Werkstattbericht des BMWK: Habeck legt energiepolitische Zukunftspläne vor
Das zeigt ein Werkstattbericht, den das Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 9.3.2023 vorgelegt hat. In dem Bericht sind Ziele, Stand und die nächsten Schritte der Transformation zusammengefasst.
„Wir haben parallel zur Krisenbekämpfung seit dem letzten Jahr wesentliche Grundlagen gelegt, um unseren Wohlstand zu erneuern, und zwar klimaneutral. Und wir sehen Fortschritte: Beim Ausbau von Wind- und Solarenergie haben wir das Tal durchschritten, es geht wieder aufwärts. Viele Weichen für die Beschleunigung von Verfahren wurden gestellt, Investitionsbedingungen verbessert. Auch in Unternehmen haben sich viele auf den Weg gemacht und investieren in klimaneutrale Technologien. Und der US Inflation Reduction Act zeigt, dass wir hier keine Zeit verlieren dürfen. Mehr erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, eine klimafreundliche Industrie - das ist es, worauf wir in Europa hinarbeiten, um Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze auch in Zukunft zu sichern“, sagte Habeck.
Er betonte: „Es ist eine keine leichte Zeit, auch eine der Verunsicherung: die Rückkehr von Krieg in Europa, die globalen Verschiebungen, die Klimakrise. Und trotzdem – oder vielleicht deshalb - gibt es auch in der Gesellschaft eine große Bereitschaft und ein großes Bedürfnis, selbst etwas in die Hand zu nehmen und zu verändern, im Konkreten, dort, wo man es kann. Menschen haben sich in der Energiekrise eingeschränkt, um Energie zu sparen und die Unabhängigkeit zu stärken. Es werden zigtausende Wärmepumpen eingebaut, Fenster und Türen ausgetauscht, Häuser energetisch saniert, Solaranlagen werden auf die Dächer geschraubt oder auf Balkone gesetzt. Natürlich ist noch sehr viel zu tun, die Aufgaben sind groß. Aber wir stehen trotz allem am Beginn einer gesellschaftlichen Dynamik. Der Einstieg in die Erneuerung ist geschafft. Als Land können wir selbstbewusst sagen: 2022 hat Deutschland gezeigt, was es kann, wenn es will und muss. Das gibt uns Zuversicht: Wir haben als Land jetzt die Chance, gemeinsam Schwung aufzunehmen.
Der Minister führte weiter aus „Konkret geht es jetzt darum, weitere Barrieren, die eine nachhaltige Wertschöpfung und Energieversorgung behindern, aus dem Weg zu räumen, Innovationen und Investitionen zu stärken und anzureizen. Politisch stehen wir als Bundesregierung in der Verantwortung, einen verbindlichen Rahmen und eine verlässliche Orientierung zu geben. Damit dieser Rahmen mit Leben gefüllt wird, braucht es aber ein Zusammenspiel aller Kräfte – von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und auch den Bürgerinnen und Bürgern selbst.“
Der Titel des Werkstattberichtes ist „Wohlstand klimaneutral erneuern.“ Er beschreibt die vielfältigen Prozesse, die vom BMWK aufs Gleis gesetzt wurden. Diese sind am klaren Ziel Klimaneutralität bis 2045 ausgerichtet. Sie sind aufeinander abgestimmt: Erhöhung der Erneuerbaren Erzeugungskapazitäten, Erhöhung der Transportkapazitäten und Sicherstellung der Systemstabilität im Strombereich, der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, die Dekarbonisierung der Industrie, die Wärmewende, die Hebung von Effizienzen und Stärkung von Einsparungen – all das greift ineinander. Im Zentrum der Arbeit des BMWK steht eine Doppelhelix, bestehend aus der Erneuerung unserer energetischen Versorgung und der Erneuerung unserer industriellen Wertschöpfung in kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Das sind untrennbar miteinander verbundene Stränge.
