BSW-Solar: Solarerlösabschöpfung gefährdet Klimaziele
Ein Arbeitspapier mit derartigen Überlegungen zu technologiespezifischen Erlösobergrenzen aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) war Ende letzter Woche aufgetaucht. Das über die jüngsten EU-Beschlüsse zur Strompreisbremse noch deutlich hinausgehende Vorhaben bewege sich weder in den Vorgaben der EU-Verordnung, noch in den Grenzen des Verfassungsrechts, ergab eine Prüfung durch die Berliner Wirtschaftskanzlei RAUE im BSW-Auftrag. Die Abschöpfung von Erlösen sei bislang nur als Sanktionsmaßnahme im deutschen Recht vorgesehen. Da gemäß den BMWK-Plänen tatsächlich erwirtschaftete Gewinne jedoch überhaupt nicht in die Berechnung einfließen, liege sogar ein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentumsrecht nahe.
Warnung vor Tabubruch
Der BSW warnt eindringlich vor dem „Tabubruch“ eines rückwirkenden Markteingriffs und vor der Beschneidung von Solarerlösen. Ihr Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig erklärte: „Derartige Eingriffe würden das Investitionsklima für marktgetriebene Solarkraftwerke nachhaltig vergiften. Sie drohen die Markteinführung der Photovoltaik um viele Jahre zurückzuwerfen. Um eine bezahlbare und unabhängige Energieversorgung zu erreichen sowie horrende Klimafolgekosten zu dämpfen, müssen wir den Solarenergieausbau vervielfachen und nicht ausbremsen.“ Das Bundesverfassungsgericht habe bereits im letzten Jahr die Bedeutung von umfassenden klimaschutzpolitischen Maßnahmen zur Einhaltung der Verfassung betont. Die Ampelkoalition hatte sich selbst erst in diesem Sommer das Ziel gesetzt, den Ausbau der Photovoltaik bis zum Jahr 2030 nahezu zu vervierfachen.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund stark gestiegener Kapital-, Pacht- und Komponentenkosten benötige die Solarbranche derzeit deutlich mehr Kapital. „Wer vor diesem Hintergrund ihre Erlöse beschneidet, raubt den zumeist mittelständischen Unternehmen den nötigen finanziellen Spielraum für die dringend notwendigen Investition in neue Solarprojekte“, so Körnig. Die vom BMWK in Betracht gezogene rückwirkende Abschöpfung stelle zudem eine Schlechterstellung gegenüber fossilen Stromerzeugern dar, die den Strom hauptsächlich auf dem Terminmarkt verkaufen, welcher dem Vernehmen nach nicht rückwirkend abgeschöpft werden solle.
BSW fordert: Markteingriffe unterlassen
Der BSW appelliert an die Ampelkoalition, rückwirkende Markteingriffe in jedem Fall zu unterlassen und zur Abmilderung der negativen Folgen einer Erlösabschöpfung auf den Ausbau der Photovoltaik zumindest die Spielräume der EU-Verordnung im Sinne des Vertrauensschutzes und der Investitionssicherheit für die Solarbranche vollumfänglich zu nutzen. Dazu gehöre das Ausschöpfen der EU-rechtlich vorgesehenen Erlösobergrenze von 180 Euro je Megawattstunde für Photovoltaikanlagen, die klare Begrenzung des Instruments auf die von der EU-Verordnung vorgesehene Befristung (1.12.2022 bis 31.05.2023) sowie die vollständige Nutzung der Bagatellgrenzen für kleine Anlagen bis 1 Megawatt, da hier der administrative Aufwand enorm und die Einnahmen, z. B. bei Überschusseinspeisung, begrenzt seien.
Betreiber kleiner Solarstromanlagen auf Eigenheimen sollen dem Vernehmen nach von der geplanten Erlösabschöpfung nicht betroffen sein, unter Umständen aber nicht nur Betreiber großer Solarparks, sondern auch Betreiber von Solarstromanlagen auf Gewerbedächern. Nach Daten der Bundesnetzagentur wurden in den ersten acht Monaten 40 Prozent weniger Photovoltaikleistung auf Firmendächern installiert als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Die geplante Abschöpfung von Erlösen führe nach BSW-Angaben bereits heute zu erheblichen Verzögerungen bei der Entwicklung neuer Solarstromanlage im Kraftwerksmaßstab, die sich mittels Power Purchase Agreements (PPA) förderfrei am Markt finanzieren wollen. In der Solarbranche gebe es derzeit große Verunsicherungen beim Abschluss neuer Verträge für die Direktvermarktung von Solarstrom.
Das Kurzgutachten der Kanzlei RAUE kommt zu dem Ergebnis, dass die jüngsten Überlegungen aus dem BMWK nicht nur verfassungsrechtlich angreifbar wären, sondern auch gegen die am 6.10.2022 verabschiedete EU-Verordnung verstoßen. Rechtsanwältin Anna von Bremen (RAUE) erläutert: „Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Rückwirkung zum 1. März 2022 liegen offensichtlich nicht vor. Eine solche ‚echte‘ Rückwirkung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Fallgruppen liegen hier nicht vor.“ Auch die technologiespezifischen Obergrenzen seien rechtswidrig: „Die EU-Verordnung lässt solche technologiespezifischen Caps nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu. Eingriffe müssen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein und dürfen Investitionssignale nicht gefährden. Schon die Reaktionen auf die geleakte Präsentation beweisen aber, dass Investoren sich zurückziehen werden.“