Hydaulischer Abgleich: Heizungsoptimierung im Bestand
Die Energiewende rückt Wärmepumpen und Fernwärmenetze in den Fokus der Heizungssanierung. Für ihren effizienten Betrieb sind jedoch niedrige Vorlauftemperaturen von zentraler Bedeutung. Auch für eine generelle Energieersparnis ist es besser, wenn das Wasser auf geringere Temperaturen gebracht wird. Einen Schlüsselfaktor hierzu stellt der hydraulische Abgleich des Heizungssystems dar. Er ermöglicht eine optimale Wärmeverteilung innerhalb eines Gebäudes und ist daher insbesondere im Bestand wichtig für den Ausbau erneuerbarer Energien.
Im Rahmen der Energiewende werden Wärmepumpen durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude gezielt gefördert. 2020 wurden sie laut dem Statistischen Bundesamt in 45,8 Prozent der neuen Wohngebäude als Primärenergiequelle genutzt. Auch die Fernwärmenetze gewinnen an Bedeutung; der Anteil der Fernwärme am Energieverbrauch für Wohnen ist seit 2000 um das 1,5-Fache gestiegen. Wichtig für den effizienten Betrieb der Heizungsanlagen ist in beiden Fällen eine bestmögliche Wärmeverteilung, wie sie der hydraulische Abgleich sicherstellt. Nur so können die niedrigen Vorlauftemperaturen erreicht werden, bei denen Luft/Wasser-Wärmepumpen und Niedrigtemperatur-Fernwärmenetze optimal funktionieren.
Wärmepumpen verbrauchen weniger Elektrizität, wenn sie nicht bis 60 oder 65 Grad Celsius Vorlauftemperatur heizen müssen. Analog dazu wird ein Niedertemperatur-Fernwärmenetz möglich, wenn 60 Grad Celsius oder weniger im Vorlauf ausreichen, sodass erneuerbare Energiequellen und Abwärme ins Netz integriert werden können. Zusätzlich könnten bei den ca. 18 Millionen bestehenden Wohngebäuden (Ein-, Zwei- und kleinere Mehrfamilienhäuser) in Deutschland durch eine Systemoptimierung realistischerweise zehn bis 15 Prozent an Energie und damit eine entsprechende Menge CO₂ eingespart werden. Allerdings fehlen oft einige der für den hydraulischen Abgleich nötigen Daten, und/oder die System- und Komponentenvoraussetzungen sind nicht optimal.
Um einen hydraulischen Abgleich im Bestand umzusetzen, werden deshalb ein umfassendes Verständnis des Systems sowie eine strukturierte Herangehensweise benötigt. In diesem Sinne ist zunächst eine Klärung der Begriffe und der Ausgangssituation erforderlich. Anschließend werden die Schritte betrachtet, die sich bei der Umsetzung eines hydraulischen Abgleiches ergeben: die Berechnung der Heizlast, die Einstellung vorhandener Komponenten im Heizungssystem sowie deren Austausch oder Ergänzung. Eine praxisgerechte Software kann helfen, dabei den Rechenaufwand zu reduzieren; für weitere Justierungen im Betrieb kommen zusätzlich intelligente Komponenten infrage.
Systemverständnis: Wozu ein hydraulischer Abgleich dient
Der hydraulische Abgleich ist die Basis jeder Systemoptimierung. Er stellt sicher, dass sich die richtige Warmwassermenge zur richtigen Zeit am richtigen Ort befindet, sodass anschließend Systemtemperaturen und Differenzdrücke angepasst werden können. Zwar senkt der hydraulische Abgleich als solcher nicht die Vorlauftemperatur, sondern regelt nur den Massenstrom. Die dadurch erreichte bedarfsgerechte Warmwasserverteilung macht es aber möglich, die vorhandene Wärme optimal zu nutzen. Auf diese Weise braucht es für dasselbe Ergebnis – die komfortable Beheizung – insgesamt weniger Energie.
