Vertragsrecht: Mit Preissteigerungen richtig umgehen
Unbeständige Energie- und Rohstoffpreise sind im Grunde keine Überraschung. Aktuell wachsen allerdings die Geschwindigkeit und Höhe dieser Veränderungen für vertragliche Beziehungen zu einem kardinalen Problem für viele SHK-Firmen. In der Bauwirtschaft lagen die Preise im März 2021 um 18,5 % bzw. 20,6 % über dem Niveau von Dezember 2020.
Insofern fällt es insbesondere vielen Auftragnehmern schwer, mit den ansonsten „normalen“ unternehmerischen Risiken aus Preisentwicklungen zu leben. Auch der SHK-Bereich ist betroffen von Produktionsausfällen bei der Industrie infolge von Zulieferschwierigkeiten, internationaler Rohstoffverknappung, Verzögerungen in den Lieferketten und plötzlich wachsendem Bedarf. Das alles hat unmittelbare Auswirkungen auf Preise.
Auftragnehmer befinden sich bei Preissteigerungen in einem komplexen vertragsrechtlichen Problemfeld. Aus ihrer „Sandwich“- Position eröffnet sich ein Aktionsfeld in Richtung Materiallieferanten einerseits und in Richtung Auftraggeber andererseits.
Eine Verpflichtung für Auftraggeber, in Ausschreibungen Preisgleitklauseln zu integrieren, besteht regelmäßig nicht. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Auftragnehmer – spätestens seitdem absehbar ist, dass sich kalkulatorische Risiken infolge Preisentwicklungen ergeben können – sein vertragsrechtliches Augenmerk auf Preisgleitklauseln richtet.
Das Dilemma der abgeschlossenen Verträge mit Auftraggebern
„Pacta sunt servanda“ sagten die alten Lateiner ... und prägten damit den auch im aktuellen deutschen Recht unumstößlichen Grundsatz, das Vereinbarungen einzuhalten sind. Dieser Grundsatz gilt natürlich auch im Hinblick auf nach Vertragsschluss steigende Rohstoffpreise oder Lohnkosten. Wer Preise kalkuliert, sich vertraglich bindet, hat bei Preissteigerungen vertragsrechtlich praktisch keinen Spielraum, diese an Kunden weiterzugeben.
Bei öffentlichen Aufträgen ist der Auftragnehmer an die Vergabeunterlagen gebunden. Er kann von sich aus keine zeitliche Preisbindung oder eine Preisgleitklausel anbieten. Das wäre eine unzulässige Veränderung der Vergabebedingungen, die die auftragvergebende Stelle mit einem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren quittieren würde. Preisangaben dürfen auch nicht nachträglich unterbreitet oder widersprüchliche Preise nachträglich aufgeklärt werden. Bei Preisangaben handelt es sich um zwingende Angaben, die nicht nachgeholt werden können. Eine nachträgliche Abfrage wesentlicher Preisangaben ist im Vergaberecht nicht erfasst (§ 15 Abs. 5 S. 1 VgV).
Die öffentliche Hand hat allerdings – vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den enormen Preissteigerungen bei Nichteisenmetallen im Jahre 2005 - einen Spielraum, um bei „materialempfindlichen“ Bauvorhaben Stoffpreisklauseln zuzulassen. Die Preisformblätter Nr. 224, 225 und 228 und die Vergabehandbücher des Bundes und der Länder bilden dafür die Grundlage.
Wohlgemerkt: Für bereits abgeschlossene Verträge können diese „Möglichkeiten“ nicht nachträglich eingeführt werden, sondern sie sind ein vertragsgestaltendes Instrumentarium, das nur für noch nicht abgeschlossene Verträge Anwendung finden kann. Zu beobachten ist, dass Auftragnehmer beim Thema „Preissteigerungen“ im Rahmen abgeschlossener VOB-Verträge auf Verzögerungen des Leistungsbeginns oder des Bauablaufs „hoffen“. Verzögert sich die Zuschlagserteilung oder der Leistungsbeginn, besteht nach der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Anpassung der Preise (§ 2 Abs 5 VOB/B).
