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EU-Kraftwerke: Treibhausgasemissionen sinken 2019 stark wie nie

Die Treibhausgasemissionen der Kraftwerke in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr so stark zurückgegangen wie nie zuvor seit 1990. Sie sanken um 120 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zu 2018, das entspricht einem Rückgang um 12%.

Der Grund dafür ist ein Einbruch der Stromerzeugung von Stein- und Braunkohlekraftwerken: Sie verminderte sich EU-weit um beinahe ein Viertel und erreichte ein Rekordtief. Dazu kam es, weil der Preis für den Ausstoß von Treibhaugasen im Jahr 2019 auf rund 25 Euro je Tonne CO2 stieg, wodurch CO2-intensiver Kohlestrom teurer als Strom aus Erdgas, Atomstrom und Erneuerbaren Energien wurde.

Der wegfallende Kohlestrom wurde je zur Hälfte durch Strom aus Gaskraftwerken und Strom aus Erneuerbaren Energien ersetzt. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wuchs EU-weit im Jahr 2019 auf 34,6%, er lag damit um 1,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2018.

Windkraft- und Solarstromanlagen lieferten damit erstmals mehr Strom als Kohlekraftwerke. Das zeigt der Jahresrückblick 2019 auf das EU-Stromsystem, den Agora Energiewende jetzt gemeinsam mit dem britischen Think Tank Sandbag vorgestellt hat.

Einbruch der Kohle

Zu beobachten war der Rückgang der Kohleverstromung in allen EU-Ländern, in denen Kohlekraftwerke betrieben werden. Insgesamt sank die Menge an Kohlestrom um 24 Prozent beziehungsweise 150 Terawattstunden. Dabei brach die Stromerzeugung von Steinkohlekraftwerken im Vergleich zu 2018 europaweit um 32 Prozent ein, die Braunkohleverstromung nahm um 16 Prozent ab.

Auf Deutschland, Spanien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Italien zusammen entfielen zusammen 80 Prozent des Rückgangs in der Steinkohleverstromung. Bei der Braunkohle sind fast zwei Drittel des Rückgangs allein auf Deutschland und Polen zurückzuführen. Kernkraftwerke verzeichneten einen leichten Rückgang um 1 Prozent. Gaskraftwerke waren die einzigen konventionellen Stromerzeuger, bei denen die Stromproduktion anstieg und zwar um 12 Prozent.

„Europa legt weltweit eine einzigartige Geschwindigkeit bei der Ablösung von Kohlestrom durch Wind- und Solarenergie an den Tag. Das hat dazu geführt, dass die CO2-Emissionen des Stromsektors im letzten Jahr so schnell wie nie zuvor gesunken sind", sagt Dave Jones, Analyst für den europäischen Stromsektor bei Sandbag.

Ausbau der Erneuerbaren Energien muss weiter anziehen

Die Stromproduktion von Windkraft- und Solaranlagen wuchs um 64 Terawattstunden gegenüber 2018 und übertraf mit insgesamt 569 Terawattstunden erstmals die Mengen an Kohlestrom um gut 100 Terawattstunden. Auch aufgrund eines guten Windjahres lieferten Windkraftanlagen 14 Prozent mehr Strom als im Vorjahr.

Die Solarstromproduktion nahm um 7 Prozent zu. Infolgedessen stieg der Anteil von Solar- und Windstrom am Strommix in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Tschechien. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft ging hingegen aufgrund von anhaltender Trockenheit um gut sechs Prozent zurück.

Die Trockenheit machte besonders im Juli auch Kernkraftwerken zu schaffen, die ihre Kühlung über Flusswasser bewerkstelligen. Niedrigere Flusspegel behinderten gleichzeitig die Kohlelieferungen an Kraftwerke auf dem Wasserweg.

Bei der Windkraft kamen EU-weit Anlagen mit einer Leistung von 16,8 Gigawatt hinzu – der Zubau gegenüber 2018 wuchs damit um 5,1 Gigawatt. Bei der Photovoltaik war sogar eine Verdoppelung des Zubaus von 8,2 Gigawatt im Jahr 2018 auf 16,7 Gigawatt im vergangenen Jahr zu verzeichnen.