Bei der Durchführung lassen sich zwei verschiedene Herangehensweisen unterscheiden – je nach Art der Ventile. Findet ein statischer Abgleich statt, wird das System mit druckabhängigen Armaturen auf optimale Wasserverteilung im Maximallastfall eingestellt. Bei einem dynamischen Abgleich dagegen werden druckunabhängige Armaturen verwendet, die auch im Teillastbetrieb die Wasserverteilung optimieren. Die Einstellungswerte für die Komponenten werden zunächst nach einem von zwei möglichen Verfahren berechnet, wobei in der Praxis das ausführlichere Verfahren B empfehlenswert ist. Hierzu wird zunächst die vereinfachte Heizlast für jeden Raum berechnet.
Heizlastberechnung: Ist-Zustand erfassen und dokumentieren
Die Heizlastberechnung nach Verfahren A nimmt die maximale Heizleistung als Heizlast an; Verfahren B dagegen berücksichtigt die Transmissionsverluste über Wände und Fenster sowie den Lüftungswärmebedarf. Für die Berechnung der Massenströme ist jedoch nur Verfahren B mit einer vereinfachten, raumweisen Heizlastberechnung wirklich sinnvoll, denn die Ungenauigkeiten von Verfahren A lassen sich im Laufe der Berechnung nicht mehr kompensieren und führen zu falschen Berechnungsergebnissen.
In Bestandsgebäuden kann die Ermittlung der Transmissionsverluste, der sogenannten U-Werte, aufwendig sein. Eine Lösung ist eine näherungsweise Vorgabe der U-Werte von Bauteilen in Abhängigkeit von Baualter und Isolierung. Die Software DanBasic 7 von Danfoss ermöglicht das; alternativ gibt es (Online-)Berechnungsprogramme zur Ermittlung des U-Wertes mit mehreren Schichten.
Sehr wichtig ist dabei die Berücksichtigung neuer Fenster: Gerade in Bestandsgebäuden wurden im Laufe der Jahre immer wieder Fenster bei Sanierungsarbeiten ersetzt; die Gebäude erreichen daher bessere U-Werte. Eine eventuelle Wärmerückgewinnung bei der Lüftung sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Dagegen sind Daten zu den Rohren in kleinen Gebäuden vernachlässigbar; gemäß Verfahren B ist es zulässig, mit Annahmen zu arbeiten.
Beim Wechsel auf Wärmepumpe oder Fernwärme sollte die Wärmeverteilung und -übergabe auf die Anforderungen der neuen Wärmequelle abgestimmt werden. Für die korrekte Dimensionierung der Wärmepumpe ist bereits eine gebäudeweise Heizlastberechnung nötig. Zudem sollte die gesamte Anlage im Interesse nachhaltiger Betriebssicherheit mit dem bestmöglichen Systemwirkungsgrad betrieben werden. Das erfordert eine Berechnung der Heizlast Raum für Raum und die darauf basierende Justierung der Massenströme – einen hydraulischen Abgleich nach Verfahren B also. Denn es ergeben sich bei einer Wärmepumpe komplett andere Massenströme als bei einer Brennwertanlage, was zu ganz anderen Voreinstellwerten der Komponenten im Heizkreislauf führt, obwohl die Anforderung einer geringen Rücklauftemperatur bei beiden identisch ist.
Allerdings besteht bei so gut wie jeder (Nach-)Berechnung in Bestandsgebäuden das Problem, dass Daten fehlen. Ein umfassendes Verständnis des Systems, ein schrittweises Vorgehen – etwa über den Danfoss-Leitfaden „5 einfache Schritte zum hydraulischen Abgleich“– und eine geeignete Softwareunterstützung können dies jedoch kompensieren.
Die Berechnungssoftware Danfoss DanBasic 7 zum Beispiel wurde spezifisch für kleinere Bestandsgebäude entwickelt. In die Module Heizlast, Heizkörper/Ventilauslegung, Fußbodenheizung und Armaturenauslegung können die Techniker:innen unabhängig voneinander neue Werte eintragen, um die Berechnungsergebnisse zunehmend zu verbessern. Auch Einrohranlagen lassen sich berechnen. Mit den Basismodulen sind zudem die Anforderungen der Bundesförderung für effiziente Gebäude erfüllt, sodass alle für den Nachweis erforderlichen Daten im VdZ-Bestätigungsformular nach Verfahren B mit der App ermittelt und dokumentiert werden können.
