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Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen: Aktuelle Themen, Projekte und Stand der Technik

Lars Keller
Inhalt

Um Temperaturen jenseits der 100°C zu realisieren wurden Lösungen mit natürlichen Kältemitteln und Kohlenwasserstoffen aufgezeigt. Mithilfe eines Umfragetools konnte ein Meinungsbild zu aktuellen Themen eingefangen werden. Durch die Veranstalter cci Dialog, der Hitzköpfe Academy, den Referenten und Teilnehmern konnte einen Spendenbetrag von sagenhaften 8.000 € für die Deutsche Knochenmarkspende generiert werden. 

Eine Gruppe von Menschen steht im Innenbereich und hält einen großen Spendenscheck in den Händen.
Veranstalter, Referenten und Teilnehmer sammeln für die DKMS

F-Gase, Kohlenwasserstoffe und natürliche Kältemittel

Eröffnet wurde das Seminar von Dipl. Ing. (FH) Lars Keller, der auch die Seminarleitung innehat, mit dem Vortrag „Kältemittelsituation mit Bezug auf die EU VE 2024/573“. Bei Großanwendungen im Megawattbereich mit Turboverdichtern fällt noch oft die Wahl auf das HFO R1234ze mit einem GWP Wert von 7, hier ist aber noch die Entscheidung zur PFAS Regulierung der EU offen. Um auch zukünftig eine Planungssicherheit zu bekommen, wird eine schnelle Klarstellung gefordert. Kohlenwasserstoffe wie Propan, Butan oder Isobutan und natürliche Kältemittel wie Ammoniak (R717) und CO2 (R744) sind hingegen vollkommen zukunftssicher. Ein weiterer Vorteil dieser Kältemittel ist der hohe Temperaturbereich. Das Thema CO2 (R744) als Kältemittel für Wärmepumpen mit der Wärmequelle Luft und Wasser stellte die Firma Advansor A/S vor. Dr. Klaus Ramming von der AGO-Energie nahm Ammoniak unter die Lupe und zeigt dies in seinem Vortrag auf. Bei notwendigen Vorlauftemperaturen bis 90°C findet Ammoniak Einsatz, für Temperaturen bis 160°C und großen Temperaturspreizungen auf der Wärmequellen und -senkeseite empfiehlt er ein Ammoniak/Wassergemisch. Höhere Effizienz und niedrigere Drücke im Vergleich zum reinen NH3 sind die Vorteile.

Diagramm zweier Kühlkreisläufe, in dem Kompression und Absorption mit gekennzeichneten Komponenten und Effizienzkennzahlen verglichen werden.
Bild 1: Vergleich Kältekreislauf mit NH3 zu Lösungskreislauf NH3/H2O.

R718 – Großes Potenzial für Wasser als Kältemittel bei Hochtemperaturanwendungen

Das Fraunhofer IEG hat bis Mitte 2026 ein Forschungsprojekt zum Thema Wasser als Kältemittel am Laufen, die Zwischenergebnisse präsentierte M. sc. Philip Hofmann. Die herausragenden Eigenschaften von R718 sind die unbegrenzte Verfügbarkeit, geringe Kosten und das es nicht umweltgefährlich ist. Im Vergleich zu anderen Kältemitteln können deutlich geringere Massenströme bei gleicher thermischer Leistung festgestellt werden. Der subkritische linksläufige Prozess eröffnet Möglichkeiten von Vorlauftemperaturen über 300°C. Die Herausforderungen wie Unterdruck im Abschaltbetrieb (<100°C) und eine notwendige starke Überhitzung sind technisch in den Griff zu bekommen. 

Bivalenz auf der Quellen- und Senkenseite

Die Wärmequelle Luft mit Wärmekollektoren zu nutzen stellte Dip. Ing. (FH) Wolfgang Ulrich von der Firma Güntner vor. Besonders die Aufstellung, Rezirkulation, Auslegung und Schall sind zu berücksichtigen. Prof. Dr. Volker Stockinger von der TH in Nürnberg schafft einen guten Überblick über mögliche Wärmequellen und zeigt die praxisnahe Umsetzung am Lagarde Campus in Bamberg. Hier werden als Quellen Abwasserwärmetauscher, Erdwärmekollektoren als Freifläche und unter den Gebäuden sowie ein Erdsondenfeld genutzt. Die Kälte- und Wärmeversorgung findet über ein kaltes Nahwärmenetz statt. 

