Hygieneanforderungen an die Inbetriebnahme von Trinkwasserleitungen
Würden Sie von den auf dem Titelbild dargestellten Tellern noch mit Genuss Ihr Mittagessen löffeln? Wohl kaum! Das Geschirr gehört in die Spülmaschine und dort wird die feinporige Porzellanoberfläche fast wie neu.
Die Tassen und Teller können danach wieder in Kontakt mit Lebensmitteln kommen, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Wer will es in diesem Zusammenhang einem Kunden verdenken, der seine Trinkwasserleitung ebenso behandelt sehen möchte.
Nach tage- oder wochenlangem Werkeln an Rohrleitungen und Armaturen kann sonst was passiert sein mit der wasserberührenden Innenoberfläche der Trinkwasserleitungen. Ebenso kann nach einem längeren Stillstand des Trinkwassers in den Leitungen ein hygienisch bedenkliches Milieu entstanden sein. Spülen ist also angesagt.
Nette Geste oder Pflicht?
Wenn man ein Restaurant betritt und ein Menü bestellt, gibt es an keiner Stelle die Nachfrage, ob man denn gerne von gespülten Tellern essen möchte. Man geht davon aus, dass sämtliches Geschirr, das aufgetragen wird, auch vorher entsprechend gereinigt wurde.
Sollte ein Teller dann doch mal einen Speiserest des Vorgängers aufweisen, so meldet man sich für gewöhnlich und bekommt umgehend ein gereinigtes Exemplar verbunden mit einer Entschuldigung des Personals. Die gleiche Sorgfalt darf auch vom Anlagenmechaniker erwartet werden.
Die Inbetriebnahme einer Trinkwasseranlage setzt das sorgfältige Spülen voraus. Das Spülen mit Wasser ist also kein Geschenk des Handwerkers aus Nettigkeit, sondern eine geschuldete Leistung. Natürlich muss diese Leistung auch bezahlt werden. Sie sollte daher frühzeitig in die gesamten Kosten miteinfließen.
Dann kostet die Installation eines laufenden Meters Rohr entsprechend mehr, als wenn man diese Leistung unerlaubt weglässt. Um das Beispiel aus dem Restaurant nochmals zu bemühen:
Wenn der Betrieb in Form einer ungesunden Erlebnisgastronomie (Ritterschmaus oder Neandertalteller) auf das Spülen seiner Holzteller verzichten würde, könnte dieser den Teller Suppe vielleicht auch 30 Cent billiger anbieten.
Aber Standard bleibt innerhalb gewöhnlicher Gastronomie das Essen von gespülten Tellern. Ein SHK-Betrieb wird wohl auch niemals erfolgreich mit dem Slogan werben: „Hygiene wie im Mittelalter, wir verzichten auf das teure Spülen!“
Gehen Anforderungen jedoch über das übliche Maß hinaus, so sollte dies gesondert geregelt werden. Beispielsweise werden Krankenhäuser wegen des erhöhten Schutzbedarfs die intensive Art der Spülung mittels eines Luft/Wasser-Gemisches durchführen lassen.
Dies taucht dann auch als gesonderter Posten in der Rechnung auf. Um das Restaurantbeispiel ein letztes Mal zu bemühen: Wenn ein Gast auf Spülmittel allergisch reagiert und sich sein Geschirr unter fließendem, heißen Wasser reinigen lässt, wäre dieser Mehraufwand ja auch eine Besonderheit.
Woher Verunreinigungen stammen
Betrachtet man nur das einzubauende Rohrmaterial, so wird schnell klar, dass dieses nicht gegen jede erdenkliche Form der Verunreinigung geschützt werden kann.
Natürlich ist das Rohr während des Transports auf dem Dachgepäckträger des Firmenfahrzeugs zu schützen. Rohrhersteller liefern ihre Stangenware bereits mit wiederverwendbaren Stopfen aus. Die kommen nach dem Transport auch nochmals zum Einsatz beim Durchfädeln der Rohre durch die Deckendurchbrüche.
Es folgt aber auch die Lagerung auf der Baustelle und in den nassen Kellern. Dabei liegen Trinkwasserleitungen selbstverständlich nicht auf dem Boden rum. Denn dann würden sie ja in jeder nicht zu vermeidenden Pfütze derbe verschmutzt. Aber bis das Rohr seinen endgültigen Platz in der Installation besetzt, ist es schon mit einigen potenziellen Verunreinigungen in Kontakt gekommen.
Man denke nur an das Ablängen oder die Verpressung. Sind diese Verunreinigungen aber wasserlöslich, so kann mittels einfachem Spülen gereinigt werden. Dabei lassen sich dann auch gleich feste Bestandteile wie Sandkörner oder Metallspäne herausschwemmen.
Im Bestand ist es außerdem wichtig, die bereits installierten Komponenten zu betrachten. Ein uralter Warmwasserspeicher sollte untersucht und gegebenenfalls gereinigt werden, bevor bei einer Neubefüllung der Anlage seine gelösten Bestandteile ins Netz verteilt werden. Gleiches gilt für bereits installierte Filter die man ebenfalls entsprechend reinigt.
Dann gibt es noch ein paar Hilfsstoffe wie Fluss-, Gleit- und Dichtmittel, die potenziell schädigen könnten. Diese müssen den KTW-Empfehlungen (Kunststoffe und Trinkwasser) und den DVGW-Arbeitsblättern (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) entsprechen, denn dann sind diese mittels Wasser ausspülbar.
