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Koalitionsvertrag: Ist Heizen mit Erdgas bald passé?

Dittmar Koop
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Die Parteien der Ampel-Koalition haben am Nikolaustag 2021 ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. Vieles in dem 177 Seiten umfassenden Werk ist naturgemäß als Absichtserklärung geschrieben und folglich zahlentechnisch oft noch vage. Man wird zudem auch abwarten müssen, wie und wie konkret sich Koalitionsvereinbarungen in der Regierungspraxis (Ressortabstimmung) und im Spannungsfeld mit Bundestag und Bundesrat dann schließlich umgesetzt werden. Viele Punkte im Koalitionsvertrag lassen aber aufhorchen und manche sind doch so konkret, dass man schon jetzt über sie reden kann – über z.B. zwei, die für den Wohnsektor von großer Tragweite sein könnten: die 65-%-Quote und das Projekt Teilwarmmiete.

 

Ist Heizen mit Erdgas bald passé?

Der Vertrag sieht unter dem Thema „Klimaschutz im Gebäudebereich“ vor, dass mit der von der neuen Koalition beabsichtigten Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 % erneuerbarer Energien betrieben werden muss. Wenn man dieses Ziel einmal in die Praxis übersetzt, dann dürfte es schon in drei Jahren schwierig werden, Heizen mit Erdgas gegenüber Kunden noch als Modernisierungsoption darzustellen, die wirtschaftlich ist.

Das wäre in der Tat ein Novum, da ja bislang gesellschaftlicher Konsens zum Thema fossile Brennstoffe lediglich ist, das Heizen mit Heizöl auslaufen zu lassen. Ein generelles Verbot gibt es hier ja ab 2026 zwar nicht, wie oft behauptet. Ein solches bezieht sich nur auf den alleinigen Austausch bzw. Einbau, wenn dieser nicht mit erneuerbaren Energien kombiniert wird und das wurde bereits von der Vorgängerregierung festgelegt. Das aktuelle GEG formuliert in § 72 das Verbot des Einbaus von Ölheizungen ab 1.1.2026, wenn diese nicht mit erneuerbaren Energien kombiniert werden. Verboten sind neue Monoanlagen, doch falls Heizöl noch gewünscht wird, dann nur als Hybrid.

Tatsächlich könnten selbst Erdgasfeuerungen in drei Jahren vor einer Erklärungsprobe stehen, wenn die Koalitionsvereinbarung zum Anteil Erneuerbarer bei der Wärmeversorgung so umgesetzt werden, wie angekündigt.

Zudem wird der Einbau von Heizölfeuerungen nicht gefördert, ihr Ausbau aber schon. Die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) belohnt Gebäudebesitzer, wenn sie bspw. eine alte Heizölfeuerung durch eine Holzpellets-Feuerung ersetzen, mit einem dann erhöhten Förderanteil. Eine solche Regelung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, dürfte den Einbau von Heizöl-Feuerungen weiter erschweren.

Renewable ready wird nicht reichen

Die BEG sieht bislang aber auch vor, den Einbau von Gas-Brennwert-Geräten weiter zu fördern, wenn sie „renewable ready“ sind, sie also entweder gleich beim Einbau mit einer Erneuerbaren-Energien-Quelle kombiniert werden (z. B. mit dem Klassiker Solarthermie) oder innerhalb einer bestimmten Frist damit nachgerüstet werden. Die jetzt von der Ampel-Koalition geplante 65-%-Quote dürfte in der Praxis über Erdgas-Solarthermie-Kombinationen, wie sie üblich sind, kaum erzielbar sein, ggf. zu bestimmten Zeitpunkten vielleicht, z. B. im Sommer, aber nicht im Jahresmittel.

Je nach Definition und Dehnbarkeit, was 65-%-Quote konkret bedeuten wird, wird die BEG-Förderung unter diesen Umständen auch auf den Prüfstand kommen, um nicht Kombinationen zu fördern, die die Vorgaben des novellierten GEG nicht erfüllen können. Hier wird es noch interessante Diskussionen geben.

Was die Teilwarmmiete bringen soll

Eine zweite interessante Baustelle, die der neue Koalitionsvertrag im Wohnsektor aufmacht, ist das Thema Teilwarmmiete. Ihre Einführung könnte tatsächlich dazu beitragen, dass das Problem steigender Heizkosten, schlecht gedämmter Mietwohnungen, alter fossiler Feuerungen, die nicht ersetzt werden, kaum ein Hang von vielen Vermietern, in die Energiewende zu investieren, irgendwann überwunden werden kann – weil nicht mehr die Mieter allein die Heizkosten bezahlen müssen wie im gängigen Modell Kaltmiete.

