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Wie sich die Bauwirtschaft verändert

Nach über 15 Jahren Bauboom befindet sich die deutsche Bauwirtschaft aktuell in der Krise. Die Zeiten, zu denen sowohl Volumen als auch Preise in allen Segmenten der Bauwirtschaft nur nach oben zeigten, sind vorüber. Die Zinswende hat zu sehr hohen Fremdkapitalraten und damit zu stark steigenden Gesamtkosten geführt, gleichzeitig sind außen- wie innenpolitische Ungewissheiten angestiegen. Der Ukraine-Krieg, damit verbundene Energiekostensteigerungen, ungewisse regulatorische Rahmenbedingungen und eine Zunahme an Handelsbeschränkungen und Zöllen weltweit sind nur einige Beispiele dafür.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach bezahlbarem neuem Wohnraum (vor allem in Ballungsgebieten), sowie die Nachfrage nach klimaneutralem Gebäudebestand, also der Sanierung von Gebäudehülle, Energie- und Heizungssysteme etc. Im Gegensatz zur Subprime-Crisis in 2007 bis 2009 in den USA ist die Krise also nicht auf einen Nachfragerückgang zurückzuführen, sondern einen Preisschock auf Angebotsseite. „Wir bauen einen immer größeren Nachfrageüberhang im Gebäude- und Infrastruktursektor auf, gleichzeitig kann er aufgrund zu hoher Kosten und vor allem politischer Unsicherheit nicht bedient werden“, sagt Christoph Blepp, Partner bei S&B Strategy. „Es ist also eine Frage der Zeit, bis der Nachfragedruck zu hoch wird und wir entweder höhere Preise durch Quersubventionierung mit Steuergeldern politisch akzeptiert werden oder die Senkung der Baukosten industrieseitig wie politisch akzeptiert werden.“ 

Wenn man auf die aktuellen Entwicklungen der Bauzulieferindustrie blickt, entsteht der Eindruck, dass sich die gesamte Bauwirtschaft in der Krise befindet, welche zum größten Teil durch die Zinswende und unzureichende Subventionspolitik getrieben ist. Doch hier lohnt ein genauerer Blick – letztlich haben diese beiden Treiber, die schon länger bestehenden Transformationskräfte nur verstärkt, sodass die Auswirkungen, welche eventuell erst in einigen Jahren aufgetreten wären, bereits früher zum Tragen kommen.

Der Begriff des „nachhaltigen Bauens“ ist vielleicht so alt wie das Bauwesen selbst. Gebäude und Infrastruktur sind in den vergangenen Jahrhunderten immer nachhaltiger geworden. Doch im 21. Jahrhundert hat sich der Begriff zunehmend auf die Zielsetzung der CO2-Reduktion verengt. Dies wird zunehmend mit politischen Vorgaben zur Erreichung der CO2-Neutralität verbunden – die CO2-Reduktion ist also alternativlos, was die Nachfrage sowohl im Neubau- als auch Sanierungssegment bis zur Erreichung des Netto-Null-Ziels künstlich erhöht, und zwar deutlich. Darüber hinaus wird die Kreislaufwirtschaft im Bausektor immer wichtiger werden, denn heute werden viele Gebäudekomponenten nach einem Abriss oder Rückbau als Sondermüll auf immer knapper werdenden Deponien untergebracht.

Auswirkung des Fachkräftemangels

Der Fachkräftemangel wirkt sich vor allem in der Bauausführung aus, denn die Gebäude, Tunnel, Stromtrassen, Brücken etc. werden immer komplexer (und damit auch die Anforderungen an das Personal). Darüber hinaus können die in Rente gehenden Arbeitskräfte nicht mehr ersetzt werden, was auf die demografische Entwicklung in Deutschland zurückzuführen ist. Dies bedeutet einen immer weiter steigenden Lohnkostenanteil auf Seiten der bauausführenden Gewerke und einen immer größer werdenden Kapazitätsengpass.

Produktivitätssteigerungen durch Digitalisierung oder neue Tools, welche den Output pro FTE signifikant erhöhen, können von größeren Installateuren, Generalunternehmern, Ausbauunternehmen etc. einfacher implementiert werden als von den kleinen Betrieben.

Die dritte Kraft wurde in der Vergangenheit oftmals überschätzt. Building Information Modeling, 3D-Druck, Robotik etc. wurden immer wieder zu großen Disruptoren deklariert, nur haben sie sich bis dato kaum oder gar nicht ausgewirkt. Die Digitalisierung und Technologisierung des Bausektors als Rohrkrepierer zu bezeichnen wäre falsch. Denn die Digitalisierung hält sehr wohl Einzug in die gesamte Bauwirtschaft – sowohl auf der internen Seite (z.B. durch Digitalisierung von Auftragsabwicklungsprozessen, KPI-Trackingtools etc.), als auch auf der Seite der externen Wertschöpfungskette (z.B. durch digitale Schnittstellen zu Onlineshops, digitale Zwillinge von Planungen und Bauausführungskoordination etc.).