Wärmeübergabe: Daten erfassen und Thermostate einstellen
Im nächsten Schritt werden Größe und Art der Wärmeübergabegeräte und deren aktuelle Einstellungen erfasst, um sie nach der Berechnung anzupassen. Ob Komponenten ausgetauscht werden müssen, ergibt sich ebenfalls im Rahmen dieses Schrittes. Bei Bestandsgebäuden wird zum Beispiel eine Fußbodenheizung zum Problem, über deren Dimensionierung keine Informationen mehr vorliegen.
In solchen Fällen empfiehlt es sich, eine Standardfläche – beispielsweise in einem Nasssystem nach DIN 1264 mit einem Verlegeabstand von 15 Zentimeter – zu definieren, die in Abhängigkeit vom Oberflächenbelag mit der notwenigen Vorlauftemperatur die erforderliche Heizlast abdeckt. Wichtig ist, die variable Spreizung in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur zu beachten. Dazu benötigt man ein Programm zur Nachrechnung.
Bei Kombinationen von Fußbodenheizung und Heizkörpern in verschiedenen Räumen können diese zunächst getrennt berechnet werden, bevor man bestimmt, ob die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung auch für die installierten Heizkörper ausreicht. Weiterhin sind die erforderlichen Differenzdrücke zu bestimmen, um gegebenenfalls im Heizkörperkreis differenzdruckreduzierende Armaturen einzusetzen. Sind beide Übertragerflächen in einem Raum vorhanden, muss die Leistung anteilmäßig aufgeteilt werden, wobei die Grundlast (Stichwort: Behaglichkeit) von der Fußbodenheizung gedeckt werden sollte und der Heizkörper die „dynamische“ Komponente übernimmt.
Auch bei der Aufnahme der Daten der Heizkörper hilft die Software. Über den Menüpunkt „Heizkörper einlesen“ können jederzeit Standarddatensätze nach der VDI Richtlinie 3805/6 (Typ/Heizkörperkenndaten) eingelesen werden. Somit ist eine Ermittlung einer herstellerspezifischen Heizkörperleistung jederzeit zum Beispiel im Fall einer Sanierung oder Optimierung der Übertragerfläche möglich.
Komponententausch: Heizkörper und Umwälzpumpe anpassen
Bei einem Austausch des Wärmeerzeugers, beispielsweise durch eine Wärmepumpe, müssen die Thermostatventile nicht unbedingt ersetzt werden, solange sie über eine integrierte Voreinstellung verfügen. Wichtig ist aber die Berechnung. Insbesondere der angenommene Differenzdruck (maximal 50 Millibar) und die anschließende Druckoptimierung führen zu guten Ergebnissen.
Kommen druckunabhängige Thermostatventile zum Einsatz, entfällt der Einfluss des Rohrnetzes, was vor allem in größeren Bestandsanlagen relevant ist, und die Regelgüte wird im Teillastfall deutlich verbessert. Ebenso wird ein Austausch der Heizkörper bei einer Sanierung nicht pauschal empfohlen. Generell sollte eine Nachrechnung der Wärmeübergabeflächen erfolgen, um die für den Wärmeerzeuger maximal notwendige Vorlauf-/Übertemperatur der Heizkörper zu ermitteln. Durch den Heizkörperüberdimensionierungsfaktor kann ein kritischer Heizkörper schnell ermittelt und durch einen geeigneten größeren ersetzt werden.
Die Heizungsumwälzpumpe kann weiterverwendet werden, wenn es sich um eine Hocheffizienzpumpe handelt, die bezüglich Förderhöhe und Volumenstrom für die vorhanden Anlage passt. Wichtig ist aber auch hier, die Heizungsumwälzpumpe auf die maximal notwendige Förderhöhe einzustellen, vorzugsweise mit Konstantdruckregelung. Werden druckunabhängige Thermostatventile verwendet, muss der minimal erforderlichen Differenzdruck beachtetet werden.
