Infrarot für die Spitzenlast: Intelligente Kombination von Wärmepumpe, Infrarotheizung und PV
Wer im Internet über das Stichwort Infrarotheizung (IR-Heizung) nach seriösen Informationen sucht, wird mit der gesamten Bandbreite von Top bis Flop, von gewaltig nachhaltig bis zur flüchtigen Modeerscheinung konfrontiert. Die Stiftung Warentest sieht Infrarotheizungen bislang eher skeptisch und betrachtet sie als „Notlösung ohne Sparpotenzial“. Fachverbände wie der VDE warnen sogar vor Stromausfällen, ausgelöst durch zu viele direktelektrische Heizungen, zu denen auch IR-Heizungen zählen.
Vor- und Nachteile der Infrarotheizung
Auch der Autor dieses Artikels war durchaus skeptisch gegenüber Elektroheizungen jeglicher Art, bis er sich das Programm der Konferenz „Infrarotheizung im Wohnungsbau“, veranstaltet von der IG Infrarot Deutschland, genauer ansah. Zwei Referenten gaben dann den Ausschlag, die Veranstaltung zumindest als interessant einzuschätzen: Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung (IGT) Dresden und Prof. Dr.-Ing. Joachim Seifert, Bereichsleiter Gebäudeenergietechnik am Institut für Energietechnik der Technischen Universität Dresden.
Es spricht für die Glaubwürdigkeit des Veranstalters, die Konferenz mit der eher nüchternen Einschätzung der künftigen Rolle von Infrarotheizungen am Wärmemarkt durch Prof. Oschatz als Einführungsvortrag zu eröffnen. Vor dem Hintergrund des geplanten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit der zentralen Vorgabe des Betriebs künftiger Heizungen mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien stellte er die Vor- und Nachteile der Infrarotheizung einander gegenüber. Für eine wichtigere Rolle der Infrarotheizung (Bild A) sprechen seiner Ansicht nach folgende Fakten:
- klimapolitisches „Aus“ für fossile Wärme
- niedrige Investitionskosten bei gleichzeitig geringem Installationsaufwand
- kaum Wartungsaufwand, lange Lebensdauer
- geringe graue Energie für die Herstellung von Infrarotpaneelen
- steigender Anteil erneuerbarer Energien im Strommix
- sinkende Kosten für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) und Stromspeicher
- besserer baulicher Wärmeschutz
- Perspektive auf sinkende Stromkosten durch den steigenden Anteil an erneuerbaren Energien (Anmerkung: Jeremy Rifkin, US-amerikanischer Ökonom und Buchautor, prognostizierte bereits 2014 die „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ mit Strom zum Nulltarif etwa ab dem Jahr 2040)
- Erfüllung der 65 %-EE-Vorgabe möglich, allerdings verbunden mit hohen Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz
Gegen eine schnelle Einführung von Infrarotheizungen sprechen aus Sicht von Prof. Oschatz:
- die aktuell hohen Energiekosten und das Energiekostengefüge
- das Image von Stromdirektheizungen (Anmerkung des Autors: Auch unter den Herstellern von IR-Heizungen gibt es schwarze Schafe)
- typisches Lastprofil von PV-Anlagen (Leistungstal im Winter bei gleichzeitig hoher Wärmeanforderung)
- fehlende belastbare Bewertung von IR-Heizungen (Anmerkung: Normung, Verbrauchskennzeichnung, Strahlungsanteil, neutrale Tests)
- starker Wettbewerb zu staatlich geförderten Wärmenetzen und Wärmepumpen
- stärker auf Primärenergie und Treibhausgasemissionen fokussierte Neubauanforderungen im GEG 2023, d. h. womöglich geringere Anforderungen an die Dämmung.
Bei der Diskussion, die sich dem Vortrag anschloss, stellte sich heraus, dass der Anteil reiner (direktelektrischer) Elektroheizungen im Neubaubereich derzeit bei unter 2 % und bei Bestandsgebäuden unter 1 % liegt (ohne Nachtspeicherheizungen). Für eine wissenschaftlich fundierte Aussage, sprich für eine offizielle Empfehlung dürfte diese Anzahl zu gering sein. Mehr noch: Reine Elektrodirektheizungen lohnen sich erst ab dem (ehemaligen) Effizienzstandard KfW 40 plus und niedriger, so der Tenor der Diskussion.