Um die Erneuerung voranzutreiben, sind in allen Bereichen konkrete nächste Schritte geplant. Einzelne Schlaglichter:
Erster Strang: Erneuerung des Energiesystems
- Bei einem Windgipfel am 22. März sollen Eckpunkte für eine Wind-an-Land-Strategie vorgelegt werden. Dabei geht es unter anderem um verbesserte Finanzierungsbedingungen für Anlagen außerhalb des EEG, Vorschläge, wie kurzfristig mehr Flächen bereitstellt gestellt werden können und darum, wie Kommunen ei der zügigen Planung und Realisierung von Wind-Projekten besser unterstützt werden können.
- An diesem Freitag schon ist ein Solar-Gipfel geplant; die Arbeiten sollen in ein Solarpakt münden. Ziel ist, weitere Flächen für PV-Anlagen etwa durch Erleichterungen beim Bau in Industrie- und Gewerbegebieten zu gewinnen, ein neues, einfacheres und attraktiveres Modell für Mieterstrom zu etablieren und die Errichtung von Solaranlagen auf dem Balkon zu erleichtern. Auch Meldepflichten sollen vereinfacht werden.
- Bis zum Sommer wird eine „Kraftwerksstrategie“ erarbeitet. Es gibt einen Zubau- und Modernisierungsbedarf von steuerbarer Leistung im Umfang von 17 bis 25 GW bis 2030. Die Kraftwerke sollen in der Lage sein, Wasserstoff zu verwenden.
- Bei der Wärmewende wird der Fortschritt vorangetrieben. Über 80 Prozent der Wärmenachfrage wird bislang durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt. Um Klimaneutralität, zu erreichen, muss deshalb auch die Art des Heizens binnen zwei Jahrzehnten grundlegend erneuert werden. Die Regierungskoalition hat 2022 per Koalitionsbeschluss die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum klimaneutralen Heizen vorgezogen. Ab 2024 sollen neu eingebaute Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Es wird aber zahlreiche Ausnahmen, Übergangslösungen und -fristen geben, um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden.
- Zugleich soll eine soziale Förderung aufgesetzt werden, damit sich gerade Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen diesen Umstieg auch leisten können. Das wird ein milliardenschweres Programm werden und zugleich auch ein Novum in der Klima-Fördergeschichte, weil die Förderung eben am Einkommen orientiert werden soll.
- Als Zwilling des Gebäudeenergiegesetzes soll ein Wärmeplanungsgesetz den Wärmenetzausbau vorantreiben. Dieser bleibt auch künftig eine Aufgabe der Kommunen. Doch mit einem neuen Gesetz soll bundesweit und flächendeckend die kommunale Wärmeplanung verankert und so ein zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Wärmenutzung und strategische Planungs- und Investitionsentscheidungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung vor Ort geschaffen werden.
- Um den Hochlauf der Wasserstoffproduktion und den Aufbau der nötigen Infrastruktur voranzutreiben, ist dieses Jahr ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz geplant. Zudem wird eine Wasserstoff-Importstrategie, um die verschiedenen Fäden zusammenzubinden.
Zweiter Strang: Erneuerung der industriellen Wertschöpfung
- Das BMWK legt eine Industriestrategie auf, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken, so Wohlstand und Wohlstandsteilhabe zu erneuern und auf eine klimaneutrale Basis zu stellen.
- Ein zentrales Element für die Dekarbonisierung der Industrie sind Klimaschutzverträge, damit Produktionsprozesse auf grüne Produktion umgestellt werden können. Damit sollen Mehrkosten gefördert werden, die entstehen, wenn sich Unternehmen auf den Weg machen und ihre konventionellen Industrieanlagen auf klimafreundlichen Betrieb umstellen. Von dem Instrument soll auch die mittelständisch geprägte Industrie profitieren. Ein zweistelliger Milliardenbetrag soll hierfür eingeplant werden.
