CO₂-Bilanz: Wie nachhaltig ist die Klempnertechnik?
Es ist ruhig geworden um die Fridays-for-future-Bewegung. Umso lauter werden Diskussionen um den CO2-Ausstoß in Verbindung mit dem neu angeschafften Elektroauto, der noch zu installierenden Photovoltaikanlage oder der gerade gekauften Markenjeans.
Wer sich ernsthaft mit den Themen Nachhaltigkeit und CO2 Bilanz beschäftigt, ist gut beraten, alle tatsächlich anfallenden Effekte (von der Art und der Beschaffung des Vormaterials über die Produktion und den Transport bis hin zur Montage) zu berücksichtigen. Ja, es ist eine Mammut-Aufgabe. Woher sollen Fachbetriebsinhaber zum Beispiel wissen, wie viel Autobahnkilometer ein 6-m-Stück Dachrinne hinter sich hat, bis es ordnungsgemäß an der Dachkante hängt? Neben dem Herstellungsaufwand spielen auch Faktoren wie Recycling, Lagerung, Transport und Lebenserwartung des Produktes einschließlich des Zubehörs eine wichtige Rolle. Streng genommen müsste sogar die Aluminiumfolie, in der das Pausenbrot des Monteurs eingewickelt war, dabei berücksichtigt werden. Aber wer kann das leisten und wen interessiert das wirklich?
Aufklärung ist wichtiger als je zuvor. Zum Glück besitzen Baumetalle schon aufgrund ihrer Lebensdauer und Recyclingfähigkeit eine hervorragende CO2 Bilanz.
Nachhaltiges Bauen
Um den Vergleich mit Wärmedämmfassaden, Folienabdichtungen oder herkömmlichen Ziegeldächern transparent führen zu können, fehlen dennoch wichtige Parameter. Die Frage ist allerdings, welche Hersteller entsprechende Angaben liefern und ob ein Vergleich objektiv gelingen kann. Klar ist aber auch, dass sich Dienstleister, Hersteller und somit auch das Handwerk in Zukunft mit diesen Themen auseinandersetzen muss. Warum? Weil immer mehr Kunden und auch Planer nachhaltig bauen möchten und folglich entsprechende Informationen einfordern. Auch macht das Thema CO2-Neutralität vor dem Handwerksunternehmen nicht Halt. Wenn es CO2-arme Produkte gibt, wird im nächsten Schritt deren Weiterverarbeitung und Montage, zum Beispiel durch das Handwerk ökobilanziell betrachtet werden (Produktionsprozesse, Transporte).
Graue Energie
Bislang gibt es noch kein verbindliches Vorgehen zur Definition der sogenannten Grauen Energie (Primärenergie). Tendenziell wird unter diesem Sammelbegriff der Energieaufwand definiert, der zum Beispiel zur Produktion, Aufbewahrung, Lagerung, zum Transport oder aber zum Einbau unterschielichster Produkte entsteht. Und selbstverständlich ist auch der gesamte Bausektor mit dem Einsatz Grauer Energie verbunden. Darunter fallen zum Beispiel:
- Materialerzeugung
- Produktion
- Einbau
- spätere Entsorgungsfähigkeit der verwendeten Werkstoffe
Entsprechend ressourcenschonend ist der Bau unter Verwendung regionaler Produkte und Materialien. Einer Berechnung des Statistischen Bundesamt Deutschlands zufolge, lag die durchschnittliche Energieintensität aller Waren allein im Jahr 2003 bei 4,5 MJ pro ausgegebenem Euro (1 kWh = 3,6 MJ). Anders ausgedrückt: Jeder ausgegebene Euro verursacht +/- 1 kWh an Grauer Energie. Ausgenommen ist lediglich der direkte Kauf von Energie.
Unterschiedliche Energiewerte
Verschiedene Einzelprodukte weisen extrem unterschiedliche Energiewerte auf. Hier einige Beispiele aus dem täglichen Bedarf:
- 1 kg Schokolade: 2,5 kWh
- ein Paar Schuhe: 8 kWh
- 500 Blatt Klopierpapier chlorfrei gebleicht: 41 kWh
- 500 Blatt Klopierpapier recycled: 28 kWh
- ein Automobil: etwa 30.000 kWh (Strombedarf eines Durchschnittshaushalts für 6 - 10 Jahre)
- Die Bereitstellung von einem Liter Diesel an der Zapfsäule erforderte bis zu 20 % Zusatzverbrauch von Brennstoff
Wichtig ist, dass der Verbraucher sich darüber bewusst wird, dass er diese Energie zwar nicht direkt bezahlt, aber trotzdem für deren verbrauch verantwortlich ist.