Allerdings sind der „Hoffnung“ auf andere Preise Grenzen gesetzt, weil die VOB/B-Regelung eine Anordnung der Auftraggeberseite voraussetzt, an der es oft fehlt. Andererseits wären etwaige Preisänderungen an der Ursprungskalkulation auszurichten. Bei Verzögerungen von drei Monaten besteht nach § 6 Absatz 7 VOB/B ein Sonderkündigungsrecht für Auftragnehmer mit anschließendem Spielraum für neue Preisverhandlungen. Der Kündigung muss eine Behinderungsanzeige nach § 6 Ziff. 1 VOB/B vorausgehen. Diese bewirkt zumindest, dass sich die Ausführungsfristen für die Dauer der Behinderung nach hinten verlagern.
Eine Kündigung wegen deutlicher Preiserhöhungen gibt es für den Auftragnehmer nicht.
Abgesehen davon bleiben vom Auftraggeber unverschuldete Verzugsprobleme für ihn oft ohne Folgen. Lohn- und Materialmehrkosten werden in der Regel nicht ersetzt (Kammergericht Berlin vom 29.01.2019; BGH vom 26.10.2017; Az. VII ZR 16/17).
Aber auch bei Verzugsproblemen, die unverschuldet aus der Sphäre des Auftragnehmers stammen, können höhere Materialkosten und alle anderen Kosten nicht im Vertragsverhältnis nachträglich durchgesetzt werden.
Der Rettungsanker für laufende Preissteigerungen erweist sich bei abgeschlossenen Verträgen somit (nur) im Verhandlungsgeschick des Auftragnehmers.
Die Chancen bei abzuschließenden Verträgen
Verträge werden durch Angebote vorbereitet. Das bedeutet, wenn die Vertragsinitiative vom Auftragnehmer ausgeht, hat er es in der Hand, sein Angebot unter Berücksichtigung des Preisanpassungsproblems auszurichten. Wir dem Auftragnehmer ein Vertragsangebot vom Auftraggeber vorgelegt, hat er zumindest die Gelegenheit, das Thema einer etwaigen Preisanpassung anzusprechen und zu verhandeln. Bei 85% vorgelegter Vertragsangebote wird aber nicht verhandelt. Das führt dann bei nachgelagerten gravierenden Preissteigerungen für den Auftragnehmer zum vertragsrechtlichen und oft auch betriebswirtschaftlichen Fiasko.
Befristete Angebote
Gibt der Auftragnehmer ein befristetes Angebot ab, will er sich nur eine bestimmte Zeit an diese binden. Innerhalb dieser Zeit kann sich der Auftragnehmer allerdings nicht von seinem Angebot und z. B. den darin fixierten Preisen wieder lösen. Soweit der Auftragnehmer sein Angebot zeitlich begrenzt und zur Befristung nichts anderes äußert, entspricht die Bindungsfrist zugleich der Annahmefrist nach § 148 BGB, sodass ein Preisangebot danach erlischt. Das bietet eine minimale Sicherheit auch hinsichtlich der Preissteigerungsproblematik.
Freibleibende Angebote
Ein Angebot ist rechtlich nicht bindend, wenn es mit dem Zusatz „freibleibend“ versehen wird. Was im unternehmerischen Rechtsverkehr als „freibleibend“ klar ist, sollte im Verbraucherverkehr mit dem Begriff „unverbindlich“ deutlich unterstrichen werden. „Freibleibend und unverbindlich“ kann sich auf das Angebot insgesamt oder aber auch auf einzelne Teile des Angebots beziehen. Bei dem Rechtsbegriff freibleibendes Angebot handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass derjenige der ein Angebot abgibt, an das Angebot auch gebunden ist. Das kann noch mit dem Hinweis begleitet werden: „Ein Verbindliches Angebot übermitteln wir Ihnen gern bei Interesse am Abschluss eines Vertrages.“
Wird ein unverbindliches und freibleibendes Angebot abgegeben, ist darauf zu achten, dass auf eine Annahmeerklärung des Auftraggebers unverzüglich reagiert werden müsste, wenn der Auftrag zur den angebotenen (Preis-)Konditionen nicht angenommen werden soll. In diesem Fall besteht eine sogenannte Reaktionspflicht. Reagiert der Auftragnehmer nicht, kommt der Vertrag durch die Annahme des auftragnehmerseitigen Angebots durch den Auftraggeber zustande.
Freibleibende Angebote bieten Preisflexibilität, um entweder aktuelle Zulieferpreise zu checken oder um auf aktuelle Preissteigerungen in der Angebotsphase reagieren zu können.