Zum Thema „Einbindung dezentraler Quellen in Fernwärmenetze“ referierte Paul Ross von Danfoss Climate Solutions District Energy. Das Konzept zur Dekarbonisierung bis 2040 der Stadtwerke München beruht auf dem Ausbau der Tiefengeothermie mit Erweiterung der Großwärmepumpen und der thermischen Abfallverwertung, weiß Dipl. Ing. Patrick Ullmann zu berichten. Die Verteilung wird über ein über 1.000 km langes Fernwärmenetz umgesetzt. 

Auf Bivalenz in der Wärmeerzeugung setzt auch das Konzept BHKW in Kombination mit einer Wärmepumpe. Ulrich Brinkmann von der 2G Energy AG geht davon aus, dass in Zukunft die Betriebsweise der KWK flexibel und Strommarkt geführt sein wird. Hierzu ist jedoch ein intelligentes Steuerungssystem und Großwärmespeicher unabdingbar. In dieser Kombination wird eine Stabilisierung der Netze und eine Erhöhung der Versorgungssicherheit erreicht. 

Sektorenkopplung – von der Strombörse zu thermischen Speichern

Ein großes Lob sprachen die Teilnehmer für die übergreifende Themenauswahl aus. Ohne eine Sektorenkopplung von Strom, Wärmequellen, Wärmeerzeuger und Speichertechnologien wird die Energiewende nicht gelingen. Christian Dorfner von der SK Verbundenergie AG konnte die Teilnehmer mit seinem Vortrag „Strombörse für Unternehmen – Flexible Strompreise ausnutzen“ begeistern. Die Möglichkeit der Vermarktung von flexiblen Stromerzeugern- und Verbrauchern eröffnet Firmen ganz neue Geschäftsfelder. Die Mechanismen von Day-Ahead und Intra-Day-Handel stellen die Grundlage hierfür da. Um die Potenziale vollständig zu nutzen ist der Einsatz von Batteriespeicher und thermischen Speichern in Kombination mit Wärmepumpen unabdingbar. 

Eine Übersicht der verfügbaren thermischen Speicher wurde im zweiten Vortrag von Philip Hofmann kompakt erklärt. Diese sind:

  • Sensible Wärmespeicher
  • Ruths-Speicher
  • Latente Wärmespeicher
  • Thermochemische Wärmespeicher
  • Geothermischer Wärmespeicher

Durch den Einsatz von Speichern ist eine höhere Flexibilität die Folge. Abdeckung thermischer Spitzen, zeitliche und örtliche Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch werden dadurch erreicht. Erfolgt die Abschaltung einer Großwärmepumpe bei Strompreisspitzen und die Speicherladung bei niedrigen Strompreisen, hat dies ein positive Auswirkung auf die Effizienz. Am Fraunhofer IEG in Bochum wird eine Mine als geothermischer Speicher genutzt, die Einspeicherung erfolgt in den Sommermonaten, die Ausspeicherung in den Wintermonaten. Als Wärmequelle steht Wasser mit einem Temperaturniveau bis zu 60°C zur Verfügung, durch eine zweistufige HTWP (ND: NH3, HD: Butan) sind Vorlauftemperaturen bis zu 120°C möglich.

Große und konstante Abwärmeleistungen im Rechenzentrum

Gleich drei Vorträge fokussieren das hohe Potential von RZ als Wärmequellenlieferant. Am Beispiel der Stadtwerke Norderstedt findet eine Auskopplung von 1.2 MW Wärme statt, die in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Die Integration fand im Betrieb statt. Seitdem wird gleichzeitig durch zwei Wärmepumpen die Kälte- und Wärmeerzeugung genutzt. Dieses Projekt gewann 2023 den 1. Platz bei der schleswig-holsteinischen Energie-Olympiade 2023, Robert Habeck persönlich war im August 2024 vor Ort zur Besichtigung. 

Bestandsrechenzentren zukunftstauglich zu optimieren, erklärt Dip. Ing. (FH) Peter Kaden von Mayekawa Nordic. Eine PUE Verbesserung ist durch eine Betriebsstundenverlagerung vom Chiller über die Freie Kühlung zur Wärmepumpe möglich. Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch den Wegfall vom Adiabatikbetrieb der Rückkühler.