Sanieren oder neu bauen?
Auch bei der Frage, wie sinnvoll eine Sanierung ist, spielt die Graue Energie zukünftig eine sehr entscheidende Rolle. Schließlich wurde für das Gießen eines Fundamentes, das Hochziehen eines Mauerwerks oder das Schlagen von Bauholz bereits entsprechend viel Energie verbraucht.
Wer zukünftig nachhaltig und mit gutem Gewissen bauen möchte, ist daher gut beraten vor einem Abriss alle Parameter sorgfältig zu erfassen und zu vergleichen – übrigens auch, weil jeder Abriss ebenfalls sehr energieintensiv ist. Nebenbei bemerkt: Typische Energiewerte für die Graue Energie in Gebäuden liegen zwischen 3.000 und 4.000 MJ je m2 Geschossfläche.
Kriterien für Nachhaltigkeit ändern sich
Wurden in den Ökobilanzen für Produkte und auch Gebäude in den letzten 25 Jahren häufig nur die Daten für z. B. Energie und Treibhauspotenzial die bei der Herstellung verbraucht werden bzw. entstehen, bewertet, ändern sich diese Bewertungskriterien momentan. Es kann aus Klimaschutzsicht durchaus sinnvoll sein ein Produkt mit einem hohen Energieverbrauch zu verwenden, wenn es das zwei- bis dreifache an Nutzungsdauer gegenüber einem Produkt mit niedrigem Energieeinsatz mit sich bringt.
Optimal wäre es natürlich, wenn ein Produkt wenig Energie bei der Produktion benötigt, dann sehr lange nutzbar ist und am Ende der Nutzungsphase erneut verwendet oder mit geringem Energieaufwand zu einem gleichwertigen oder sogar höherwertigen Produkt recycelt werden kann. Ökobilanzen werden vor dem Hintergrund dieser Überlegungen aktuell systemisch angepasst. Hierbei gelangen weitere Aspekte auch für die Bewertung von Gebäuden in den Fokus. Gebäude unterliegen im Rahmen der Nutzung häufig einer Umnutzung, weil sich vielleicht der Anspruch an die Nutzung durch den Menschen verändert hat – aus einem Bürogebäude wird Wohnraum oder aus einer Fabrikation wird ein Büro. Es kann sinnvoll sein die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten von Gebäuden bereits bei der Erstellung in Betracht zu ziehen.
Bei der Auswahl von Produkten sollte darauf geachtet werden, dass keine Inhaltsstoffe vorhanden sind, die in der Zukunft eine Umweltbelastung darstellen, nicht während der Nutzung und nicht nach dem Abriss – dieses führt schnell zu einer Kostenfalle und zu Problemen bei der Entsorgung. Viele werden sich an die Diskussion zu Wellasbestplatten in den 80er Jahren oder die Regelungen zur Entsorgung von Hartschaumplatten noch vor wenigen Jahren erinnern.
Neue Kriterien für die zukünftige Betrachtung der Umweltbilanz von Gebäuden und Bauprodukten liegen in der Bewertung der Reparierbarkeit und der erneuten Nutzung. In vielen Fällen wäre es nachhaltiger für ein Produkt, wenn Teile bei dessen versagen, ausgetauscht werden könnten, eine Diskussion, die derzeit in Bezug auf die Akkus in Smartphones geführt wird, aber auch auf den Baubereich übertragbar ist. Ebenfalls sollte es möglich sein, Produkte zu ergänzen oder für eine weitere Nutzung zu ertüchtigen. Im Falle einer Umnutzung des Gebäudes kann es erforderlich sein Konstruktionen mit geringem Aufwand statisch zu verstärken anstelle die Konstruktion neu zu bauen. Das sorgt für eine Verlängerung der Lebensdauer der bereits genutzten Produkte und somit des gesamten Gebäudes und trägt zur Verbesserung der Nachhaltigkeit bei.
