Wie Künstliche Intelligenz die Heizung effizienter macht
Der Energiebedarf im Gebäudebestand muss deutlich reduziert werden, wenn die Energiewende Erfolg haben soll. Notwendig ist unter anderem eine effizientere Regelung der Heizungsanlagen.
Die Nutzung der Methodik von künstlichen neuronalen Netzwerken könnte hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und große Einsparpotenziale erschließen.
Nutzer würden nicht nur aufgrund des geringeren Verbrauchs Geld sparen.
Bei der Regelung von Heizungsanlagen entstehen unter anderem Kosten durch die zeitintensive Einstellung der optimalen Heizkurve sowie durch Installation, Inbetriebnahme, Wartung und Optimierung der Anlage.
Mit einer intelligenten Regelung sinkt dieser Aufwand in deutlichem Umfang.
Forschungsprojekt mit Solarthermie-Heizungsanlage
Im Rahmen des Projekts ANNsolar (englisch für Artificial Neural Networks Solar, deutsch: Neuronale Netzwerke für die Anwendung in der Solarthermie) testete das Fraunhofer ISE mit Industriepartnern die Nutzung der künstlichen Intelligenz an einer solarthermischen Heizungsanlage.
Zunächst ging es darum, die Grundlagen für die Anwendung von neuronalen Netzwerken zu schaffen. Neben der Entwicklung geeigneter Netztopologien und der Definition von Hardwareanforderungen standen insbesondere Trainingsalgorithmen im Fokus der Arbeit.
In der Folge realisierten die Projektbeteiligten eine ANN-Regelung und zeigten, welche Energieeinsparpotenziale möglich sind. Darüber hinaus verglichen sie Kosten und Nutzen der Neuentwicklung. Abschließend lieferten sie in einem realen Gebäude den Nachweis der prinzipiellen Funktionsfähigkeit des ANN-Regelungsansatzes.
Bei dem neu entwickelten neuronalen Netz für den Heizungsregler handelt es sich um eine Softwarelösung. Sie prognostiziert die zukünftige Raumtemperaturentwicklung, ohne dass eine physikalische Simulation des energetischen Niveaus des Gebäudes erforderlich ist.
Hinzu kommt die Prognose des Speicherladezustandes. Hieraus errechnet der Regelungsalgorithmus die notwendige Heizkreisvorlauftemperatur und die Nachheizzeiten des Kessels.
Diese Informationen werden an einen konventionellen Regler weitergegeben. Das neuronale Netz erhält laufend Informationen aus dem realen Gebäude über Außentemperatur, Sonneneinstrahlung, Heizungsvorlauftemperatur, Uhrzeit und Datum. Es bekommt zudem regelmäßig Daten aus der Wettervorhersage im Internet.
Die Heizkurve wird selbstlernend optimiert
Diese Daten werden ständig ausgewertet und mit dem tatsächlichen Raumtemperaturverlauf verglichen. Dabei generiert das System selbstständig eine Korrelation zwischen den Eingabedaten und dem Raumtemperaturverlauf.
So weiß es nach einer gewissen Zeit, wie sich die Raumtemperatur bei bestimmten Randbedingungen entwickelt. Entsprechend kann der Regler die Heizung hoch- oder runterfahren.
Der wesentliche Unterschied zu den konventionellen Heizungsregelungen: Niemand muss die Heizkurve einstellen und optimieren, was in der Regel durch zeitaufwendiges Ausprobieren erfolgt.
Das System macht das automatisch – ob für erneuerbare Energien wie Solarthermieanlagen, Holzpelletheizungen und Wärmepumpen oder für fossile Heizsysteme.
KI-Algorithmen erlauben es, individuelle Randbedingungen wie lokales Klima, thermodynamisches Verhalten eines Gebäudes sowie charakteristisches Betriebsverhalten der Heizung und des Wärmeverteilsystems selbstständig zu identifizieren.
Im Regelungsbetrieb kann dann die Entwicklung der Raumtemperatur und des Speicherladezustandes prognostiziert werden, um damit einen optimalen Betrieb zu ermöglichen.
Neben der Maximierung der Energieeffizienz lassen sich durch diesen Ansatz auch die Kosten für Installation und Inbetriebnahme der Regler reduzieren.
Die Kombination von selbstlernenden künstlichen neuronalen Netzen und einer linearen System-Identifikation (LSI) zur Analyse des nichtlinearen und linearen Teils des dynamischen Verhaltens der Anlage und des Gebäudes erlauben eine robuste KI-Lösung für Heizungsregelungen.
Die benötigten Algorithmen für diesen Ansatz wurden am Fraunhofer ISE entwickelt und in einen Regelungscode implementiert.
Raumtemperatur und Speicherladezustand konnten recht genau vorhergesagt werden
Die Prognosen von Raumtemperatur und Speicherladezustand stellen die wesentliche Basis des entwickelten Regelungskonzeptes dar.
Die genannten Größen können mithilfe der Kombination aus ANN und LSI recht genau prognostiziert werden. Für die Überprüfung dieser Aussage wurden Messdaten einer real existierenden Anlage genutzt, um ANN-Netze zu trainieren.
Die trainierten ANN-Netze konnten im Rahmen des Projektes folgende Genauigkeiten (jeweils für das 80 %-Quantil) erzielen: Raumtemperatur +/– 0,5 K, Speicherladezustand +/– 10 K. Nochmals zu betonen ist, dass all diese Prognoseergebnisse ohne Simulation erreicht werden.