„Trotz der positiven Entwicklung muss das Zubautempo noch weiter beschleunigt werden“, sagt Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende.  Denn bis 2030 soll ein knapp ein Drittel der Gesamtenergie in der EU aus Erneuerbaren Energien stammen, hierfür ist ein Wachstum von 97 Terawattstunden Strom jährlich bis 2030 nötig – also 33 Terawattstunden mehr als 2019.

CO2-Preise wirksam

„Den Rückgang der Treibhausgasemissionen in der EU im vergangenen Jahr verdanken wir größtenteils dem CO2-Preis, der 2019 wieder ein Niveau erreicht hat, bei dem die klimaschädlichen Energieträger vom Markt verdrängt werden“, sagt Buck. „Damit wir dauerhaft Klimaschutz sehen, ist es wichtig, dass der Preis für CO2 das aktuelle Niveau mindestens hält.“

Über den Zertifikatshandel legt die EU die Menge an Treibhausgasemissionen fest, die in der Energie- und Industriewirtschaft sowie im innereuropäischen Flugverkehr ausgestoßen werden dürfen. Allerdings werden aktuell etwa 300 Millionen Zertifikate pro Jahr mehr ausgegeben als verbraucht.

„Damit der Emissionshandels weiterhin zum Klimaschutz beiträgt und Investitionssignale für Erneuerbare Energien sendet, sollte die EU die Menge der jährlich ausgegebenen Zertifikate stärker als bislang vorgesehen verringern. Das sollte ein Kernelement der Debatte um eine Erhöhung der europäischen Klimaschutzziele für 2030 werden“, sagt Buck.

Niedrigere Börsenstrompreise in Ländern mit Alternativen zu Kohlekraftwerken

Die Länder mit dem ambitioniertesten Zubau von Windkraft- und Solaranlagen verzeichneten den stärksten Abfall der Börsenstrompreise – allen voran das Vereinigte Königreich, Irland und Spanien. „Bei der Entwicklung der Börsenstrompreise sehen wir, dass die Länder, die Erneuerbare Energien ausbauen, unabhängiger von Importen, fossilen Rohstoffpreisen und natürlich dem CO2-Preis sind“, sagt Buck.

Für 2020 halten Agora Energiewende und Sandbag eine weiterhin positive Entwicklung für möglich. „Der Abwärtstrend beim Kohlestrom wird anhalten. 21 europäische Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich haben inzwischen Kohleausstiegspläne verabschiedet oder aber gar keine Kohlekraftwerke im inländischen Strommix, in zwei weiteren Ländern wird der Kohleausstieg diskutiert.

Gesellschaftliche Forderungen nach schnelleren Fortschritten beim Klimaschutz haben das Jahr 2019 geprägt, dieses Jahr wird Europa seine Klimaschutzziele für 2030 erhöhen“, sagt Buck. „Zeitgleich sinken die Preise für Erneuerbare Energien immer weiter und bei richtiger Rahmensetzung wird der CO2-Preis weiterhin auf einem substantiellen Niveau bleiben. Das postfossile Zeitalter kommt also, darauf müssen die sich EU-Mitgliedstaaten jetzt einstellen.“

Braunkohle: vom Vermögenswert zur Belastung

„Europa hat die wichtige Aufgabe weltweit ein Vorbild zu werden, wie der Abschied von Kohle schnell und vollständig realisiert werden kann. Für einen vollständigen europäischen Kohleausstieg fehlen noch die Ausstiegspläne der Braunkohleländer Polen, Tschechien, Rumänien und Bulgarien. Braunkohlekraftwerke sind inzwischen vom Vermögenswert zur Belastung geworden, seitdem die niedrigeren Strompreise und die höheren CO2-Preise im Jahr 2019 ihre Wirtschaftlichkeit zunichte gemacht haben“, sagt Dave Jones von Sandbag.

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