Eine weitere ökobilanzielle Betrachtung liegt in dem Aspekt der erneuten Nutzung (engl. reuse). Zukünftig soll die Bewertung der erneuten Nutzung als Unterkapitel des Recycling auch für Bauprodukte in der Ökobilanz bewertet werden. Jedes Bauteil das erneut genutzt werden kann muss nicht mit entsprechendem Energieeinsatz recycled werden. Hier entstehen im Bereich Holz und Steine bereits neue Geschäftsmodelle. Die gesamte Bauindustrie macht sich derzeit Gedanken wie diese Mammutaufgabe zur Bewertung von Gebäuden und somit von Produkten abgebildet werden kann.
Klempnertechnik in der ökobilanziellen Betrachtung
Das Handwerk hat goldenen Boden – diesen Ausspruch kennen viele, häufig aus der Zeit als es um die Berufswahl ging. Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Gebäuden ist Klempnertechnik in einer optimalen Position den Weg des „Green Deal“ positiv zu begleiten. Die Ausführung von Bedachungen und Fassaden in Klempnertechnik erfüllen sehr viele der genannten Anforderungen. Stehfalzdeckungen aus Metall werden größtenteils nicht als Compositmaterial eingebaut – die einzelnen Schare können nach der Nutzungszeit von vielen Jahrzehnten mit wenig Aufwand einzeln zurückgebaut und im Recyclingprozess (Schmelzprozess) erneut einer gleichwertigen Nutzung zugeführt werden – Metalle werden gebraucht und nicht verbraucht – es muss nichts deponiert oder thermisch verwertet (verbrannt) werden.
Dächer und Fassaden in Stehfalztechnik können bei sich verändernden Ansprüchen an die Gebäudenutzung ohne großen Aufwand angepasst werden, wenn es darum geht zusätzliche Fenster, Dachgauben oder Dacheinbauten wie Aufzugschächte einzubauen. Im Falle eines Abrisses weisen Metalle zudem einen hohen und attraktiven Restwert auf, der bei bis zu 30 % des Neuwertes liegen kann. Bei der Beauftragung einer Dachdeckung steht dieser Restwert sicher noch nicht sofort im Interesse des Investors, bei einer veränderten Gebäudebewertung mit einem „Urban Mining Indikator“ (UMI) wie er derzeit in der Szene der Umweltbilanzierer von Gebäuden diskutiert wird, erhält dieser Aspekt eine andere Bedeutung. Kann das Stehfalzdach erneut genutzt werden oder als Recyclingrohstoff zur Verfügung stehen stellt es einen attraktiven Wirtschaftsfaktor dar. Bei der gesamtheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung kommt hinzu, dass neben der langen Nutzungsdauer von Metallbedachungen im Recyclingprozess häufig mehr als 90 % an CO2 eingespart werden können, da der ökologische Rucksack für die Aufbereitung von Erzen entfällt.
Im Falle einer Gebäudeaufstockung wäre es sogar möglich, Teile der alten Dachdeckung erneut zu nutzen. Hier muss sicherlich noch ein Umdenken in der Bevölkerung und auch im Handwerk erfolgen, da eine Nutzung von gebrauchten Produkten noch nicht hoch um Kurs steht. Im Zuge der aktuellen Debatte um Rohstoffknappheit und Kostensteigerungen wird sich diese Sicht jedoch zusehends ändern – im Bereich der Mode sind Vintage Trends bereits nicht mehr wegzudenken.
Zuversichtlich in die Zukunft
Der Beruf des Klempners / Spenglers ist somit nicht nur wegen der aktuellen Nachfrage an Gebäuden / Wohnraum und an Renovierungs- und Sanierungsaufträgen ein Zukunftsberuf. Die fachgerechte Verarbeitung von Metallen zu architektonisch ansprechenden und dauerhaften Dächern und Fassaden geht einher mit den Zukunftszielen unserer Gesellschaft, welche sich unter anderem im europäischen Green Deal widerspiegeln. Der Green Deal adressiert die Ziele für eine nachhaltige Zukunft für unsere Gesellschaft und das Berufsbild des Klempners / Spenglers bedient diese Anforderungen in besonderer Weise – man kann auch sagen, er war diesen Zielen bereits weit voraus. Allen BAUMETALL-Lesern sei daher dringend empfohlen, diese Argumente bei der Nachwuchswerbung sowie im Kundengespräch aktiv zu nutzen. Wir wünschen daher viel Spaß im selbstgewählten und zukunftsfähigen Beruf.
Dieser Artikel von Frank Neumann (initiative Zink) & Andreas Buck wurde zuerst veröffentlicht in Baumetall 08/2021.