Frank Weißenbacher von Digital Realty zeigt das riesige Potential der RZ in Deutschland auf. Durch deren 26 RZ stehen 136 MW Abwärme zur Verfügung, dies mit einer hohen Konstanz und einem ganzjährigen Temperaturniveau von über 20°C. Betreiber können dadurch die neuen Geschäftsfelder „Abwärmelieferant“ oder in Kombination mit einer Wärmepumpe auf höheren Temperturniveau „Wärmelieferant“ erschließen. Als Herausforderung sind die örtlichen Gegebenheiten wie Infrastruktur, Stromkapazitäten, die Leitungsführung und notwendige Technikflächen zu erachten. Eine Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften gem. dem EnEfG sind notwendig, können aber als Chance wahrgenommen werden. 

Flüsse und Seen als Wärmequelle für Megawattprojekte

Die Flüsse und Seen in Deutschland bieten ein riesiges Potenzial als Wärmelieferant, welches derzeit noch so gut wir gar nicht genutzt wird. Auch wenn immer wieder Großprojekte mit Flusswassernutzung projektiert und umgesetzt werden, ist noch viel Luft nach oben. 

Dip. Ing. (FH) Felix Lindau von JCI lieferte Einblicke in die Projektierung und erste Betriebserfahrung einer vierstufigen Turbowärmepumpe mit 24 MW Wärmeleistung in Stuttgart-Münster. Der Temperaturhub beträgt bis zu 82,5 K, aus diesem Grunde erfolgt die Verdichtung vierstufig. Weitere Informationen sind dem Kältekreislaufdiagramm und dem log p h Diagramm zu entnehmen. Die Herausforderung stellte die Einbringung in das Bestandsgebäude dar, dies konnte durch eine Simulation und Vorfertigung der Hauptkomponenten gelöst werden. Zusammenbau erfolgte dann vor Ort und Stelle. 

Um die hohen Anlaufströme zu reduzieren, findet ein Schleifringmotor Einsatz. Gegenüber eines Frequenzumrichters sind die Investitionskosten deutlich geringer. Die Aufstellung der Großwärmepumpe erfolgt in einer speziellen, für Wartungszwecke teildemontierbaren Schalleinhausung, die auch als Maschineraum fungiert. Die Leistungszahlen befinden sich im Bereich zwischen 2,7 bis 3, durch den Betrieb findet eine Reduzierung von ca. 15.000 Tonnen CO2/a statt. 

Diagramm eines Kühlsystems mit beschrifteten Komponenten und einem Diagramm, das Temperatur- und Druckdaten anzeigt.
Bild 2: Vierstufiger Verdichtungsprozess mit Zwischenkühlung.

Gleich zwei Referenten, Dipl. Ing. (FH) Wolfgang Spiegl und Dipl. Ing. (FH) Eduard Schiebelbein referierten zum Thema „Thermische Seewassernutzung am Beispiel Tegernsee – Planungsschritte, Potenzial und Hemmnisse seewasserbetriebener Wärmepumpen“. Dieses Projekt, mit einer Leistung von 2,5 MW findet bei der Gemeinde Bad Wiessee vollen Anklang, da hiermit eine Vorreiterrolle übernommen wird. Auch ist die Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt in Rosenheim als sehr positiv und konstruktiv zu bewerten. Durch Gespräche mit dem Bayerischen Fischereiverband wurden Bedenken ausgeräumt. 

Um einen See nutzen zu können, ist hauptsächlich die Tiefe, Größe, die Regenerationsdauer, die Biologie und die Projektlage (Entfernung, Höhenlage, Uferrand) zu prüfen. In diesem Fall erfolgt die Seewasserentnahme auf 35 m Tiefe, die Seewasserrückgabe in 25 m Tiefe, die Strömungsrichtung ist zu beachten. Anhand einer Deutschlandkarte zeigen die beiden Referenten das mögliche Potenzial auf, bereits realisierte Projekte in der Schweiz werden vorgestellt. 