Ein weiterer Technologiefaktor, welcher noch eine untergeordnete Rolle spielt, ist die Robotik; aber auch hier gibt es bemerkenswerte Entwicklungen, welche die Produktivität in den ein oder anderen Gewerken steigern. „Unternehmen, die die strategische Initiative ergreifen und nicht auf neue Subventionen warten, sondern das Geschäftsmodell der Vergangenheit grundsätzlich auf den Prüfstand stellen, werden als Gewinner im ‚New Normal‘ der Bauwirtschaft hervorgehen.“, so Christoph Blepp. „Wenn die Bereitschaft besteht, die ein oder andere heilige Kuh zu schlachten. Effizienzpotentiale gibt es ebenso entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu heben.“

Die Produktivitätsgewinne in der Bauwirtschaft waren bislang als gering bis mittel einzustufen, nichtsdestotrotz sind sie nachweisbar. Durch den oben beschriebenen gestiegenen Druck auf die Unternehmen der gesamten Bauwertschöpfungskette wird der Return on Invest von digitalen Prozessen und produktivitätssteigernder Technologie nun deutlich geringer.

Es steigt also die Nachfrage nach klimaneutralem, recyclebarem Gebäudebestand, was dazu führt, dass Geschäftsmodelle, welche mit ihren Produkten oder Dienstleistungen diese Nachfrage nicht bedienen können (und zwar kompromisslos), mittel- bis langfristig nicht mehr überlebensfähig sind. Die großen Gewinner der letzten 15 Jahre im Bau-Supercycle waren in vielen Fällen die Volumenhersteller, vornehmlich aus der Bauchemie-, Baustoff- und Bauelemente-Industrie. In einem Marktumfeld, in dem diese traditionellen Produkte unter Volumendruck geraten, wird für diese Unternehmen die Effizienzsteigerung entlang der gesamten Wertschöpfungskette überlebenswichtig, vornehmlich der Erschließung neuer Wertsteigerungs- und Preishebel. Verstärkt wird dies durch den Trend der Konsolidierung: Durch die steigende Verhandlungsmacht der Anwender und die weitere Aufweichung des dreistufigen Vertriebes werden die Marktbearbeitungskompetenz und das Pricing Schlüsselfaktoren für Umsatz und vor allem Profitabilität.

Durch den beschriebenen Druck, in allen Wertschöpfungsketten der Bauwirtschaft den Output pro FTE zu erhöhen und den Kunden echten Mehrwert zu bieten, wird der Raum für neue, disruptive Player höher. Eine ganze Reihe neuer, junger Unternehmen positioniert sich, die Spielregeln einiger Marktsegmente neu zu schreiben oder zumindest zu verändern.

Neue Geschäftsmodelle

Dazu kommt, dass Private-Equity-Investoren in den vergangenen 10 Jahren viel Kapital eingesammelt haben, welches sie nun in neue Geschäftsmodelle stecken, welche eine Disruption und somit hohes Wachstum versprechen. Zu diesen Märkten gehören z. B.:

  • Modulbauindustrie (also Anbieter wie Daiwa, Nokera, Kleusberg etc., welche komplette Wohnraumelemente und damit Gebäude oder auch Komponenten vorfertigen und praktisch als Generalunternehmer für schlüsselfertige Gebäude auftreten)
  • Bausoftware (sämtliche Unternehmen, welche mit ihren Softwarelösungen Bausteine zum digitalen Zwilling von Gebäuden beisteuern, also Field to BIM, oder ausführenden Unternehmen wert-steigernde Lösungen aus dem digitalen Zwilling anbieten, also BIM to Field. Darüber hinaus alle Anbieter, welche mit ihren Softwarelösungen Prozessschnittstellen abbauen und die – noch immer in weiter Ferne erscheinende – Bauwirtschaft ohne Papier fördern.)
  • One-Stop-Shop-Plattformen im Heizungs- und Energiesegment (Unternehmen aus der bauausführenden Industrie, welche als große Gruppen auftreten und ab einer kritischen Größe die Wertschöpfung vertikal integrieren. Beispiele hierfür sind große Installationsgruppen, welche direkt vom Hersteller anstatt vom Händler beziehen, selbst vorkonfektionieren und sogar Kernprodukte als White Label in Auftrag geben.)

Viele dieser Unternehmen werden den Markt so schnell verlassen, wie sie in ihn eingetreten sind, weil ihnen Kapital, Know-how oder schlichtweg Unternehmergeist fehlt. Es gibt jedoch schon erste Beispiele, welche den Markt transformieren. In einer Bauwirtschaft, in der die Personalkosten (und auch alle weiteren Kostenkategorien) immer weiter steigen, wird der Return on Invest neuer Lösungen entsprechend attraktiv (s. o.). Zusätzlich kommen bei erfolgreichen Geschäftsmodellen immer stärker die Kostendegressionseffekte zum Tragen, was diesen Prozess beschleunigt. Diese Gamechanger mögen in vielen Fällen belächelt werden, allerdings werden sie in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und Marktanteile bestehender, traditioneller Lösungen abnehmen. Doch insbesondere für Geschäftsmodelle, welche hohe Wachstumsraten erzielen, gilt, dass die Professionalisierung der Prozesse und der Organisation nicht vergessen werden darf.

Die Bauwirtschaft befindet sich zwar in einer kurzfristigen Krise. Sie befindet sich aber auf jeden Fall in einer bedeutsamen Transformationsphase, welche in einigen Segmenten Insolvenzen mit sich bringt. In erster Linie birgt sie aber Chancen für neue und bestehende Akteure, das nächste Kapitel in der Unternehmensgeschichte aufzuschlagen und die neuen Spielregeln der Bauwirtschaft aktiv mitzuschreiben.

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