Stiftungsdorf Ellener Hof: Ein Stadtteil (fast) ganz aus Holz
Wenn es ums Bauen und Sanieren geht, verfügt die Bremer Heimstiftung über eine denkbar breitgefächerte Expertise. Als Eigentümerin des fast 10 ha großen Areals in Osterholz vergibt die Stiftung Parzellen und Grundstücke vor Ort in Erbbaurecht. Erklärtes Ziel ist, mit unterschiedlichen Partnern gemeinsam ein lebenswertes, buntes Quartier zu entwickeln.
Das geltende Planungsrecht und ein spezifisches Gestaltungshandbuch bilden dabei den normativen Rahmen, an dem sich unter dem Stichwort Holzbau alle Mitwirkenden zu orientieren haben. Das heißt konkret: Mindestens 70 Prozent Holzanteil sind pro Gebäude Pflicht, mehr wird gern gesehen.
Kastanienhof zu 92 Prozent aus Holz
Alle 18 Wohneinheiten des betont modern gestalteten Holzneubaus wurden im Februar 2021 fertiggestellt und sind bereits bezogen worden. Bei den Mietparteien handelt es sich überwiegend um Seniorinnen und Senioren, darunter fünf Paare im Alter zwischen 70 und 80 Jahren, die hier den goldenen Herbst des Lebens selbstbestimmt in einem sozial und ökologisch intakten Wohnumfeld genießen.
„In unserem klar gegliederten Ensemble bestehen nur die Treppenläufe aus Stahlbeton; auch die Treppenhauswände sind ebenso wie alle anderen Gebäudeteile – die Außen- und Innenwände, die Geschoss- und Zimmerdecken, das Dachtragwerk, die Bekleidung der Fassade, ja sogar der Aufzugsschacht – als Holzkonstruktionen ausgeführt. Zusammengenommen beträgt der Naturbaustoff-Anteil 92 Prozent der im Kastanienhof verbauten Materialien!“, erläutert Architekt Martin Kahrs, der an dem als Effizienzhaus 40 klassifizierten Referenzobjekt auch als Miteigentümer Anteile besitzt. Errichtet hat das einladend wirkende Gebäude das Holzbauunternehmen ÖHS Ökologischer Holzbau Sellstedt aus Schiffdorf, das 81fünf- und somit auch DHV-Mitglied ist.
„Wir können das Wohnen im Holzhaus nur empfehlen. Wir brauchen hier viel weniger Heizenergie und Strom als in unserer alten Wohnung. Jetzt, Ende September, haben wir immer noch keine Heizung an, obwohl wir recht leicht frieren.“, bestätigen die Bewohner Inge und Herbert Thiel. Überzeugt, eine gute Wahl getroffen zu haben, ist auch Mieterin Lucia Hahn. Die Seniorin war vormals in einer Anwaltskanzlei im New Yorker Rockefeller Center beschäftigt und zählt mit ihren 89 Jahren zu den ältesten Semestern im Kastanienhof: „In Amerika haben mein leider verstorbener Mann und ich auch in einem Holzhaus gewohnt. Von daher weiß ich, wie gut sich das anfühlt. Mit meiner neuen Wohnung hier in Bremen bin ich gleichfalls sehr zufrieden.“
Freiraum zur persönlichen Entfaltung
Die Größe der durchweg barrierefreien Zwei- bzw. Drei-Zimmer-Wohnungen im Kastanienhof variiert zwischen 45 m² und 76 m². Drei Wohnungen erfüllen sogar die strengen R-Anforderungen; d.h., sie sind rollstuhlgerecht ausgeführt und verfügen über extrabreite Türen, mindestens 1,50 m x 1,50 m große, bodengleiche Duschen, zusätzliche Abstellflächen etc.
Insgesamt wurden in dem von Kahrs Architekten geplanten Holzbau auf 300 m² Grund und Boden des zulässigen Baufensters 1200 m² vermietbare Wohnfläche* neu geschaffen. Zu den Wohnungen im Erdgeschoss gehört jeweils eine großzügige Terrasse mit Gartenanteil. Auf eine durchgängige Umzäunung wurde bewusst verzichtet, um die Weitläufigkeit des parkähnlichen Geländes zu erhalten. Wo erforderlich, sorgen vereinzelte Hecken und Sträucher für selektiven Sichtschutz.
Eins mit der Natur
Der markant konturierte Holzbau wirkt auffallend dicht an die Baumkronen herangebaut. Dass der eigentlich vorgeschriebene Abstand zwischen Kronen und Dach bzw. Außenwänden nicht eingehalten werden musste, liegt an zwei unter Flur verlegten Hauptleitungen, die das gesamte Quartier mit Fernwärme versorgen.
Zu diesen beiden parallel verlaufenden Strängen musste das kompakt bemessene Baufenster einen Sicherheitsabstand aufweisen und rückte daher näher an den Baumbestand heran.
Riesige Balkone
Von außen betrachtet, fallen an den Obergeschossen weit auskragende Balkone auf, von denen jeder stolze 10 m² misst und weit mehr Entfaltungsfreiraum als gemeinhin üblich bietet. Darüber freut sich besonders Mieterin Angelika Sander: „Was hier ganz toll ist, sind die riesengroßen Balkone und dass das Haus wirklich altersgerecht gestaltet ist!“, merkt die 92-jährige Seniorin an.