Worauf Unternehmen bei der Energie-Eigenversorgung achten müssen
Das Compliance-Management im Bereich Energierecht stellt Betriebe mit Energieeigenversorgung vor wachsende Herausforderungen, da sich die gesetzlichen Anforderungen im EEG 2014 und EEG 2017 stark von den vorherigen Anforderungen unterscheiden. Da es wie im Brandschutz keinen Bestandsschutz gibt, müssen die Konzepte immer an die aktuellen Anforderungen angepasst werden – doch was genau ist zu tun?
Die energieadministrativen Verpflichtungen bei Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit Energieeigenversorgungs-Struktur haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert: Meldepflichten müssen zum Teil monatlich und mehrfach an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA und an das Hauptzollamt, an die Bundesnetzagentur und die Eichbehörde, an den Verteilnetz- oder Übertragungsnetzbetreiber geleistet werden. Ein lückenhaftes Messkonzept oder die fehlerhafte Datenübermittlung kann dabei mit drastischen Folgen verbunden sein:
„Wenn früher durch Fristversäumnisse lediglich Erstattungen oder Fördermittel verloren gingen, drohen heute im schlimmsten Falle satte Nachforderungen“, mahnt Rechtsanwalt Sebastian Igel, Vorstand der Energie-Admin AG aus Hannover. Bei einem irrtümlich angenommenen oder aberkannten Eigenversorger-Status zahlen Betroffene unter Umständen für viele Jahre die volle EEG-Umlage nach, deren Höhe leicht siebenstellige Eurobeträge erreichen kann. „In solchen Fällen drohen in Haftungsfragen auch große persönliche Risiken für die Geschäftsleitungen“, weiß der Energierechtsexperte aus der Beratungspraxis.
Experten warnen vor Risiken
Was vielen Technikbeauftragten bisher locker von der Hand ging, könnte sich morgen als überaus problematisch erweisen – mit Nachforderungen in unkalkulierbarer Höhe auf der einen Seite, aber auch einem steigenden Haftungsrisiko für die Geschäftsleitung auf der anderen. Finanzielle Risiken bei Unternehmen mit eigener Stromversorgung entstehen nach Meinung von Fachleuten insbesondere deshalb, weil die oftmals mit der Gesamtheit der Energiethemen betrauten Technischen Leiter für die zusätzlichen Aufgaben weder über entsprechendes Know-how, noch über die notwendigen zeitlichen Ressourcen verfügen.
Am Beispiel von Kliniken und Krankenhäusern treten die Probleme bereits drastisch hervor: „Die energie-administrativen Aufgaben haben in einem Maße an Komplexität zugenommen und verändern sich so schnell, dass die in der Regel damit betrauten Technischen Leiter schlicht überfordert sind“, beklagt Horst Träger, Präsident der Fachvereinigung Krankenhaustechnik (FKT), der bereits zahlreiche Einrichtungen entsprechend beraten hat und der aktuellen Entwicklung mit Sorge entgegenblickt.
Technische Leiter sollen heute wahre Alleskönner sein: So sollen sie neben ihrem Kerngeschäft Technik nicht nur komplexe Vertrags- und Verteilungsstrukturen im Blick behalten, sondern auch die Vielfalt der sich kontinuierlich verändernden, gesetzlichen Bestimmungen und die damit verbundenen (Melde-)Verpflichtungen zuverlässig erfüllen.
Da es sich um energierechtliche und energieadministrative Fragestellungen handelt, fallen diese Aufgaben eigentlich der kaufmännischen Leitung zu, doch auch dort fehle in der Regel entsprechendes energiewirtschaftliches und energierechtliches Fachwissen. Dipl.-Ing. Wilhelm Stock, geschäftsführender Inhaber des Ingenieurbüros Energie Revision in Braunschweig, sieht die drohende Problematik nicht auf den Kliniksektor beschränkt: „Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es den meisten Unternehmen mit eigener Stromversorgung im Hinblick auf Kapazitäten und Qualifikationen an den personellen Ressourcen für die Bewältigung der energieadministrativen Aufgaben fehlt.“
Verstöße geschehen oft unwissentlich
Fallstricke schlummern in Unternehmen, ohne dass diese davon wissen: So werde in der Regel selten EEG-Umlage bei regelmäßigen Testläufen von Notstromaggregaten abgeführt. Oft seien sich die Einrichtungen auch nicht darüber im Klaren, dass sie vor dem Gesetz als Elektrizitätsversorgungsunternehmen (im Sinne des EEG) eingestuft werden, sobald sie auch nur einen Dritten im Hause mit Strom versorgen, ohne dass es hierfür eines Antrages oder Bescheides bedarf.