Klauselgestaltung in Verträgen
Sollen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht überschaubare Marktrisiken auf beide Vertragspartner in objektiv angemessener Weise verteilt und das unternehmerische Risiko reduziert werden, kommen u. a. Preisgleitklauseln ins Visier. Besonders bei längerfristigen Verträgen kommt das in Betracht. Legt der Auftraggeber bei einem Vertrag mit längerer Laufzeit fest, dass Preisanpassungen generell ausgeschlossen sind, wird damit gegen das in § 307 BGB kodifizierte Verbot der unangemessenen Benachteiligung unter Berücksichtigung der Gebote von Treu und Glauben verstoßen.
Klauseln können als Individualvereinbarungen oder als AGB-Klauseln verwendet werden. Die Unterscheidung zwischen individueller Vereinbarung und Einordnung als AGB-Klausel ist im Einzelfall kompliziert und muss fallbezogen beurteilt werden. Den Rechtsrahmen für die Wirksamkeit derartiger Klauseln bildet das Preisklauselgesetz (PrKlG) und ergänzend bei Verwendung als Allgemeine Geschäftsbedingung das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB). Während AGB im Geschäftsverkehr einer größeren Gestaltungsmöglichkeit unterliegen, sind im Verbraucherverkehr strikte Maßgaben beim Einsatz von AGB zu beachten. Von der Anwendung von Preisgleitklauseln über AGB im Verbraucherverkehr wird grundsätzlich abgeraten.
Unwirksam wären im Verbraucherverkehr Regelungen in AGB, die Preiserhöhungen für Lieferungen und Leistungen innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss vorsehen. Eine vertragliche Anpassungsklausel in AGB mit Verbrauchern ist deshalb unwirksam, wenn sie die zeitliche Begrenzung von vier Monaten nicht enthält. Demgegenüber besteht grundsätzlich bei den Verträgen, die außerhalb der Frist von vier Monaten geschlossen worden sind, die Möglichkeit zur Preisänderung. Für den gewerblichen Rechtsverkehr besteht eine solche Zeitbindung nicht. Dagegen ist im Verbraucherverkehr wieder zu beachten, dass die Klauseln auch Preisreduzierungen entsprechend berücksichtigen und transparent sein müssen. Das schreiben für Preisklauseln die §§ 3 bis 7 PreisklG und § 2 Abs. 3 PreisklG vor.
Grundsätzlich wirken Preisgleitklauseln demnach in zwei Richtungen. Schließt der Auftragnehmer einen Bauvertrag, der eine Preisgleitklausel beinhaltet, darf er deshalb davon ausgehen, dass er zum einen von Marktrisiken, die darin bestehen, dass bspw. Baustoffpreise steigen, entlastet wird. Zum anderen muss er damit rechnen, dass Vorteile, die aus Preissenkungen resultieren, an den Auftraggeber weitergegeben werden.
Eine individuelle vertragliche Vereinbarung zu einer Stoff- oder Materialpreisgleitklausel im gewerblichen Rechtsverkehr könnte lauten:
„Sollte sich der Einkaufspreis/Marktpreis für benötigte Materialien des obigen Angebots zum Zeitpunkt des Einbaus gegenüber dem Zeitpunkt der Angebotserstellung um mehr als fünf Prozent nachweislich erhöht haben, ändert sich der Einheitspreis entsprechend der Gewichtung des Materialanteils in dieser Position.“
Diese Klausel kann auch als Angebotsbindungsklausel formuliert werden:
„Die Preise des obigen Angebots sind Festpreise bei einer Bauausführung/Fertigstellung bis zum ... Danach gilt: Sollte sich der Einkaufspreis/Marktpreis für benötigte Materialien des obigen Angebots zum Zeitpunkt des Einbaus gegenüber dem Zeitpunkt der Angebotserstellung um mehr als fünf Prozent nachweislich erhöht haben, ändert sich der Einheitspreis entsprechend der Gewichtung des Materialanteils in dieser Position.“
Der vorausschauende Auftragnehmer hat sich seinerseits in seinen Rechtsbeziehungen zu den Lieferanten Materialpreise zusichern lassen. Bei langfristigen und materialintensiven Aufträgen ist die Absicherung des Materialpreises ein unverzichtbares Vertragselement.
Rechtsanwalt
Dr. jur. Hans-Michael Dimanski
Tel.: (0391) 53 55 96-16
E-Mail: dimanski@ra-dp.de
www.ra-dp.de