PV-Anlagen: Solarwirtschaft begrüßt geplanten Bürokratieabbau
Das am 16. August 2023 im Bundeskabinett beschlossene Solarpaket I löst Wachstumsbremsen bei der Solarstromnutzung und stellt Weichen für einen anhaltenden Solarboom, so die Einschätzung der Solarwirtschaft. Ihr Bundesverband BSW setzt darauf, dass sich der Bundestag im Herbst auf den Abbau weiterer Marktbarrieren verständigen wird.
Im ersten Halbjahr 2023 wurden nach Daten der Bundesnetzagentur 64 Prozent mehr Photovoltaikleistung installiert als im Vorjahreszeitraum. Besonders stark boomt die Nachfrage nach Solarstromanlagen derzeit bei Eigenheim-Solardächern (+135 Prozent) und bei Steckersolargeräten (+990 Prozent). Besonders großen Nachholbedarf sieht der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) bei der Solarisierung von Firmendächern und beim Ausbau von Solarparks. Zur Zielerreichung müsse sich das Wachstumstempo in den kommenden drei Jahren hier in etwa verdreifachen.
Der BSW begrüßt daher, dass mit dem Gesetzespaket ein ganzes Bündel an Marktbarrieren abgeräumt werden könne. Dies würde künftig den Zugang zu Stromnetzen, geeigneten Solarpark-Standorten und zur staatlich gewährten Solarförderung erleichtern und Planungsprozesse beschleunigen. Durch eine frühzeitigen Praxischeck und die Einbindung aller Interessengruppen seien von der Ampel-Koalition in den letzten Monaten zahlreiche Solartechnik-Investitionsbremsen identifiziert worden. Diese sollen mit dem Solarpaket I nun gelöst werden. „Der Zugang zu preiswertem Solarstrom wird für private oder gewerbliche Verbraucher:innen jetzt noch leichter. Das gilt für Gebäudeeigentümer:innen und Mieter:innen gleichermaßen“, freut sich BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Die Hälfte der Photovoltaikleistung soll künftig nach dem Willen der Bundesregierung auf Freifläche errichtet werden. Wegweisend sei vor diesem Hintergrund der zwischen den Bundesministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft und Umwelt in der Ressortabstimmung zum Solarpaket I in den letzten Wochen erzielten Kompromiss zur künftigen Flächennutzung. Körnig: „Solarparks können künftig leichter in benachteiligten Gebieten errichtet werden. Wer Flächen z.B. agrar- und landwirtschaftlich besonders effizient doppelt nutzt, erhält Vorfahrt bei den Auktionszuschlägen.“
Nach BSW-Einschätzung werde der geplante Bürokratieabbau dazu beitragen, dass die Nachfrage nach Solartechnik in Deutschland in den kommenden Jahren wachsen könne. Dies werde dem Klimaschutz in Deutschland einen wichtigen Schub verpassen.
Nachbesserungen am vorliegenden Gesetzesentwurf durch den Bundestag erhofft sich der BSW bei der Höhe gewährter Marktprämien für neue Gewerbedächer. Kostensteigerungen infolge stark gestiegener Zinsen würden viele Unternehmen derzeit noch von PV-Investitionen abhalten. Auch die Speichernutzung und der Einsatz von Solarkomponenten aus europäischer Fertigung müsse erleichtert werden, um die Resilienz der künftigen Energieversorgung zu erhöhen.
Solarpaket I – Geplante Erleichterungen (Auswahl)
Positive Impulse für die Energiewende seien nach Einschätzung des Branchenverbandes u.a. durch folgende Vorhaben in Verbindung mit dem Solarpaket zu erwarten:
Mieter:innen können durch „Gemeinsame Gebäudeversorgung“ und „Steckersolargeräte“ künftig stärker von preiswertem Solarstrom profitieren
Die Weitergabe von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes an mehrere Stromverbraucher soll im Rahmen einer „Gemeinsamen Gebäudeversorgung“ attraktiver werden. Dabei werden PV- Anlagenbetreiber nicht mehr zum Energieversorger, sondern können den Solarstrom künftig barrierearm an Mieter und Mitbewohner veräußern, soweit er gerade verfügbar ist. Den zusätzlich benötigen Strom können die Verbraucher von einem selbst gewählten Versorger beziehen. Mit der Gemeinsamen Gebäudeversorgung werde es künftig leichter, die Potenziale für Prosuming und Sektorenkopplung u.a. in den rund sechs Millionen Mehrfamilienhäusern mit zwei bis sechs Wohneinheiten umzusetzen, ohne umständliche Stromversorgerbürokratie und ohne die Installation teurer Messtechnik.