Schrittweise Umrüstung auf eine Wärmepumpe
Rein technisch gesehen ist ein hybrides Heizsystem, bestehend aus einer bereits vorhandenen wasserführenden Heizung und einer nachgerüsteten Infrarotheizung eine klare technische Option, um ein Bestandsgebäude schrittweise von einer Gas- oder Ölheizung auf eine hydraulische Heizungs-Wärmepumpe umzurüsten. Unter rein technischem Aspekt sei mit dieser Vorgehensweise eine nachträgliche Dämmung des Gebäudes nicht notwendig.
Das Ergebnis der Studie „Potenzialbewertung von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung“ der Technischen Universität Dresden, präsentiert von Prof. Joachim Seifert, gilt in der IR-Branche deshalb als wichtiger Meilenstein, um die technische Machbarkeit einer leistungsminimierten Niedertemperatur-Warmwasserheizung mittels Wärmepumpe und bedarfsgeführter IR-Paneele nachzuweisen. Seifert betonte dabei mehrfach, dass wirtschaftliche Kriterien bei seiner Bewertung keine Rolle spielten.
In einer Pressenotiz der IG Infrarot wird am Beispiel des der Studie zugrunde gelegten Modellgebäudes (Einfamilienhaus, 160 m2 Wohnfläche, WSVO 95, 9,2 kW Heizlast, 57,20 W/m2) die Migration einer klassischen, fossil gefeuerten Heizung zu einer hybriden, infrarotunterstützten Wärmepumpenheizung wie folgt beschrieben:
„Zunächst wird das Gebäude mit der Gasheizung grundtemperiert. Ausgehend von dem Heizsystem mit 70 °C Vorlauftemperatur und 55 °C Rücklauftemperatur (ϑV/ϑR = 70/55 °C) wurde die Maximaltemperatur der Heizkurve auf eine Vorlauftemperatur (ϑV) von 40 °C abgesenkt und eine Heizkurve von ϑV/ϑR = 40/30 °C eingestellt. In sieben von zehn Räumen werden die nun ungeregelten Heizkörper fortan durch Infrarotheizungen unterstützt. Im nächsten Schritt wurde der Niedertemperaturheizkessel durch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe ersetzt.
An der Dimensionierung des Wärmeübergabesystems, also der Heizkörper, sowie am Dämmstandard nahmen die Wissenschaftler keine Änderungen vor. Auf dieser Basis wurden anschließend die Varianten verglichen und der benötigte Endenergiebedarf ermittelt. Voraussetzung zu jeder Zeit war, dass Kriterien für die thermische Behaglichkeit während der Nutzungszeiten eingehalten werden. Mit den gewählten Parametern deckt die Infrarotheizung den Nutzenergieaufwand anteilig in einem Bereich von 26 bis 38 %.
‚Die Ergebnisse zeigen, dass das entstehende Leistungsdefizit durch die Infrarotheizung kompensiert werden kann‘, schreiben die Wissenschaftler der TU Dresden im Fazit der Studie und weiter: ‚Insgesamt zeigt die Studie, dass durch die Ergänzung eines wasserbasierten Heizsystems mit einer Infrarotheizung ein vorhandenes, für höhere Temperaturen ausgelegtes Heizsystem ohne Austausch der Heizflächen mit niedrigen Systemtemperaturen verwendet werden kann und sich somit gut für eine Kombination mit einer Wärmepumpe eignet. Die Analysen haben gezeigt, dass im Vergleich zur Basisvariante die Endenergie um bis zu 62 % durch diesen kombinierten Einsatz reduziert werden kann.‘ Zwar könne die Deckung der Spitzenlasten bei abgesenkter Grundtemperatur mit unterschiedlichen Systemen erfolgen. ‚Die Infrarotheizung eignet sich durch die kurzen Reaktionszeiten hierfür jedoch besonders gut.‘“ (Zitat-Ende der Pressenotiz)
Vorteil der Kombination aus Wärmepumpe für die Temperaturhaltung, beispielsweise 15 °C Raumtemperatur, und IR-Heizpaneelen für den Komfortbetrieb sei einerseits der Wegfall von Aufheizzeiten durch die schnell reagierenden bedarfsgeregelten IR-Paneele. Andererseits ermögliche der abgesenkte Wärmepumpenbetrieb bei günstigen Betriebsbedingungen sowie bei optimaler Auslegung lange Laufzeiten (Bild B).