Wenn Vermieter an den Kosten beteiligt würden, das ist der Grundgedanke von Teilwarmmiete, würde dies Anreize schaffen, in Maßnahmen zu investieren, die den gebäudebedingten Heizbedarf senkten. Außerdem in Heiztechniken, von denen auszugehen ist, dass über sie die Heizkosten nicht weiter so stark steigen, wie das bei den fossilen Brennstoffen derzeit der Fall ist und in Zukunft auch weiter sein wird. Dafür gibt es zumindest einen sicheren ‚Garanten‘, in Form der bereits von der alten Koalition eingeführte CO2-Steuer.

Mieter leiden unter der Energiewende

Die CO2-Bepreisung startete in diesem Jahr 2021 mit 25 €/t. Mit jährlichen Steigerungen soll sie 2025 bei 55 €/t liegen; 2026 dann je nach Nachfrage zwischen 55 und 65 €/t. Zum Vergleich: In Schweden gibt es bereits seit 1991 eine CO2-Steuer. Mittlerweile zahlen dort Verbraucher und Unternehmen rund 115 €/t CO2.

Doch auch ein niedriger Einstiegspreis schlägt bei den Heizkosten zu Buche. Wie sich das konkret auswirkt, zeigt bspw. die Studie des Forum Ökologische-Soziale Marktwirtschaft. Bei einem CO2-Aufschlag von 35 €/t käme es zu einem erhöhten Steuersatz von 1,25 ct/kWh bei Erdgas und 1,55 ct/kWh bei Heizöl. Bei einem CO2-Aufschlag von 80 €/t steigen die Steuersätze auf 2,16 ct/kWh bei Erdgas und 2,74 ct/kWh bei Heizöl.

Die Benachteiligten der Energiewende sind bislang die Mieter in Deutschland. Das könnte sich über die von der Ampel angekündigte Teilwarmmiete und einer damit verbundenen neuen CO2-Preisumlage grundlegend ändern.

Die Einführung einer CO2-Bepreisung dürfte eine Signalwirkung haben. Im Neubau wie im Bestand steigt das Interesse an Systemen, die den Anteil erneuerbarer Energien in der häuslichen Wärmeversorgung erhöhen oder den Einsatz fossiler Brennstoffe sogar ausschließen.

Doch das Problem ist, dass dies unter den gegebenen Umständen des Kaltmietensystems an den Mietern vorbeigehen wird – allerdings nicht in Form von Kosten. Laut statista.de wohnen 58 % der Deutschen zur Miete. Die Energiewende ging an den Mietern bislang regelrecht vorbei bzw. leiden sie sogar unter der Energiewende über höhere Energiekosten, weil diese auf sie gänzlich von Vermieterseite derzeit abgewälzt werden (z. B. über die CO2-Besteuerung fossiler Brennstoffe) und sie diesen nichts entgegensetzen können. Die CO2-Steuer wirkt also wie ein Katalysator, ein schon langes drängendes Problem der Ungleichverteilung nun beschleunigt anzugehen, weil sie unter den derzeitigen Bedingungen am Wohnungsmarkt soziale Ungleichheiten und Mieterarmut verstärkt. Das kann auch nicht im Sinne der Energiewende sein.

Klare Ansage der Ampel

„Wir wollen eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits erreichen“, so haben es die neuen Koalitionäre in ihren Vertrag geschrieben. Man werde zum 1. Juni 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen einführen, das die Umlage des CO2-Preises nach dem BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz, die Grundlage für nationale CO2-Bepreisung, Anm. d. Red.) regelt. Danach folgt eine klare Aussage: „Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.“

Fazit: Es wird viel zu tun geben

Wenn die Ampel dazu anreizt, auch die bislang vernachlässigten 58 % der Deutschen zu erreichen, indem Vermieter sich für Veränderungen erwärmen lassen (müssen), dann kommen auch auf Handwerk und Planer weiter interessante Zeiten zu. Das Gleiche gilt für die Zukunft des Einsatzes von Feuerungen, die auf fossilen Brennstoffen basieren. Der Koalitionsvertrag ist überschrieben mit „Mehr Fortschritt wagen“. Vieles ist darin naturgemäß noch relativ unkonkret. Aber es ist zu erwarten, dass sich in den nächsten vier Jahren konkret viel tun wird.

Link zum Koalitionsvertrag der Ampel: Koalitionsvertrag

Zusammenfassende Infos zu den Inhalten des neuen Koalitionsvertrags finden Sie bei uns in einem weiteren Beitrag außerdem hier.

In einem weiteren Beitrag werden wir in Kürze anhand einer Studie des Öko-Instituts, die im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) und des Bundesumweltministeriums (BMU) erstellt wurde, das Thema Teilwarmmieten noch vertiefen

Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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