Ob ein Pufferspeicher nötig ist, hängt unter anderem von der Art der Wärmeerzeugung ab. Bei Brennwertgeräten mit eingebauten Pumpen mit großer Restförderhöhe (Wandthermen) sollte man zu Vermeidung hoher Taktraten des Brenners und für eine möglichst niedrige Rücklauftemperatur einen Pufferspeicher einbauen. Auch Wärmepumpenanlagen mit guten Jahresarbeitszahlen zeigen, dass ein Pufferspeicher notwendig ist, um die vorhandene Energie optimal auszunutzen.
System optimieren
Mit der Ermittlung der raumweisen Heizlasten und der Heizleistung der Heizkörper sind zwar alle Daten für den hydraulischen Abgleich verfügbar. Der zusätzliche Schritt der Temperatur- und Druckoptimierung ist aber entscheidend, um das System an die Anforderungen des Wärmeerzeugers anzupassen und so einen maximal möglichen Systemwirkungsgrad zu erreichen. Dies ist insbesondere beim Einsatz von Wärmepumpen im Bestand eine Herausforderung, die mit einem geeigneten Softwaretool wie der Temperaturoptimierung in DanBasic 7 jedoch nicht schwierig zu bewältigen ist.
Um die Heizleistung eines Heizkörpers zu ermitteln, sind neben dem Heizkörpertyp und der Größe die angenommene Vor- und Rücklauftemperatur wichtig, aus denen sich die Übertemperatur ergibt, die an die Raumluft abgegeben werden kann – in bestehenden Wohngebäuden sind das meist 70/55 Grad Celsius. Danach wird entweder durch eine Reduzierung des Volumenstromes mit dem Ergebnis einer reduzierten (realen) Rücklauftemperatur oder durch die Absenkung der Vorlauftemperatur die Leistung reduziert. Dabei steht die Anpassung der Übertemperaturen an die Anforderungen des Wärmerzeugers im Vordergrund.
Auch bei der Berechnung der Druckverluste ist man beim hydraulischen Abgleich von bestehenden Netzen für eine erste, näherungsweise Auslegung auf die Annahme von Werten angewiesen. Empfohlen sind 50 Millibar. Ist der Differenzdruck zu klein, kann es zu einer Unterversorgung kommen; wird mit einem zu großen Wert gerechnet, werden Thermostatventile zu stark eingedrosselt und die Pumpenförderhöhe oft viel zu hoch eingestellt.
Ein Auslegungsdifferenzdruck von zum Beispiel 100 Millibar, wie er in vielen Unterlagen oder Auslegungsprogrammen immer noch zu finden ist, ist selbst bei unsanierten Bestandsanlagen viel zu hoch. Für eine Nachrechnung vor dem Optimierungsprozess sind sogar 50 Millibar noch merklich zu hoch, gerade bei Gebäuden mit geringen Heizlasten in Kombination mit Brennwerttechnik. Ein Beispiel: Bei einem Heizkörper mit 1320 Watt Leistung (70/50 Grad Celsius) werden für einen Massenstrom von 57 Kilogramm pro Stunde gerade einmal zwölf Millibar (Fühler RAW, xp=2K) benötigt. Deshalb sollte der Differenzdruck so klein wie möglich gewählt werden, für möglichst große Voreinstellwerte und weniger Hilfsenergie.
Die Einstellwerte der Thermostate der Heizkörper werden dann nach Auslegung der Kenndaten auf der Basis der VDI-3805/2-Schnittstelle berechnet. Spätere Feinjustierung kann manuell im Betrieb oder über smarte Regler erfolgen (automatischer hydraulischer Abgleich, zum Beispiel über das Smart Heating System Danfoss Ally). Die Software schöpft auch noch die letzten Optimierungspotenziale aus, sofern vorher bereits ein sorgfältiger Abgleich mit korrekter Berechnung nach Variante B erfolgt ist und die übrigen Komponenten der Heizanlage darauf eingestellt wurden.
Über den Autor: Bernd Scheithauer arbeitet als Produktingenieur für Wärmeautomatik bei der Danfoss GmbH.