Ansatzes und als Gebäude-WSP auch für die Anwendung in Trinkwasser-Installationen empfohlen. Das europäische Normungsgremium CEN wiederum gab mit seinen entsprechenden Technischen Regeln ebenso wie die DIN EN 15975-2 „Sicherheit der Trinkwasserversorgung – Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement – Teil 2: Risikomanagement“ eine Handlungsempfehlung für die Umsetzung des WSP.

Und in der Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. ­Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch heißt es ebenfalls, dass, um die Risiken im Zusammenhang mit Hausinstallationen zu verringern, die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Eigentümer öffentlicher und privater Örtlichkeiten dazu ermutigt werden, eine Risikobewertung der Hausinstallation durchzuführen. In Bezug auf Legionellen sei zu gewährleisten, dass zur Verhinderung und Bewältigung möglicher Krankheitsausbrüche wirksame und gemessen an den Risiken verhältnismäßige Maßnahmen zur Risikobeherrschung und Managementmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Mit den Ausführungen zum Risikomanagement in der neuen TrinkwV wird das Konzept in seiner Bedeutung und Wirkmacht für den Erhalt der Trinkwassergüte also nochmals hervorgehoben. Nicht zuletzt, weil es jetzt schon am Startpunkt der Gewinnungs- und Versorgungskette ansetzt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass bisher dabei je nach Regelwerk zwischen einer systemorientierten und einer ereignisorientierten Gefährdungsanalyse unterschieden wird: 

  • Die systemorientierte Risikobewertung ist jener Teil des WSP, bei dem die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses durch den Mangel ein maßgebender Faktor ist. 

  • Bei der ereignisorientierten Gefährdungsanalyse nach TrinkwV (hierin begrifflich ersetzt durch Risikoabschätzung) wird das Risiko hingegen nicht über die Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt. Hier spielt vielmehr das Gefahrenpotenzial des Mangels auf die menschliche Gesundheit die entscheidende Rolle.

Über den WSP entwickelt sich ein methodischer Blick auch auf die ­Trinkwasser-Installation, wie er bei anderen Prozessen beispielsweise in der Qualitätssicherung oder Fertigung schon seit Langem üblich ist.

Warum es ein Team für den Water Safety Plan braucht

Spätestens an dieser Stelle ist jedoch eine entscheidende organisatorische Weichenstellung notwendig, und zwar der Aufbau eines interdisziplinär besetzten Teams zur Entwicklung und Umsetzung des WSP. Zu diesem Team gehören idealerweise der oder die Gebäudeverantwortliche, die Haustechniker, Vertreter der Gebäudenutzer sowie Vertreter des Gebäudemanagements mit Entscheidungs- und Budgetverantwortung. Bei Bedarf sollte außerdem ein Hygieneberater einbezogen werden, um später mögliche Risiken für den Erhalt der Trinkwassergüte qualifiziert bewerten zu können.

Denn entscheidend für das Team ist, dass gemäß § 35 TrinkwV, Absatz 1, „Personen, die das Risikomanagement durchführen, [...] hinreichende Fachkenntnisse über die dem Risikomanagement unterliegende Art der Wasserversorgungsanlage nach §34 Absatz 1 haben [müssen] und durch einschlägige Berufserfahrung oder durch Schulung für das Risikomanagement von Wasserversorgungsanlagen hinreichend qualifiziert [... sind]“. Der Hintergrund: Über die rein installationstechnische Seite hinaus ist der WSP zugleich Basis für

  • eine fundierte Risikobewertung mit Ableitung entsprechender Maßnahmen zur Beherrschung ebendieser Risiken
  • die Erstellung eines definierten Nutzungskonzeptes zum hygienischen Betrieb der Trinkwasser-Installation und letztlich sogar
  • eine Entscheidungsgrundlage für notwendige Investitionen in den Unterhalt oder die Erneuerung der Trinkwasser-Installation.

Im interdisziplinären Team kann so beispielsweise – Stichwort: Risikobewertung und Ableitung von Maßnahmen – deutlich besser beurteilt werden, inwieweit eine mögliche Gefährdung der Trinkwasserhygiene baulich-technische, betriebliche oder nutzungsspezifische Ursachen hat. Daraus würden dann Abhilfemaßnahmen wie eine betriebliche Überwachung mit Beobachtungen, Kontrollen oder Messungen von Parametern (beispielsweise Temperaturen in der Warmwasserzirkulation und des Trinkwassers kalt in der Nutzungseinheit) abgeleitet.

Auch die Festlegung geplanter und periodischer Revision gehört zu den Aufgaben des WSP-Teams, da ein solcher Plan zwangsläufig ein sich kontinuierlich fortsetzender, über die Nutzungsdauer des Gebäudes nie endender Prozess ist. Sind baulich-technische Maßnahmen erforderlich, werden diese wiederum im Rahmen des Handlungsplans zum WSP priorisiert und gegebenenfalls in einen Investitionsplan überführt.

Wie erfolgreich die Einzelmaßnahmen waren, wird schließlich über eine typische Endpunktkontrolle geprüft, z.B. durch eine hygienisch-mikrobiologische Untersuchung des Trinkwasser – deren Ergebnis natürlich ebenfalls schriftlich festzuhalten ist.

