Baustoffmangel: Diese Lösungen bringen Handwerksbetriebe jetzt wirklich weiter
Die Füße still halten ist nicht die Sache von Franz Wörndl. "Wenn wir jetzt nichts tun, überlassen wir den Markt unseren Wettbewerbern", sagt der Geschäftsführer des Zimmereibetriebs Holzbau Wörndl. Die anhaltende Knappheit beim Baustoff Holz, die auf eine erhöhte Nachfrage aus dem In- und Ausland zurückgeht, setzt auch dem Betrieb im oberbayerischen Eggstätt zu.
"Unser Arbeitsalltag ist derzeit sehr anstrengend", beschreibt der Handwerkschef. Täglich telefoniert er seinen Lieferanten und Herstellern hinterher und informiert seine Kunden über den aktuellen Projektstand. Seine Bemühungen zahlen sich trotz der angespannten Lage aus: "Wir haben eine sehr gute Auslastung und uns ist kein Geschäft weggebrochen, wir kommen allen Aufträgen fristgerecht nach."
Doch verzeichnet Wörndl wie derzeit viele andere Betriebe im Bau und Ausbau heftige Gewinneinbußen aufgrund der steigenden Holzpreise. Stand April 2021 hat sich der Rohstoff laut Angaben des Statistischen Bundesamts um circa 27 bis 35 Prozent verteuert. Solche Mehrausgaben für ihr Material könnten sich die Betriebe auf Dauer nicht leisten, prophezeit der Handwerkschef. Die Verteuerungen einfach an den Endkunden weiterzureichen ist aus seiner Sicht keine Rechnung, die aufgeht – zumal es bei laufenden Verträgen so gut wie aussichtslos sei, die Konditionen zu ändern.
Flexible Kostenregelungen
Felix Korten, Vorstand bei der Korten Rechtsanwälte AG, bestätigt das. Der Rechtsanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht lässt derzeit ein Haus für sich und seine Familie bauen und ist dadurch in die Rolle des Bauherrn geschlüpft. Die Thematik zum Rohstoffmangel kennt er daher gut – und aus mehreren Perspektiven. „Die Zimmerer, die in ihren Verträgen feste Preise zugrunde gelegt haben, sind derzeit mit massiven Problemen konfrontiert“, beobachtet er.
Preisgleitklauseln, über die der Kostenaufschlag dem Endkunden berechnet wird, sind für ihn zwar eine Lösung, allerdings erst für die Zukunft. In laufenden Verträgen, die zumeist nur zwei knappe Seiten lang sind und stabile Fixpreise enthalten, sind solche flexiblen Kostenregelungen bisher unüblich. Die derzeit stattfindenden Projekte wurden vor Monaten geplant, kalkuliert und unterzeichnet. „Im Nachhinein Preisanpassungen vorzunehmen ist unmöglich“, urteilt Korten.
Allenfalls nachjustieren könnten Betriebe den Zeitraum bei der Fertigstellung von Projekten: "Eine entsprechende Anpassung könnte erreicht werden, soweit die Geschäftsgrundlage im Sinne des Gesetzes gestört ist", erläutert der Anwalt. "Dies darf bei vorübergehender Nichtverfügbarkeit von zum Beispiel Holz oder Dämmmaterial und den daraus resultierenden Folgen für den Kunden durchaus angenommen werden." Andererseits ist ein Betrieb dem Kunden gegenüber natürlich in der Pflicht, die benötigten Materialien zu beschaffen. "Das Holz ist ja da, es ist eben nur schwer verfügbar oder überteuert", sagt Korten.
Diese Beschaffungspflicht entfällt laut dem Rechtsexperten nur, wenn ein Baustoff dauerhaft nicht zur Verfügung steht oder der Beschaffungsaufwand für den Betrieb unverhältnismäßig hoch ist. "In dem Fall könnte der Unternehmer aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten von seiner Pflicht zur Bauleistung befreit sein", erläutert Korten. "Der Kunde könnte dann vom Vertrag zurücktreten." Eine schadensersatzrechtliche Sanktionierung lasse sich nur schwer begründen, da den Unternehmer oft kein Verschulden treffe.
"Klopapier-Effekt" vermeiden
Um der schwammigen Rechtslage zu entgehen und zudem größtmögliche Preissicherheit zu haben, empfiehlt es sich, die benötigten Baustoffe schon bei Vertragsabschluss zu ordern. So hat es Franz Wörndl gemacht, der seinen Betrieb bereits seit 31 Jahren führt und sein Material gern frühzeitig bestellt. Dabei setzt er auf die stabilen Beziehungen zu seinen Lieferanten, die er während seiner Tätigkeit aufgebaut hat und von denen er heute profitiert. "Kontakte sind derzeit das A und O", meint Wörndl. "Zuverlässige Partner führen zu zuverlässigen Verträgen."
