Wasserbehandlung Trinkwasser: Tipps aus der Sachverständigenpraxis
Die Wasserbehandlung von Trinkwasser in Versorgungsgebieten mit hartem Wasser ist sehr komplex. Es gibt klare Vorgaben und Empfehlungen des Umweltbundesamtes (UBA) als oberster Fachbehörde, Regelwerke des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches DVGW und des Vereins Deutscher Ingenieure VDI zur Trinkwasser-Installation und DIN-Normen sowie weitere rechtliche Vorgaben auf nationaler und europäischer Ebene wie z.B. die EU-Richtlinie 2020/2184 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch.
Risiken durch die Nachbehandlung von Trinkwasser sorgfältig abwägen
Höchst interessant im Zusammenhang mit der Installation einer Wasserbehandlung ist die Stellungnahme des UBA hinsichtlich der Risiken durch die Nachbehandlung von Trinkwasser in der Trinkwasser-Installation (TWI) vom 15. Dezember 2021. Dort ist eindeutig klargestellt:
„Im Gegensatz zur Aufbereitung im Wasserwerk liegt die Nachbehandlung in der direkten Nähe zu den Verbrauchern. Aufgrund von Fehleinstellungen, technischen Mängeln oder unzureichender Sach- und Fachkenntnis können gesundheitliche Risiken entstehen. Das Risiko einer Nachbehandlung in der TWI ist deshalb gegenüber dem vermeintlichen Nutzen abzuwägen.“
SHK-Experten können ein Lied davon singen: Oft sind es besondere Kundenwünsche, die der Installation einer Wasserbehandlungsanlage vorausgehen. Im gewerblichen Bereich mögen sie durchaus begründet sein, wie beispielsweise die geforderte Bereitstellung von technischem Wasser für Rückkühlwerke oder Klinikbetriebe.
Im Privatbereich steht jedoch meist nicht mehr der technische Nutzen im Vordergrund, also der Schutz der technischen Anlage und damit des Wassers, sondern Wellness- oder Komfortansprüche, die sich vermeintlich über eine Wasserbehandlung zur Enthärtung realisieren lassen.
Änderung der Wasserqualität darf nicht zum Standard werden
„Die Veränderung der Wasserqualität durch eine Wasserbehandlung darf nicht zur Standardinstallation werden“, betont Arnd Bürschgens, Vorsitzender des Deutschen Vereins der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene DVQST und Mitglied in verschiedenen Regelwerksausschüssen bei VDI, DVGW und DIN.
„Mein Eindruck ist, dass der Trend dahin geht, ergänzend zum Rückflussverhinderer und Filter mit Druckminderer direkt eine Enthärtungsanlage als Standardbauteil mit zu installieren. Das mag zwar gut gemeint sein, der Nutzen sollte aber immer gegenüber den Risiken sorgfältig abgewogen werden. Eine Veränderung der Wasserparameter kann zu Schäden an metallenen Rohrleitungen führen. Daher muss der Installateur zuerst den Bedarf in Erfahrung bringen und welche Werkstoffe im Gebäudebestand verbaut sind.“
Für die SHK-Praxis macht also eine zeitgemäße Betrachtungsweise der nutzenorientierten Trinkwasser-Installation Sinn, weil Installateure auch rechtlich in der Verantwortung stehen, ein technisch einwandfreies, also den a. a. R. d. T. entsprechendes Bauwerk zu planen. (vgl. hierzu OLG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 1996, Az. 2 U 103/96).
Beratung und Planung auf Grundlage der Regelwerke
Vereidigte Sachverständige wie Christian Strehlow aus Berlin erleben in ihrer Berufspraxis nahezu täglich, dass die Betreiber nicht ausreichend darüber informiert sind, welcher Aufwand im laufenden Betrieb beispielsweise mit einer Enthärtungsanlage zwingend einhergeht.