Zumindest zahlenmäßig ebenfalls wachsen dürfte das Potenzial von „Steckersolaranlagen“ bzw. sogenannten „Balkonkraftwerken“ durch das Solarpaket I. Der Gesetzentwurf definiert Steckersolargeräte als eigenen Anwendungsfall für Photovoltaik, grenzt diese in Mieterhaushalten und bei Wohnungseigentümern immer beliebteren solaren Kleinerzeuger von der Installation größerer Solarsysteme rechtlich ab und vereinfacht ihre Nutzung und Anmeldung. Künftig soll man das „Balkonkraftwerk“ nur noch in einer Datenbank eintragen müssen. Alte nicht-digitale Stromzähler dürfen übergangsweise weiterverwendet werden, die sich dann einfach rückwärts drehen, wenn Strom vom Balkon ins Netz eingespeist wird. Bisher darf jeder mit einer kleinen Solaranlage 600 Watt Strom produzieren - diese Grenze soll angehoben werden auf bis zu maximal 800 Watt.
Verbesserte Förderung für tausende „Solarstadl“
Gefolgt ist die Ampel-Koalition der Branchenempfehlung, die Solarstadl-Regelung derart zu aktualisieren, dass Landwirte, die seit dem Jahr 2012 im Außenbereich errichteten Gebäude mit Photovoltaikanlagen zu verbesserten Förderkonditionen nachrüsten können.
Vereinfachungen beim Repowering und bei der Direktvermarktung
Neben weiteren Verbesserungen für solare Mieterstrommodelle sieht das Solarpaket Vereinfachungen beim Repowering von Solardächern und bei der Direktvermarktung von Solarstrom vor. Letztere bleiben allerdings hinter den Branchenerwartungen zurück.
Mehr Raum für Solarparks – Förder-Vorrang für „Agri-PV“
Die derzeit im EEG verankerte starke Limitierung förderfähiger Solarpark-Standorte behindert zunehmend die Errichtung von Solarstromanlagen auf Freiflächen (PV-FFA). Dem will die Ampel-Koalition auf Anregung des BSW nun dadurch begegnen, dass landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten leichter genutzt werden können.
Grundsätzlich sollen diese künftig für PV-Freiflächenanlagen geöffnet werden. Bundesländer können die Nutzung per Verordnung mittels einer „Opt-Out-Regelung“ nur noch zu einem bestimmten Grad einschränken, der die Zielerreichung beim PV-Ausbau nicht gefährdet. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Solarstromerzeugung wird auf ein Maximum von 80 Gigawatt bis 2030 beschränkt (entspricht rd. 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland).
Um die Effizienz bei der Flächeninanspruchnahme weiter zu erhöhen, wird ein eigenes Auktionssegment mit einem eigenen Höchstwert für besondere Solaranlagen (Agri, Floating, Moor, Parkplatz) in den Ausschreibungen für PV-FFA eingeführt. Konstruktionsbedingte Mehrkosten dieser PV-Systeme können so künftig abgebildet werden, was bislang nur sehr eingeschränkt der Fall war.
Netzanschluss wird für PV-Systeme einfacher
Der Anschluss an das Stromnetz führt bislang regelmäßig zu Verzögerungen bei der Realisierung von Solaranlagen im Eigenheim-, Gewerbe und auch im PV-Kraftwerkssegment. Hier wird die Bundesregierung hier nun zumindest teilweise Abhilfe schaffen. Die bereits im EEG 2023 eingeführte Regelung eines vereinfachten Netzanschlusses für PV-Anlagen bis zu einer Leistung von 10,8 kWp soll auf PV-Anlagen bis 30 kWp ausgeweitet werden. Falls sich der Netzbetreiber innerhalb von vier Wochen nicht zum Netzanschlussbegehren äußert, können die Anlagen damit in der Regel ans Netz angeschlossen werden.
Die bislang unverhältnismäßig strengen Regelungen beim Netzzugang gewerblicher PV-Systeme sollen darüber hinaus in mittleren Leistungsklassen vereinfacht werden (u.a. Erhöhung des Schwellenwertes zur Anlagenzertifizierung).
Zur Verlegung von Netzanschlusskabeln zwischen PV-Freiflächenanlagen und Netzanschlusspunkt soll gegen Entschädigungszahlung an den Grundstückseigentümer künftig ein Wegenutzungsrecht eingeräumt werden, wie es bereits im Bereich der Telekommunikation oder beim Bau von Hochspannungsleitungen existiert.