Auf dem geschäftlichen Netzwerk ausruhen will er sich aber nicht. Der Betriebschef geht davon aus, dass die Ressourcenknappheit noch mindestens bis zum kommenden Frühjahr andauern wird, wenn die erhöhte Nachfrage, die derzeit vor allem aus den USA und China besteht, vermutlich wieder einbricht. "Bis dahin zu warten und alles, was da kommt, über mich ergehen zu lassen, ergibt für mich keinen Sinn", sagt er.
Der Handwerkschef hat daher ansässige Zimmereibetriebe aus der Region zusammengetrommelt, um gemeinsam über Lösungen nachzudenken: "Das Wichtigste für uns alle ist, jetzt nicht aufzugeben oder in Panik zu verfallen". Dazu zählt etwa, wenn Marktteilnehmer Holz bestellen, um es dann bei sich als Vorrat für den Notfall zu horten. "Dieser Klopapier-Effekt verstärkt die Ressourcenknappheit nur noch mehr", findet er.
Mehr Spielraum bei der Holzernte
Der Zimmermeister macht sich gemeinsam mit seinen Kollegen daher für eine größere Vielfalt der Sägewerke stark. Der derzeit hohen Anfrage kämen die Wirtschaftsbetriebe, die das von Waldbauern gelieferte Rohmaterial zu Schnittholz verarbeiten, kaum hinterher. In dem Lösungsweg sieht auch Andreas Geyer, Leiter Hauptabteilung Wirtschaft beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), Potenzial. Damit die Sägewerke ihrerseits genug Holz zur Verfügung haben und die Lieferkette wieder reibungslos funktionieren kann, muss Geyer zufolge zunächst der Anteil der Holzernte erhöht werden. Der Verband appeliert daher an die Politik, die jüngst beschlossene Einschränkung beim Holzeinschlag wieder aufzuheben.
Rechtstipp zur Preisgleitklausel
Damit die Preisschwankungen bei Baustoffen für Handwerksbetriebe künftig kein betriebswirtschaftliches Risiko darstellen, empfiehlt Rechtsanwalt Felix Korten, eine Formulierung in den Vertrag mit dem Endkunden zu integrieren:
"Für den Fall, dass nach Vertragsschluss die vom Auftragnehmer zu zahlenden Netto-Einkaufspreise für die vertragsgegenständlichen Materialien zum Zeitpunkt ihrer Lieferung um mehr als XY Prozent steigen oder fallen sollten, hat jede der beiden Vertragsparteien das Recht, von der jeweils anderen den Eintritt in ergänzende Verhandlungen zu verlangen, mit dem Ziel, durch Vereinbarung eine angemessene Anpassung der vertraglich vereinbarten Preise für die betroffenen vertragsgegenständlichen Materialien an die aktuellen Lieferpreise herbeizuführen."
Prognose Baustoffmangel - Wie geht es weiter?
Der Ausbruch der Coronapandemie hatte den Bedarf und damit die Produktion global gehandelter Rohstoffe zunächst stark gedrosselt. Seit dem dritten Quartal 2020 steigt die Nachfrage in Asien und den USA wieder an, was derzeit auch hierzulande noch zu einer Verknappung von Ressourcen führt. Eine Prognose zu den weiteren Entwicklungen.
Kunststoffprodukte
Dazu zählen Dämmmaterialien, Folien, aber vor allem auch Kunststoffrohre, die rund zur Hälfte in Asien hergestellt werden. Die Produktionskapazitäten wurden nach Ausbruch der Corona-Krise erst im dritten Quartal 2020 mit dem Anspringen der dortigen Konjunktur wieder hochgefahren. Viele Kunststoffe werden in Asien nun selbst benötigt, die steigende Nachfrage in Deutschland führt derzeit zu steigenden Preisen. Wann die Lieferungen wieder Menge und Preise von 2019 erreichen, ist ungewiss.
Holz
Durch den stärker globalisierten Handel und die große Nachfrage in den USA und China erfährt der Baustoff ein anderes Preisniveau. Gleichzeitig behindert die Regelung zum Einschlag von frischem Holz die Kapazitätsausweitung in Deutschland. Da der Rohstoff beim Klimawandel eine große Rolle spielen wird, bleibt die Nachfrage bis auf Weiteres hoch.
