WDVS: Die richtige Auswahl und Detailplanung
Für das Bauprodukt Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) existiert bisher weder eine harmonisierte europäische, noch eine deutsche Norm (Abb. 1). Daher handelt es sich bei einem WDVS um ein Bauprodukt, für das es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gibt.
Insofern kann auf europäischer Ebene eine europäisch technische Bewertung (ETA) nach den Zulassungsleitlinien „European Technical Approval Guideline for External Thermal Insulation Composite Systems with Rendering (ETAG 004)“ der European Organisation for Technical Assessment (EOTA) oder auf nationaler Ebene in Deutschland eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) gemäß den Zulassungsgrundsätzen des DIBt für WDVS erteilt werden. Damit das Bauprodukt WDVS „in Verkehr gebracht“ werden kann, muss der Systemhalter mindestens über eine der beiden Varianten verfügen.
Worin unterscheiden sich WDVS nach ETA und abZ?
Das Bauprodukt WDVS weist bezüglich der Zulassungsart prinzipiell kein Unterscheidungsmerkmal im Systemaufbau auf. Jedoch differieren die Zulassungen inhaltlich erheblich. Während die ETA nur einige wesentliche Grundmerkmale zu den Leistungen des Bauproduktes WDVS enthält, umfasst die abZ auch alle wesentlichen Informationen zur Planung, Anwendung und Bemessung eines WDVS im Sinne der Bauwerksanforderungen des deutschen Baurechts. Wurden bis dato ETAs für WDVS durch ein nationales Anwendungsdokument ergänzt, so ist diese Praxis heute nicht mehr möglich. Wichtig ist jedoch, dass bestehende ETAs für WDVS, welche über ein nationales Anwendungsdokument verfügen, in ihrer Gänze weiterhin gültig bleiben! Für WDVS mit ETA, welche nicht über ein nationales Anwendungsdokument verfügen, wurden anwendungsbezogene Anforderungen an das Bauteil Fassade, hier die Bauart WDVS, im Rahmen der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen definiert.
Das Bauprodukt WDVS – was ist das und was gehört dazu?
Häufig vergessen wird, dass es sich bei einem WDVS um ein Bauprodukt handelt, das sich aus einzelnen Komponenten zusammensetzt. Diese Komponenten stellen im Sinne der Bauproduktenverordnung keine eigenständigen Bauprodukte dar, sondern sind durch die gemeinsame Ausweisung von Leistungsmerkmalen zu einem Bauprodukt, dem WDVS, verschmolzen. Die Juristen sprechen dabei häufig von „Auflassung“ des ursprünglichen Bauproduktes hin zur Komponente eines neuen Bauproduktes.
Das Bauprodukt selbst wird dabei von dem Systemhalter definiert. Es besteht immer aus den für die Gesamtfunktion und Leistung wesentlichen Bestandteilen sowie den ergänzenden Komponenten, die nötig sind, damit das Ganze als System funktioniert. Der Systemhalter des WDVS muss somit neben dem Klebe- und Armierungsmörtel, dem Dämmstoff, dem Armierungsgewebe, dem Gewebeeckwinkel und den mechanischen Befestigungsmitteln wie Dübel oder Schienen (sofern vorgesehen und erforderlich) auch die Zubehörteile, wie zum Beispiel Sockel-, Abschluss- und Anputzleisten, Fugendichtbänder usw. definieren.
Was ist bei der WDVS-Auswahl zu beachten?
Bei der Auswahl des WDVS ist darauf zu achten, dass – je nachdem, ob eine ETA nach ETAG 004, eine ETA mit ergänzendem Anwendungsdokument oder eine abZ vorliegt – das favorisierte System den Anforderungen der jeweils gültigen Landesbauordnung sowie dem Anhang 11 der MVV TB genügt. Dabei kann es durchaus sein, dass ein WDVS nur ein sehr begrenztes Anwendungsspektrum aufweist. Dies betrifft vor allem jene WDVS, die unter die Regelungen des Anhangs 11 der MVV TB fallen (WDVS mit ETA nach ETAG 004). Im Zweifel sollte unbedingt die Beratung des für das WDVS zuständigen Systemhalters in Anspruch genommen werden.
Die richtige Detailausbildung
Zum „Leidwesen“ der Baubeteiligten bestehen Fassaden nicht nur aus ungestörten Wandflächen, sondern enthalten auch Fenster, Türen, Balkone in verschiedensten Varianten. Hinzu kommen noch die umfangreichen Gestaltungsmöglichkeiten der Oberflächen durch Farben, Strukturen, Ornamente usw. In Summe eine Vielfalt an Oberflächen und Detailkonstellationen, die ein gewisses Risiko an Fehlerquellen bei der Ausführung bergen, wenn keine Ausführungsplanung vorliegt.
In der Praxis läuft es jedoch häufig so, dass die Planung parallel bzw. zeitgleich zur Ausführung stattfindet, als sogenannte „Baustellenlösung“. Das kann gut gehen, muss aber nicht – und im letzteren Fall, der gar nicht so selten ist, enden das Bauvorhaben und die Zusammenarbeit mit Frust, Ärger und Streit. Wie geht es nun aber besser, und wie lässt sich die Detailplanung mit den beiden neuralgischen Punkten Sockel/Geländeübergang und Bauteilöffnungen mangelfrei und zuverlässig lösen?