- Auch kleine und mittlere Unternehmen sind bei der Transformation im Blick. Ein Beispiel: Die Förderung der Umstellung von Produktionsanlagen von fossilen Energieträgern auf Strom bei Kleinunternehmen wir ausgeweitet und bis 2025 mit zusätzlich 100 Millionen Euro gefördert.
- Zudem entwickelt das BMWK ein Stufenmodell für einen Industriestrompreis. So soll der Industrie günstiger Strom aus Erneuerbaren Quellen zugänglich gemacht werden. Dafür soll die Förderung der Erneuerbaren Energien oder einzelner Segmente auf Contracts for Difference (CfDs) umgestellt werden. Der Preis, der in den Ausschreibungen erzielt wird, würde an die Industrie weitergegeben. Da dieses Modell nur mit neuen, CfD -geförderten Anlagen funktioniert, wird dieser Dekarbonisierungsstrompreis erst mittelfristig wirken. Im Rahmen des Stufenmodells werden auch Möglichkeiten zur Unterstützung von direkten Verträgen zwischen Industrieverbrauchern und erneuerbaren Energien Anlagen (PPA) untersucht.
- Zudem will das BMKW die Produktionskapazitäten für die Energiewende stärken. Im Grundsatz gilt: Bei allen Energiewende-relevanten Technologien braucht es eine Verdrei- bis Vervierfachung der Produktionskapazitäten, um den wachsenden Bedarf in Deutschland und Europa zu decken. Im Sinne unserer strategischen Souveränität muss dieser Bedarf aus einer Vielzahl von Quellen und zumindest zu einem relevanten Teil auch aus europäischer Produktion gedeckt werden. Deutschland und Europa haben sich schon auf den Weg gemacht, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen, ob bei der Elektrolyse, der Batteriezellfertigung oder anderen Schlüsselkapazitäten. Das BMWK hat dazu auch einen Prozess zu industriellen Produktionskapazitäten für die Energiewende (StiPE) gestartet, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Branchen Photovoltaik, Wind und Stromnetze entlang der gesamten Wertschöpfungskette beteiligt waren. Hier soll als nächstes ein Vorschlag für einen Transformationsfonds bis Sommer 2023 erarbeitet ,werden, der Investitionen in die Dekarbonisierung von industriellen Produktionsprozessen durch Eigen- und Hybridkapital unterstützt. Zudem soll das Instrument der Investitionsprämien für Transformationstechnologien nutzbar werden und ein Instrument für eine Betriebskostenförderung entwickelt werden.
Energiebertendenverband äußert sich zu Habecks Plänen
Zu den Ausführungen hinsichtlich der Wärmewende erklärt Jürgen Leppig, der Bundesvorsitzende des Energieberatendenverbands GIH:
„Mit Blick auf die klimapolitischen Ziele ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung den Austausch von Gas- und Ölheizungen vorantreibt – was ohne anspruchsvolle Auflagen nicht möglich ist. Umso wichtiger ist es aber, betroffene Hausbesitzer so zu entlasten, dass sie handlungsfähig sind. Es freut mich zu hören, dass hier eine soziale Förderung in Milliardenhöhe aufgesetzt werden soll, damit sich auch Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen diesen Umstieg leisten können.
Es ist aber auch entscheidend, dass diese Fördermilliarden greifbar sind und unbürokratisch verteilt werden. Der Bundeswirtschaftsminister betont zurecht, dass die konkrete Umsetzung seiner Pläne pragmatisch vonstattengehen soll. Ein Grundsatz, der unbedingt auch bei der Vergabe von Fördermitteln Anwendung finden muss: Hier mahlen die Mühlen derzeit deutlich zu langsam und mit viel zu viel Reibungsverlusten: Werden auf Baustellen dringend benötigte Fachleute durch überbürokratisierte und unterdigitalisierte Prozesse an ihre Büroschreibtische gebunden, verstärkt dies die gegebenen personellen Engpässe unnötig. Ich appelliere daher an die Politik, auch auf diesen Aspekt zu achten und die derzeit bestehenden massiven bürokratischen Hürden zu beseitigen.