Schwimmende Energiezentralen sind auf Flüssen möglich. Die sogenannten ComPons sind am Ufer zu befestigen. Die Konstruktion erfolgt durch Ingenieure aus der Schifffahrt. Im unteren Ende sind Wärmetauscher angebracht, die optimale Fließgeschwindigkeit beträgt > 1 m/s. Darüber kommt eine statische Trägereinheit mit Einbau der entsprechenden Komponenten wie Wärmepumpe, Speicher und Pumpen. Abschluss durch das Deck, dieses ist frei gestaltbar mit Bänken, Blumen oder Restaurantbetrieben. Den Leistungsbereich gibt Dipl. Ing. (FH) Andreas Kaiser von der goodmen energy GmbH mit 1-72 MW an. Für „Kleine Flüsse“, die nicht schiffbar sind ist eine Serie bis zu 5 MW verfügbar. 

Schema eines schwimmenden Kraftwerks mit deutschsprachig beschrifteten Komponenten, darunter Pumpen und Wärmetauscher.
Bild 3: Aufbau einer schwimmenden Energiezentrale

Umfrageergebnisse vom Seminar

Um die Bedürfnisse der Marktteilnehmer besser verstehen zu können, erfolgte während dem Seminar über das Tool „Mentimeter“ eine Umfrage. Demnach haben Betreiber etwa zur Hälfte Bedarf an Vorlauftemperaturen von 75 bis 90 °C. Knapp 25 % benötigen 50 bis 75 °C Vorlauftemperatur und weitere gut 25 % benötigen mehr als 90 °C Vorlauftemperatur. Etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer gaben an, dass Kunden und Betreiber Bedenken gegenüber brennbaren/toxischen Kältemitteln gegenüber den A2L HFO´s hätten. Da die strengeren Vorgaben für A3 und B2L Kältemittel technisch in den Griff zu bekommen sind, leisten wir mit derartigen Seminaren Aufklärungsarbeit. Jeweils ca. 30% definieren mit 200-500 kW bzw. ab 1000 kW eine Großwärmepumpe, die restlichen 40% teilen den Bereich bei 500-1000 kW ein.

Balkendiagramme zeigen die Umfrageergebnisse zu Wärmepumpen-Leistungsklassen, Kältemittelproblemen und Temperaturvoraussetzungen.
Bild 4: Umfrageergebnisse beim 5. Seminar Großwärmepumpen in München

Positives Feedback und Ausblick für Seminar im Dezember Berlin

Rund 80 Teilnehmer und Referenten diskutierten in München relevante Themen im Bereich der Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen. Gelobt wurden die kompetente und lockere Moderation, ein großer Wissenstransfer sowie der Referentenmix aus Forschung, Entwicklung und Industrie. Schon einen Tag nach dem Seminar bekamen die Veranstalter ein positives Feedback eines Teilnehmers: „Haben Sie besten Dank für die Organisation und gekonnte Moderation des Seminars „Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen“ in München. Ich habe viel neues mitgenommen, einige Fragen kompetent beantwortet bekommen (insbesondere von Hr. Hofmann), sehr interessante Kontakte knüpfen können und habe auch einige bekannte Probleme aus meinen bisherigen Projekten wiedergefunden.“ Dieser Austausch fand nicht nur während dem Seminar statt, sondern besonders auf der gelungenen, gemeinsamen Abendveranstaltung mit Essen und Getränken.

Der genaue Seminarinhalt sowie Informationen zum nächsten Seminar „Großwärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln – Theorie trifft auf Praxis“, welches am 4./5.12.2024 in Berlin stattfindet sind hier verfügbar:

https://hitz-koepfe.de/seminare/grosswaermepumpen-und-hochtemperaturanwendungen/

Wärmepumpenbranche gegen Blutkrebs – 8.000 € für den guten Zweck

Seit 2020 unterstützt die Branche die DKMS – Wir besiegen Blutkrebs – immer wieder mit Spendenaktionen. Für diese Veranstaltung haben sich die CCI Dialog, die Hitzköpfe Academy und die Referenten ein Herz genommen und zusammen Großes erreicht. Zum Seminarstart lagen bereits ca. 6.500 € vor, mit Hilfe einiger Teilnehmer und dem Ing. Büro Scholz aus Regensburg konnten wir zum Ende eine Summe von 8.000 € generieren, welche feierlich mit einem Scheck an die DKMS überreicht wird. 

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