So entdecken Fachleute wie Rechtsanwalt Igel bei ihren Auftraggebern regelmäßig fehlerhafte Angaben bei den Meldepflichten im Zusammenhang mit der Weitergabe von Strom an Dritte, beispielsweise an einen Kiosk, Kantine, Friseursalon oder Blumengeschäft. Eine häufige Fehlannahme: Auch eine unentgeltliche Weitergabe von Strom stellt eine Stromlieferung dar, womit grundsätzlich zunächst einmal der Status eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens vorliegt.
Vorsicht sei auch bei einer Holding-Struktur mit 100%igen Töchtern geboten. Dort liege keine Eigenversorgung im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterunternehmungen vor, wenn die Unternehmen unterschiedlich bezeichnet sind. Energierechtlich wird nicht die gesellschaftsrechtliche Betrachtung zugrunde gelegt, sondern die formal-juristische Bezeichnung – sobald eine der Töchter anders firmiert als die Mutter-Gesellschaft, liegt eine „Energielieferung an Dritte“ vor und die volle EEG-Umlage wird fällig (siehe Bild 2)
Ebenso häufig treten Verstöße gegen die eichrechtlichen Vorschriften auf, wie auch Verstöße gegen energie- beziehungsweise stromsteuerliche Vorgaben – etwa die Nichtzahlung von Abgaben, die auch auf eigenerzeugte Strommengen abzuführen wären. Selbst bei kleineren Anlagen kann dies im Laufe der Jahre zu erheblichen Nachzahlungen führen. Darüber hinaus haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Eigenversorgung mit dem EEG (2017) noch einmal verschärft, sodass die vorhandenen Messstrukturen in der Regel nicht mehr ausreichen, um den Vorgaben zu genügen.
Viele Unternehmen mit Energieeigenversorgung stehen vor großen Herausforderungen, weil sie energierechtlich gleich mehrere Marktrollen besetzen – neben der eines Verbrauchers oft noch die eines Lieferanten, wenn sie Strom und / oder Wärme an Dritte liefern, eines Messstellenbetreibers, eines Netzbetreibers, eines Eigenerzeugers sowie eines Strom- und Energiesteuerschuldners.
Aus jeder der genannten Marktrollen ergibt sich aus verschiedenen Gesetzen eine Vielzahl von Vorgaben. „Was die meisten Betreiber ebenfalls selten berücksichtigen“, bemerkt Stock, „Eigenerzeugung und Eigenverbrauch müssen im selben Viertel-Stunden-Messzeitraum erfolgen.“ Diese messtechnischen Voraussetzungen zum Nachweis für die EEG-Befreiung sind aber oftmals gar nicht vorhanden.
Prüfung von Eigenversorgungsstruktur geforderd
Nach Ansicht von Experten erfordere jede Energie-Eigenversorgungsstruktur dringend eine Prüfung, insbesondere wenn diese seit vielen Jahren bestehen. „Der Gesetzgeber verfolgt seit Längerem das Ziel, die Basis der EEG-Zahler zu erweitern und schließt dazu kontinuierlich Datenlücken im Bereich von Eigenversorgungskonzepten“, beobachtet Igel. „Dabei geht es um eine flächendeckende Erfassung von Stromerzeugungsanlagen und der Überprüfung von Eigenversorgungskonstellationen, die bis Mitte 2014 in der Regel EEG-Umlage-frei waren.“
Bisher sind die Institutionen zur Erhebung und Einziehung von Steuern, Abgaben und EEG-Umlagen, wie Hauptzollamt, Übertragungsnetzbetreiber oder Bundesnetzagentur (BNetzA) in puncto Datenabgleich nur schlecht vernetzt gewesen, aber mit den neuen Meldeverpflichtungen ändere sich das. Die Einführung des online-basierten Marktstammdatenregisters unterstreiche diese Bemühungen. Das Register erfasst unter anderem Neuanlagen, Bestandsanlagen, Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer und konventioneller Energie, von Strom und Gas sowie die Namen sämtlicher Betreiber.