Dieser Ansatz stellt daher ein sehr gutes Instrument zur schnellen und kostengünstigen Prognose dar.
Die ANN-Regelung übernimmt die Sollwertermittlung der Vorlauftemperatur des Heizkreises und die Regelung der Zuschaltung einer möglichen fossilen Nachheizung.
Die übrigen Funktionen entsprechen im Wesentlichen denen einer konventionellen Regelung. Für die ANN-Regelung wird auf die weiter oben beschriebenen ANN-Prognosen zurückgegriffen.
Bei der Ermittlung des Sollwertes der Heizungsvorlauftemperatur wird dieser Wert so lange variiert, bis die prognostizierte Raumtemperatur der gewünschten entspricht.
Automatische Ermittlung der Heizkurve
Dieser Ansatz entspricht einer automatischen Heizkurvenermittlung, die zusätzliche Einflüsse wie etwa passive solare Nutzung oder den Betrieb eines Kaminofens berücksichtigt.
Für die Entscheidung über die Einschaltung der fossilen Nachheizung im Fall der Solarthermieanlage wird überprüft, ob die notwendigen Speichertemperaturen innerhalb eines Prognosezeitraums auch ohne Nachheizung erreicht werden. Unnötige Brennerstarts unterbleiben dann und der solare Ertrag wird maximiert.
Das Fraunhofer ISE hat die Funktionsfähigkeit des Regelungsansatzes eineinhalb Jahre lang in einem realen Gebäude erfolgreich getestet. Damit konnte die prinzipielle Funktionstüchtigkeit des Ansatzes nachgewiesen werden.
An dem Projekt haben sich die drei Industriepartner Prozeda, Sorel und Steca beteiligt. Ein Feldtest mit mehr Anwendungen soll nun folgen. Es gibt bereits mehrere Industriefirmen, die Interesse am Produkt angemeldet haben.
Fazit
Das Projekt hat den Nutzen künstlicher neuronaler Netze klar aufgezeigt. Sie können Heizungsanlagen kostengünstiger und effizienter regeln.
Die Vorteile ergeben sich vor allem dadurch, dass sie ohne Simulation oder Parametrierung der Regelung automatisch Heizkurven erzeugen, die gegenüber einer konventionellen Heizkurve auch Effekte wie die passive solare Erwärmung des Gebäudes berücksichtigen.
Das vermindert den Aufwand bei Installation und Inbetriebnahme der Regler. Einsparungen von mehreren Stunden Handwerkerdienstleistung sind so möglich. Hinzu kommt:
Bei der Nutzung erneuerbarer Energien, etwa einer solarthermischen Anlage, erlaubt die Prognose des zukünftigen Speicherladezustandes, eine möglicherweise fossile Nachheizung zu minimieren und so die Erträge der Solaranlage zu maximieren.
Gegenüber einer optimierten konventionellen Heizungsregelung in bestehenden Gebäuden haben sich in dem Forschungsprojekt Einsparpotenziale von mindestens 7 % ergeben.
Gegenüber nicht optimierten Regelungen, die sehr häufig in der Praxis vorkommen, liegt das Einsparpotenzial sogar in der Größenordnung von 12 % und mehr.
Damit bietet der neue Ansatz eine kostengünstige und wirksame Möglichkeit, Energieeinsparung für unterschiedliche Heizungssysteme insbesondere in Bestandsgebäuden zu realisieren.
Das Gehirn als Vorbild
Wie funktionieren neuronale Netzwerke? Sie sind wie das menschliche Gehirn in der Lage, Regelungsstrategien anhand von erlebten Beispielen zu entwickeln. Der Aufbau orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Biologie über das Funktionieren des menschlichen Gehirns.
Ein technisches neuronales Netz besteht aus Neuronen, in denen einfache Rechenoperationen ablaufen. Zwischen diesen gibt es gerichtete und gewichtete Verbindungen. Wird dabei ein bestimmter Schwellenwert überschritten, erfolgt eine Informationsübermittlung von Neuron zu Neuron.
So werden einzelne Neuronen zu einem neuronalen Netzwerk zusammengesetzt, wobei der Output eines Neurons den Input eines weiteren Neurons darstellt.
Das interessanteste Merkmal neuronaler Netze ist ihre Fähigkeit zu lernen. Lernen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das System in der Lage ist, eine Korrelation zwischen Eingangs- und Ausgangssignalen herzustellen. Dabei verändert sich das System so, dass die berechneten Ausgangssignale möglichst gut mit den gemessenen übereinstimmen.
Dieses Verhalten lernt es mithilfe von Trainingsdaten. Wird diese Funktionalität für die Simulation technischer Prozesse genutzt, so muss keinerlei Information über physikalische Zusammenhänge verfügbar sein. Es müssen lediglich Trainingsdaten zur Verfügung stehen, die das Verhalten des Prozesses ausreichend genau charakterisieren.
Es liegt nahe, solche Netze auch für die Regelungen von Heizungsanlagen einzusetzen. Für Heizungssysteme kann ein solches künstliches neuronales Netz genutzt werden, um die individuelle thermische Dynamik des Gebäudes und die Auswirkung von passiver solarer Erwärmung auf dessen Wärmebedarf zu erfassen und den Ladezustand des Speichers in Abhängigkeit der Betriebsbedingungen zu prognostizieren.
Dieser Artikel von Dr. Wofgang Kramer ist zuerst erschienen in SBZ 22 / 2019. Dr. Wolfgang Kramer ist Koordinator Solarthermie am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.