Einfaches Spülen
Der Slogan, der ausgegeben werden kann, lautet: „Widerstände raus, frei Fahrt fürs Spülwasser.“ Absperrungen werden daher voll geöffnet. Perlatoren, Duschköpfe und Ähnliches werden demontiert. Empfindliche Bauteile, die durch die Mitbringsel des Spülwassers in ihrer Funktion beeinträchtigt werden könnten, sollten ausgebaut werden.
Stattdessen setzt man Passstücke ein. Ist der Ausbau von empfindlichen Bauteilen nicht möglich, so schaut man in die Herstellerunterlagen. Dort sollte vermerkt sein, wie man diese Armaturen während des Spülens schützen kann.
In der Praxis reicht meistens der Versorgungsdruck aus, um eine Spülung durchzuführen. Es muss sich aber bereits um einwandfreies Trinkwasser handeln, das gefiltert ins Netz gegeben wird. Man dreht gemäß dem bereits genannten Slogan voll auf und auch der Druckminderer regelt noch nichts vom reinigenden Druck herunter.
Man bewegt sich vom Hausanschluss in Fließrichtung entlang der Leitung und öffnet die installierten Zapfstellen nacheinander. Je nach Rohrdurchmesser der Verteilungsleitungen soll eine Anzahl von Zapfstellen geöffnet werden. Der Sinn ist natürlich, dass beispielsweise ein Rohr DN 50 sich durch zwei geöffnete Auslaufventile kaum beeindrucken lässt.
Es bildet sich dann nur eine Kernströmung in der dicken Leitung. Die Strömung an den Wandungen des Rohres wären kaum wahrnehmbar. Für DN 50 sollten daher beispielsweise gleichzeitig acht Entnahmestellen geöffnet werden. Zwei geöffnete Entnahmestellen reichen bereits für eine Leitung mit DN 25 (Beispiel: Kupferrohr 28 x 1,5).
In einem Mehrfamilienhaus mit geschossweisen Anschlüssen für die Wohnungen wird zuerst die vom Steigestrang entfernteste Entnahmestelle geöffnet.
Dann wandert man in Fließrichtung zurück zum Steigestrang und öffnet nacheinander die verbleibenden Zapfstellen. Nach einer Zeit von fünf Minuten mit voll geöffneten Spülstellen schließt man in umgekehrter Reihenfolge.
Sonderwunsch Luft/Wasser
Die Vorbereitung zu der Reinigung mittels Wasser und Luft verläuft ebenso penibel wie beim Spülen mit Wasser. Der Spüleffekt wird jedoch durch ein sogenanntes intermittierendes Vorgehen verstärkt. Intermittierend bedeutet ein Unterbrechen des jeweiligen Spülgangs und das Ersetzen durch den jeweils anderen.
Fließt in der einen Sekunde noch Wasser, so soll in der nächsten nur noch Luft durchrauschen. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Säge gegenüber einem Messer. Mit viel Geduld ließe sich ein Baum auch mit der scharfen Klinge eines Messers fällen. Ungleich leichter durchdringt man aber den Stamm durch einen Wechsel von scharfen Zacken mit anschließendem Freiraum.
Das Messer entspricht also dem Spülen nur mit Wasser, während die Säge der intermittierenden Mischung entspricht. Das Spülen mit Wasser und Luft kann durch geeignete Spülkompressoren automatisiert werden. Diese Automatisierung ersetzt natürlich nicht das Öffnen einer ausreichenden Anzahl von Entnahmearmaturen.
Stellt sich bei dem Öffnen dieser Entnahmearmaturen kein ausreichender Volumenstrom ein, muss nachgeholfen werden. Dazu wird ein Vorratsbehälter gefüllt und aus diesem dann mittels einer separaten Pumpe eine ausreichende Wassermenge zur Verfügung gestellt.
Dieses Spektakel erreicht also bei richtiger Anwendung die beste Reinigungswirkung. Sie stellt aber auch gleichzeitig eine Belastung der eingebauten Komponenten dar.
Daher ist schon bei der Vorbereitung sinnvoll abzuschätzen, welche Bauteile dieser Prozedur überhaupt noch ausgesetzt werden sollten. Bestandsanlagen können durchaus kritisch sein für diese Art des Spülens.
Fazit
Einfaches Spülen mit Wasser ist nach entsprechenden Arbeiten an Trinkwasserleitungen recht einfach durchzuführen. Ist das Ergebnis einer solchen Spülung erkennbar nicht ausreichend oder sind die Hygieneanforderungen von vornherein sehr hoch, kann auch intermittierend mit Luft und Wasser gespült werden.
Wegen der ungleich höheren Kosten ist diese Spülart aber gesondert zu beauftragen und zu vergüten. Aber ganz ohne Spülen geht es nicht. Das gilt auch für die Wiederinbetriebnahme mancher Trinkwasserinstallationen nach unterbrochenem Betrieb.
Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) hat die wichtigen Punkte zum Thema zusammengestellt im Merkblatt „SPÜLEN, DESINFIZIEREN UND INBETRIEBNAHME VON TRINKWASSERINSTALLATIONEN“. Zu beziehen ist es im Bereich Fachliteratur unter www.zvshk.de.