„Als Sachverständige werden wir häufig dann zurate gezogen, wenn die Probenahme bereits einen auffälligen Befund, also meist eine Grenz- oder Maßnahmenwertüberschreitung nach der Trinkwasserverordnung, aufweist. Gerade Verbraucher fragen sich manchmal aber auch einfach, weshalb ihnen ihr Wasser nicht mehr schmeckt“, so der erfahrene Sachverständige.
„In diesem Fall ist die Ursache meist schnell gefunden. Wird das Wasser chemisch verändert, verändert sich auch der Geschmack. Darüber müssen Verbraucher vom Fachmann vor der Installation informiert werden, ebenso natürlich über die Pflichten, die sich auch für private Hausbesitzer als Betreiber einer Wasserbehandlungsanlage ergeben.“
Bei komplexeren Wirkzusammenhängen wie auffälligen Probenahmen findet der Sachverständige im Zuge einer vollständigen Überprüfung der Installation leider häufig eine falsch dimensionierte oder – bezogen auf den Aufstellort – falsch positionierte Wasserbehandlungsanlage als Mitursache vor. Dabei ließe sich dieser zeitintensive Prozess oft mit ein paar grundlegenden Vorüberlegungen vermeiden.
Wann ist eine Behandlung des Wassers notwendig?
„Zu Beginn jeder Planung sollte die DIN 1988-200 eine zentrale Entscheidungsgrundlage sein. Sie liefert Installateuren die Orientierungswerte, ab welchem Härtegrad überhaupt erst eine Stabilisierung oder Enthärtung im Kalt- und Warmwasserbereich notwendig ist. Die prophylaktische Installation einer Wasserbehandlung mag zwar im Sinne des Kunden erfolgen, die mikrobiologischen Gefahren, die sich mit dem Betrieb einer chemischen Wasseraufbereitung ergeben, sind jedoch nicht zu unterschätzen“, rät Strehlow.
Liegt die Wasseranalyse des Versorgers vor, sei es außerdem wichtig, die Gesamthärte des Wassers von der Carbonat-Härte differenziert zu betrachten. Nur so lasse sich entscheiden, welche Wasserbehandlung effektiv das richtige Mittel der Wahl sei.
Trinkwasser als natürliches Lebensmittel erhalten
Arnd Bürschgens verweist in diesem Zusammenhang auf die häufig fehlende Notwendigkeit einer Trinkwasserbehandlung. „Ebenfalls in der DIN 1988-200 Pkt. 12.1 ist klar vorgegeben, dass eine Behandlung von Trinkwasser aus der öffentlichen Wasserversorgung mit Ausnahme mechanischer Filter zum Schutz vor Partikeln nur in begründeten Fällen erfolgen darf. Weniger Putzaufwand, ein vermeintlich weicheres Hautgefühl oder der Wunsch, die Kaffeemaschine seltener entkalken zu müssen, sind keine begründeten Fälle“, gibt Bürschgens zu bedenken.
„Wir dürfen nicht vergessen: Trinkwasser ist ein natürliches Lebensmittel, dessen Zusammensetzung an Mineralstoffen nur dann verändert werden darf, wenn bei der Wasserbeschaffenheit zu erwarten ist, dass die technischen Anlagen vor Korrosion und/oder Kalksteinbildung zu schützen sind.“
Das UBA gibt hierfür in dem Ratgeber „Trinkwasser aus dem Hahn“ lesenswerte Empfehlungen und rät dringend vom Einbau von Geräten in der Trinkwasser-Installation ab, die das Wasser zusätzlich reinigen oder behandeln sollen.
Größtes Problem: Mangelnde oder fehlerhafte Instandhaltung
Doch woraus entstehen in der Praxis die meisten hygienischen Probleme im Betrieb von Wasserbehandlungsanlagen und welche Lösungswege oder Alternativen gibt es am Markt? Aus seiner Erfahrung heraus rät Christian Strehlow Installateuren und Betreibern, besonders die spätere Instandhaltung in den Blick zu nehmen.