Konsequenzen für Eigenversorger
Um ihren Bemühungen Nachdruck zu verleihen, knüpft die neue Gesetzgebung zudem schärfere Konsequenzen an Verstöße bei den Mitteilungspflichten: Verstößt beispielsweise der Eigenversorger gegen die in § 74a Abs. 1 EEG (2017) statuierte Pflicht zur Mitteilung derjenigen Umstände, die für die grundsätzliche Beurteilung der Eigenversorgungskonstellation maßgeblich sind, so droht gemäß § 61f Abs. 2 EEG (2017) die Erhöhung der EEG-Umlagepflicht um 20 Prozentpunkte.
Verstößt er gegen die in § 74a Abs. 2 Satz 2 EEG (2017) statuierte Pflicht zur bilanzkreisscharfen Mitteilung der umlagepflichtigen Strommengen, so findet gemäß § 61f Abs. 1 EEG (2017) erst gar keine Verringerung der EEG-Umlage statt. Der Eigenversorger muss dann für den selbst produzierten Strom wie für Netzstrom die volle EEG-Umlage von zurzeit 6,792 Ct/kWh zahlen.
Neu ist auch, dass ein Eigenversorger nach § 74a EEG (2017) unverzüglich mitzuteilen hat, ob und ab wann er sich mit elektrischer Energie selbst versorgt. Darüber hinaus ist anzugeben, welche Leistung die Stromerzeugungsanlage liefert und ob und warum keine oder eine verminderte EEG-Umlage zu zahlen sei.
Eine „externe Energieabteilung“ verschafft Rechtssicherheit
Ein mittelgroßes Unternehmen vereint energierechtlich oft gleich mehrere Marktrollen: Neben der eines Verbrauchers noch die eines Lieferanten, wenn es Strom und / oder Wärme an Dritte liefert, eines Messstellen- oder Netzbetreibers, eines Eigenerzeugers sowie eines Steuerschuldners. „All diesen Rollen rechtlich und hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen gerecht zu werden, ist eine oft unterschätzte Herausforderung“, erklärt Igel. Eine Prüfung aller energierechtlich zwingenden und energiewirtschaftlich sinnvollen Fragen lohne sich insbesondere auch im Haftungsinteresse der Geschäftsleitungen.
Um Nachteile zu vermeiden, übertragen Unternehmen inzwischen immer öfter den energierechtlich-administrativen Teil ihrer Energieversorgung an sogenannte Energie-Administratoren (siehe Bild 3). Diese prüfen quasi als „externe Energieabteilung“ bestehende Vorgehensweisen dahingehend, ob sie noch der ursprünglichen Zielsetzung und den aktuellen rechtlichen Rahmensetzungen einer Energie-Compliance entsprechen. Ferner übernehmen sie die internen Energieverrechnungen, Anmeldungen und Meldungen sowie Beantragungen. Das entlastet das bisher damit betraute Personal und spart auch Kosten.
Die Fachleute verknüpfen energiekaufmännisches, juristisches und technisches Know-how und bei ihrer Analyse stoßen sie nicht selten auf „investitionsfreie Ansätze“ zur Energiekosten-Optimierung. Der Gesetzgeber knüpft strom- und energiesteuerliche Entlastungen oft an ganz konkrete technisch komplexe Formen der Energieverwendung. Die gemeinhin mangelnde Erfahrung mit dem Thema führe zu der irrigen Annahme, die Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten sei grundsätzlich missbräuchlich. So decken Energiesteuerexperten regelmäßig Ansätze auf, wie Unternehmen ihre mit dem Energiebezug verbundene Steuern- und Abgabenlast senken können, ganz ohne Investition oder zusätzliche Kosten.