Stahl
Die derzeitigen hohen Stahlpreise sind zunächst der im dritten Quartal 2020 angesprungenen Nachfrage in China geschuldet: Das Land wurde vom Stahlexporteur zum Stahlimporteur. Neben der Bauwirtschaft besteht derzeit auch ein großer Bedarf im Automobilbau – und die Stahlproduzenten nehmen das derzeitige Preissteigerungspotenzial mit. Die Knappheiten werden sich am ehesten bei diesem Rohstoff entspannen: Dafür spricht, dass die Produktionsanlagen in Europa im vergangenen Jahr bis zu 20 Prozent unterausgelastet waren und weltweit Überkapazitäten bestehen.
Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen
Um sich von globalen Bewegungen bei Baumaterialien unabhängiger zu machen, rät Andreas Geyer vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) den Betrieben, sich künftig stärker auf die Rohstoffe im heimischen Markt zu konzentrieren.
In vielen Betrieben der Bau- und Ausbau-Gewerke fehlt es derzeit an Holz, Stahl und Dämmstoffen. Wie können die Engpässe behoben werden?
Die Verfügbarkeit von Baumaterialien und die Preissteigerungen sind ein ernstes Problem. In erster Linie müssen hier Angebot und Nachfrage schnell wieder ins Gleichgewicht kommen. Das ist bei den global gehandelten Grundprodukten für Baustoffe wie Erdöl und Stahl entsprechend ein globales und nicht nur deutsches Thema. Zudem haben wir an die Politik appelliert, die Kurzarbeiterregelung und Überbrückungshilfe III für Betriebe zu verlängern sowie Stoffpreisgleitklauseln für laufende und künftige Verträge im öffentlichen Bereich zuzulassen – all das wurde mittlerweile bewilligt. So können Unternehmen, die wegen Materialmangel in der Bauproduktion gehindert sind, ein Stück weit von Belastungen entlastet werden, die sie nicht zu verantworten haben und denen sie nicht ausweichen können.
Welche mittel- bis langfristigen Lösungswege gibt es?
Um solche Krisen künftig zu vermeiden – und dabei auch Klima und Umwelt zu schonen –, müssen wir uns bei den Baustoffen künftig verstärkt auf den heimischen Markt konzentrieren. Wir haben genügend eigene Produkte wie zum Beispiel Sand, Kies und Gips im Boden, bei denen wir nicht von Importen abhängig sein müssen und mit denen wir bauen können. Das gilt genauso für Holz: Das Holz, das wir in Europa verbauen, kommt vor allem auch aus Deutschland. Um diese Ressource jetzt schneller verfügbar zu haben, plädieren wir für die Aufhebung der Beschränkungen beim Holzeinschlag. Insgesamt brauchen wir eine angepasste Rohstoffstrategie der Bundesregierung, das zeigen die Entwicklungen bei Kunststoffen deutlich.
Wie sieht es mit Kunststoffen aus? Lassen sich diese auch hierzulande produzieren oder sogar durch alternative oder recycelte Baustoffe ersetzen?
Für die derzeit fehlenden Baustoffe gibt es kaum Alternativen. Für Dämm- und Kunststoffe, die zum Beispiel für Rohre benötigt werden, bleiben auch künftig importierte Grundprodukte für unsere hiesige Produktion notwendig. Gut 50 Prozent der dazu benötigten Materialien kommen aus dem asiatischen Raum, weil es dort vergleichsweise günstiger hergestellt wird. Diese Entwicklung werden wir nicht mehr umkehren können. Seitdem die Konjunktur in China seit dem dritten Quartal 2020 wieder stark anzieht, werden die Produkte dort nun selbst stark nachgefragt. Die globale Nachfrage wird derzeit nicht gedeckt. Was wir jetzt erleben, ist eine Situation, wie wir sie seit der Deutschen Wiedervereinigung nicht erlebt haben. Laut Ifo-Institut konstatieren 40 Prozent der Bauunternehmer ein solches Phänomen.
Was raten Sie den Handwerksbetrieben? Was können die Handwerkschefs selbst tun, um die Situation zu meistern?
Betriebe haben wenig Möglichkeiten, um sich solchen Entwicklungen auf dem globalen Markt zu entziehen. Baufirmen sollten bei laufenden Verträgen auf Kunden zugehen und ihnen transparent die Situation erläutern, um zu versuchen, einvernehmlich Preise und Fristen anzupassen.