„Die größten mikrobiologischen Gefahren ergeben sich aus mangelnder Pflege und fehlerhafter oder ganz ausbleibender Instandhaltung einer oft auch überdimensionierten Wasserbehandlungsanlage. Salzbehälter, die unverschlossen aufgestellt werden, um ein schnelles Nachfüllen zu ermöglichen, oder feucht-warme Raumluft, die etwa im Heizungsraum oder in Technikzentralen vorzufinden ist, sind ideale Voraussetzungen für unerwünschte Keimbildung“, betont Strehlow.
„Auch das Nachfüllen von Dosierbehältern ist immer wieder ursächlich für Keimbefall, da bei diesem Vorgang ein mikrobiologischer Eintrag von außen in das geschlossene System erfolgen kann. Wir dürfen nicht vergessen: Die hygienegerechte Lagerung von Betriebsmitteln wie z.B. Salz-Tabs ist essenziell, denn diese Stoffe kommen im weiteren Prozess mit unserem Lebensmittel Trinkwasser in Kontakt.“
Arnd Bürschgens berichtet aus seiner Sachverständigenpraxis, dass er immer wieder überdimensionierte Installationen vorfinde, die mit einem hohen Instandhaltungs- und Kostenaufwand verbunden sind, welcher dann aber leider nicht im geforderten Umfang betrieben wurde.
„Wenn die Enthärtungsanlage am zentralen Hauswassereingang das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht des Trinkwassers so verändert, dass in dessen Folge aufgrund des erhöhten Säuregehalts eine korrosive und schädliche Wirkung für verzinkte oder Rohre und Werkstoffe aus Kupfer zu erwarten ist, erscheint oft eine zweite Wasserbehandlung in Form einer Phosphat-Dosierung als naheliegende Lösung“, so Bürschgens. Zwingend notwendig ist daher das Wissen um die Beschaffenheit der Werkstoffe im Gebäudebestand.
Chemiefreie Lösungen als Alternative
Am Markt sind jedoch auch längst effiziente Alternativen verfügbar, die in ihrer Funktionsweise deutlich zielführender sind als eine chemische Wasserveränderung. Hierzu gehören z.B. chemiefreie Kalkschutzlösungen, deren natürliches Wirkprinzip über Impfkristallbildung einen dauerhaft wirksamen Schutz vor Kalksteinbildung bei minimalem Wartungsaufwand sicherstellt. Mit der Anlage Biocat des Herstellers Watercryst beispielsweise wird Kalksteinbildung nachhaltig vermindert und der Austausch des Katalysator-Granulats ist nur alle fünf Jahre erforderlich.
Eine alternative Kalkschutzlösung anzubieten lohnt sich durchaus für Installateure, denn der chemiefreie Betrieb bringt für Verbraucher viele Vorteile mit sich – sowohl in Bezug auf die geringen Wartungs- und Betriebskosten als auch aufgrund der Tatsache, dass ein chemiefreies Kalkschutzsystem den natürlichen Mineralstoffgehalt des Trinkwassers nicht nachteilig verändert.
Schlussfolgerungen für SHK-Profis
Beide Sachverständige raten dazu, immer die Verhältnismäßigkeit einer Technikinstallation im Vorfeld zu prüfen, unabhängig von Neubau oder Sanierung. Steht der Schutz der technischen Anlage im Vordergrund, sollte immer zunächst die Trinkwasserqualität der öffentlichen Wasserversorgung bekannt sein. Für die Sicherheit sollten Installateure zudem darauf achten, dass die Geräte z.B. ein DVGW-Zertifikat haben. Wenn SHK-Betriebe die technischen Normen und Regelwerke als langfristige Zufriedenheitsgarantie im Sinne des Kunden sehen, ist die erstklassige Beratung von Hausbesitzern sichergestellt.
Dieser Artikel erschien zuerst in SBZ-Ausgabe 17/2022. Arnd Bürschgens und Christian Strehlow sind beide öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Trinkwasserhygiene