Verena Oberrauch zur EU-Sanierungspflicht: "Wir sehen verpflichtende Maßnahmen positiv!"
Wie steht EuroWindoor zu den jüngst in Straßburg getroffenen Entscheidungen, die Gebäudeenergieeffizienz zu steigern?
Verena Oberrauch: EuroWindoor begrüßt Maßnahmen, die dazu beitragen, die Renovierungsrate in Europa zu erhöhen. Wir haben in der EU momentan eine Renovierungsrate von knapp über einem Prozent. Das bedeutet, ein Gebäude wird nur einmal in hundert Jahren saniert. Das ist viel zu wenig und bedeutet auch, dass der Gebäudebestand massiv veraltet ist.
Halten Sie die Idee der Sanierungsverpflichtung für die richtige Vorgehensweise?
Wir sehen die verpflichtenden Maßnahmen durchaus positiv, denn mit der Freiwilligkeit wurden bislang nicht genügend Impulse gesetzt. Der Grundsatz, dass Eigentum verpflichtet, sollte auch bei der Energieeffizienz von Gebäuden gelten. Beim Auto ist es normal, dass man in bestimmten Zeitabständen verpflichtende Kontrollen zur Betriebstauglichkeit und auch zur Abgaskonformität durchlaufen muss. Keiner würde es akzeptieren, dass wir mit alten Autos herumfahren, die die Umwelt übermäßig belasten. Warum gilt das dann nicht auch für Gebäude? Gebäude müssen sicher und auch konform sein mit den Klimazielen, die wir uns gesetzt haben. Der gesellschaftliche Konsens für Klimaschutz ist da, jetzt geht es darum, konkrete Maßnahmen zu entwickeln, wie wir diese gesteckten Ziele auch erreichen können – und der Gebäudesektor spielt hier eine wesentliche Rolle. Irgendwann muss man auch mal ins „Tun“ kommen und nicht nur immer über Ziele sprechen.
Es gibt aber doch Beispiele – wie in Ihrem Land Italien – wo mit staatlichen Maßnahmen auf Basis der Freiwilligkeit ein regelrechter Sanierungsboom ausgelöst wurde.
Das Modell hat einen sehr starken monetären Anreiz geschaffen und dadurch auch viel erreicht. Das sehen wir als EuroWindoor natürlich sehr positiv. Es hat viele Anpassungen erfahren, aber dennoch können sich Politiker aus anderen Ländern davon einiges abschauen: Gebäudebesitzer konnten die Renovierungskosten von ihrer Steuererklärung abziehen oder das Steuerguthaben an den Bauunternehmer weiterleiten und einen Rabatt auf ihre Rechnung erhalten. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, den Steuerkredit bzw. das Steuerguthaben an einen Finanzvermittler zu verkaufen, der dann die Zahlung für sie einzog. Mit der neuen Regierung ist es aber nur noch möglich, die Renovierungskosten selbst in der Steuererklärung geltend zu machen.
Politik und Medien stürzen sich aktuell auf das Thema Gebäudetechnik. Man kann den Eindruck gewinnen, dass moderne Heizanlagen wie die Wärmepumpe die Klimawende im Alleingang erledigen können, oder?
Wir als Dachverband sagen das, was eigentlich alle Bau-Fachleute sagen: Sanierung beginnt man mit der Gebäudehülle. Und dort mit dem am einfachsten zu sanierenden Bauteil. Fenster sind der logische erste Schritt, der Austausch ist vergleichsweise wenig aufwendig. Es ist auch möglich, den Fenstertausch minimalinvasiv zu vollziehen, die Belastungen für Bewohner sind dann besonders gering. Wir sollten Sanierungskosten auch mehr als Investition betrachten – schließlich können sich Effizienzmaßnahmen wie neue Fenster schnell amortisieren: Der Wert der Immobilie steigt deutlich und der Energiekonsum sinkt enorm. Ein Fenstertausch lohnt sich eigentlich immer, wenn alte Elemente noch aus den Jahren vor 1990 sind. Dazu kommt der Wohnkomfort, den neue Fenster mit sich bringen.
Der Vorstoß ist eine Gesetzesvorlage des EU-Parlamentes. Glauben Sie, dass die EU-Kommission diesen Vorstellungen folgen wird?
Jedes Land wird für sich entscheiden, wie man das Gesetz mit staatlichen Förderungen und Abfederungen für sozial schwächere Bevölkerungsschichten ausgestaltet. Das liegt in der Verantwortung der Länder.
Kennen Sie noch weitere Details vom Gesetzesvorschlag?
Es kommen im Gesetzesvorschlag weitere Kriterien wie die „Indoor Environmental Quality“ und Lebenszyklusbetrachtungen zur Geltung.
Gibt es Ihrerseits auch Kritik am Gesetzesvorschlag?
Was die Energiethematik betrifft, hätte sich EuroWindoor gewünscht, dass für Gebäude auch die solaren Zugewinne von Fenstern und Fassaden berücksichtigt werden. Es bleibt aber leider bei dem Ansatz, dass man mit viel Dämmstoff auch viel erreichen kann.
Woher sollen die ganzen Fenstermonteure kommen, die den Fenstertausch vornehmen sollen. Glauben Sie, das ist zu schaffen?
Immer wenn ein großer Strukturwandel ansteht, wird sich auch der Arbeitsmarkt danach richten – das betrifft aber nicht nur die Fensterbranche. Ich glaube ganz fest daran, dass die Not auch erfinderisch macht. Die Industrie liefert bereits erste Ansätze, wie man mit innovativen Montagemodulen die Ressource Arbeitskraft um den Faktor 4 effizienter nutzen kann. Das bedeutet: Mit einem anderen Montageprozedere können wir die Fenster in nur einem Viertel der Zeit ins Loch bringen.
Sie meinen damit die minimalinvasiven Montagepraktiken?
Genau. Es gibt da verschiedene Anbieter – auch wir als Finstral bieten ein solches Konzept an – die auf Methoden setzen, wo der alte Blendrahmen im Gebäude bleiben darf und das neue Fenster von Innen auf den alten Rahmen aufgeschoben wird. Das bringt den großen Vorteil, dass wir viel weniger Zeit auf der Baustelle benötigen und uns oftmals auch die Gerüstkosten sparen können. Solche Methoden und diese Art von Innovationen werden jetzt gebraucht und wir sollten uns davor nicht sperren. Die Baubranche ist traditionell und oft werden Dinge so getan, wie noch vor Jahrzehnten. Aber neue Ideen und sogar erprobte Konzepte gibt es längst. Wir müssen es nur umsetzen.
Herzlichen Dank und viele Grüße nach Südtirol.