Ein derart veraltetes Rohrnetz ist ein verlässlicher Indikator für mögliche Hygieneprobleme in der Trinkwasser-Installation.

WSP bringt wirtschaftlichen Nutzen

Das proaktive Risikomanagement für eine Trinkwasser-Installation über einen WSP hat nicht nur eine installations- und betriebstechnische Dimension, sondern ebenso messbare wirtschaftliche Vorteile. Das betrifft zum einen die – weitestgehend unkalkulierbaren – finanziellen Risiken, falls hygienische Probleme einer Trinkwasser-Installation beispielsweise zu einem temporären Nutzungsverbot führen. Kostentreiber sind dann, neben den Aufwendungen für Desinfektion und Reparaturen kontaminierter Netze, in Mietobjekten auch Einnahmeausfälle aufgrund nicht nutzbaren Wohnraums oder die Schadensersatzansprüche eventuell geschädigter Nutzer in Gewerbeobjekten.

Zum anderen bietet ein WSP durch die strukturierte Vorgehensweise die Möglichkeit, über die planbare Umsetzung absehbarer Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen in einer Trinkwasser-Installation dem Vorsorgeprinzip folgend mittel- und langfristige Investitionspläne aufzustellen. Denn je nach Gebäudegröße stellen bekanntlich Ersatzinvestitionen wie der Austausch von Verteilleitungen mit bedarfsgerechter Dimensionierung zum Schutz vor Stagnation nicht unbeträchtliche Kostenblöcke dar, die durch den WSP deutlich besser kalkulierbar werden, als dies bei kurzfristig notwendigen Arbeiten aufgrund hygienischer Auffälligkeiten der Fall ist.

Trinkwasserhygiene auf neuem Qualitätsniveau

Die TrinkwV 2023 wird durch die Einführung der verpflichtenden Risikobewertung und des Risikomanagements für den Wasserversorger und durch die Möglichkeit, dies über die Technischen Regeln für Trinkwasser-Installationen (TRWI) sowie die entsprechenden Empfehlungen des UBA bis zum Verbraucher anzuwenden, die Bemühungen zum Erhalt der Trinkwasserhygiene auf ein neues Qualitätsniveau heben. Ähnlich wie beim Brandschutz sind jetzt erstmals die Erfassung und Bewertung von potenziellen Risiken für die Trinkwasserqualität mit konkreten Handlungen verknüpft und diese – über einen Water Safety Plan – praxisgerecht umsetzbar geworden.

Durch die damit einhergehende methodische Vorgehensweise eröffnen sich gleichzeitig neue Möglichkeiten, Trinkwasser-Installationen nicht nur hygienegerecht und betriebssicher, sondern auf einer wirtschaftlichen Basis klimaresilient ­weiterzuentwickeln: Nicht zuletzt ausgelöst durch den Klimawandel, aber auch durch verändertes Verbraucherverhalten werden sich Einflüsse wie Fremderwärmung von Trinkwasser kalt, Verringerung des Energieeinsatzes zur Erwärmung von Warmwasser, reduzierte Trinkwasserverbräuche aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Frischwasser oder auch häufigere Nutzungsunterbrechungen in Gebäuden deutlich öfter und stärker auf den Erhalt der Trinkwasserhygiene auswirken.

Durch die umfassende, ganzheitliche Erfassung und Weiterentwicklung der Wasserversorgungsanlagen und ihrer Nutzung über einen WSP können diese Einflussfaktoren ebenfalls deutlich eher detektiert und vorausschauend installations- und betriebstechnisch abgefangen werden, als das bislang geschieht.

Risikoindikatoren im Bestand

Von den rund 19 Mio. Gebäuden in Deutschland sind etwa 90 % mindestens 25 Jahre alt (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder). Das heißt: Für ein zielgerichtetes Risikomanagement und darauf aufbauend zu erstellende zielführende WSP werden fundierte Bestandsaufnahmen von Trinkwasser-Installationen künftig zu einem wichtigen Bestandteil. Bei der Inspektion der Trinkwasser-­Installation vor Ort geben vor allem vier Aspekte ­einen Hinweis auf direkten Handlungsbedarf:

  • problematische verbaute Werkstoffe wie Blei oder verzinkte Stahlrohre in der Warmwasser­verteilung
  • Auffälligkeiten wie Färbung oder Geruch des Trink­wassers
  • Nutzungsunterbrechungen, weil Wohnungen oder Teilbereiche eines Objektes erkennbar nicht bestimmungsgemäß genutzt sind
  • deutlich überhitzte Haustechnikzentralen mit auf ­engem Raum geführten warm- und kaltgehenden ­Installationen.

Werden diese Punkte festgestellt, ist unmittelbar ­„eine Abschätzung der daraus resultierenden Risiken für die den Anforderungen nach Abschnitt 2 [der TrinkwV] entsprechende Beschaffenheit des Trinkwassers (Risikoabschätzung)“ mit Sofortmaßnahmen notwendig.

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