Der Sockel – feuchtebelastete Schnittstelle
Im Sockelbereich treffen die Gewerke des Rohbaus, der Landschaftsbau und das Stuckateur- oder Malerhandwerk zusammen (Abb. 2). Eine knifflige Schnittstelle also, die zudem sehr stark feuchtebelastet ist und insofern besonders geschützt werden muss. Hinzu kommen mögliche Beschädigungen von außen durch Dritte (Rempeleien, Stöße, Schrammen), was einen speziellen und stabilisierenden Schutz gegen solche Einflüsse erforderlich machen kann.
In der Spritzwasserzone ist ein geeigneter Dämmstoff gefordert. Üblicherweise sind dies spezielle, dafür zugelassene Sockel- und Perimeter-Dämmplatten aus XPS oder EPS-Hartschaum. Um das WDVS in der Zone der Erdeinbindung bis 5cm über Geländeoberkante vor Feuchtigkeit zu schützen, ist die Putzoberfläche mit einem geeigneten Feuchteschutz zu versehen. Dieser ersetzt in keinem Fall die erforderliche Bauwerksabdichtung.
Darüber hinaus wird empfohlen, die Dämmplatten unten schräg abzuschließen und ebenfalls vollständig mit dem Feuchteschutz zu versehen. Etabliert hat sich hierfür eine mineralische flexible Dichtungsschlämme. Um das Risiko von Beschädigungen durch Dritte im Sicht- bzw. Verkehrsbereich besonders gefährdeter Flächen der Sockelzone zu minimieren, können zum Beispiel spezielle Wandschutzplatten oder eine zusätzliche Armierungslage mit Panzergewebe verwendet werden.
Das Fenster – eine Herausforderung rundum
Bei diesem Detail ist ein schlagregendichter Übergang zwischen WDVS und Fensterkonstruktion oberstes Ziel. Dies lässt sich mit Anputzleisten und Dichtbändern erreichen, die auf die Fenster- und Türgrößen sowie die Einbausituation abgestimmt sind (Abb. 3). Besonders vorteilhaft sind Anputzleisten, die mit einer Gewebefahne vorkonfektioniert sind. Diese Produkte garantieren einen ausreichenden Bewegungsspielraum und gewährleisten einen schlagregendichten Anschluss des WDVS an das Fensterelement.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die sogenannte Gewerkelücke (Abb. 4): Dies ist die Innenecke zwischen Fensterbank, Rollladenführungsschiene und Fenster. Hier treffen viele Gewerke an einer äußerst komplexen Schnittstelle zusammen. Aufgrund der Vielfalt an Fensterkonstruktionen, Verschattungs- und Gestaltungsmöglichkeiten scheint die Varianz der Lösungsansätze an diesem Punkt schier unbegrenzt.
Hier ist eine detaillierte Planung unerlässlich und das A und O, um spätere Probleme zu vermeiden. Wie bei der richtigen Systemauswahl sollte auch hier bei Unsicherheiten die qualifizierte Beratung der Systemanbieter in Anspruch genommen werden.
Der Jalousiekasten – verstecktes Detail
Anders als bei Rollläden, welche in der Regel in der Ebene der Wandbildner eingebaut werden, befinden sich die Jalousiekästen in der Dämmebene. Somit liegen hier Bauteilübergänge vor, die sich sehr unterschiedlich verhalten und entsprechende Bewegungsspielräume benötigen. Das daran anschließende WDVS muss dabei den Übergang vom Jalousiekasten zum Mauerwerk so überbrücken, dass die unterschiedlichen Bewegungen das System nicht beschädigen, also zu Abplatzungen oder Rissbildungen führen. Dies lässt sich nur mit einer ausreichenden Überdeckung des Jalousiekastens mit Dämmstoff gewährleisten, die mindestens 40mm betragen sollte. Bei der Ausführung ist zu beachten, dass die Dämmplatte am Jalousiekasten einen Stufenschnitt aufweisen muss, um einen Übergang zur WDVS-Dämmplattenebene ausbilden zu können.
Ist eine Mindestüberdeckung von 40mm nicht machbar, weil die Dämmstoffdicke insgesamt dafür nicht ausreicht, muss der Übergang mit speziellen Putzträgerplatten überdeckt werden, die das WDVS stabilisieren (Abb. 5). Diese werden ebenfalls in die WDVS-Dämmplattenebene eingearbeitet.
Die beste Lösung ist eine frühzeitige Planung, die alle Fassadendetails klärt und somit auch herausarbeitet, wie die Fensteranschlüsse aussehen sollen und was für eine Verschattung geplant ist. Das würde es erlauben, vorgefertigte Einbaukästen für WDVS aus den entsprechenden Dämmstoffen bei den Systemanbietern zu beziehen. Diese vereinfachen die Detailausbildung und Montage erheblich.
Dieser Beitrag von Kay Beyen ist zuerst erschienen in GEB 01-2019. Kay Beyen ist gelernter Maurer und Stuckateurmeister. Er leitet bei der Kingspan Insulation GmbH die Bereiche politische Kommunikation und Public Affairs. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk.
Teil 2 - Anschlussdetails von WDVS in der Praxis
Die Thematik der Anschlusssituationen von WDVS wirft immer wieder Fragen auf. Im zweiten Teil dieser Serie behandelt Kay Beyen die Details an Fenster und Attika sowie die Vorteile schlanker Systeme mit Hochleistungsdämmstoffen. Der Beitrag erscheint am 07. Mai 2020 auf haustec.de.