In der Diskussion im Anschluss an den Vortrag zeigte sich, dass sich so ein System am ehesten für die energetische Sanierung im Geschosswohnbau eignet, da die Hausbesitzer durch die geringeren Investitionen entlastet werden. Seitens des IG-Infrarot-Verbandes kam der Vorschlag, die eingesparten Investitionskosten für eine größere Photovoltaikanlage zu nutzen.
60 bis 70 % Energieautarkie in Wohngebäuden
Hochtechnisierte Wohnhäuser sind aufgrund der steigenden Kosten für Bau, Installation und Wartung ein Auslaufmodell. Diese Auffassung vertritt Prof. Dr.-Ing. Timo Leukefeld, TV-bekannter Energieexperte und Erfinder des von ihm entwickelten „Energieautarkiehauses“, das auf großen Photovoltaikanlagen, Stromspeichern und IR-Heizpaneelen basiert. Seiner Ansicht nach sind durch das von seinem Büro ausgearbeitete Konzept 60 bis 70 % Energieautarkie möglich. Wichtig sei, den selbst erzeugten Strom als Flatrate für die Mieter zur Verfügung zu stellen, denn damit spare die Hausverwaltung signifikant hohe Abrechnungskosten ein, die sich entlastend auf die Warmmiete auswirken. Schon in etwa zehn Jahren sei mit Solarstromkosten von rund 3 Ct/kWh zu rechnen, vorausgesetzt, der Strom kommt vom eigenen Dach.
Bereits jetzt habe der Kampf um die Dachflächen begonnen, wobei sich das Pultdach als ideale Dachform erwiesen habe (Bild C). Aber auch senkrechte Wände werden für die solare Energieerzeugung zunehmend attraktiver. Leukefeld spricht sich in diesem Zusammenhang für eine radikale Enttechnisierung der Gebäudetechnik aus, nach dem Prinzip „Kabel anstatt Rohre“. Das Resultat sei ein, Zitat, „wartungsfreies Gebäude“, wodurch auch die Mietrendite für den Eigentümer steige.
Auf Lüftungsanlagen sollte längerfristig möglichst verzichtet werden, da diese einen Rebound-Effekt auslösen und so zu höheren Energiekosten führen können. Auch die vergleichsweise hohen Wartungskosten sprechen gegen Wohnungslüftungsanlagen. Zudem sei bei vielen Lüftungssystemen die Ersatzteilversorgung nach mehr als 20 Jahren nicht mehr gewährleistet. „Die Verkäufer von Lüftungsanlagen sehen das naturgemäß anders“, meint Leukefeld.
Erste Energieautarkiehäuser des Leukefeld-Teams stehen in Lübben (zwei Mehrfamilienhäuser mit je sieben Wohneinheiten) und in Unna (fünf Mehrfamilienhäuser mit je sieben Wohneinheiten). Besonders interessant sei das Energieautarkiekonzept zur Sanierung von Geschosswohnungen, beispielsweise von Plattenbauten.
Verzicht auf Leitungen für Heizung und Warmwasser
Paradebeispiel für eine mit PV-Strom versorgte IR-Heizung im Geschosswohnbau ist ausgerechnet ein Plattenbau in Aschersleben, Sachsen-Anhalt. Dem schlechten Image (in Westdeutschland) zum Trotz sieht Mike Eley, Geschäftsführer der Ascherslebener Gebäude- und Wohnungswirtschaft mbH (AGW) in der „Platte“ die Chance, mit einer nachhaltigen Sanierung nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, also unter Nutzung vorhandener Ressourcen, modernen Wohnraum für alle Teile der Bevölkerung zu schaffen.
Wie die Konversion vom nicht mehr zeitgemäßen Plattenbau zu einem fast schon futuristisch anmutenden Wohnblock aussehen könnte, beweist das Projekt Kopernikusstraße in Aschersleben. Dort wurden bei einem fünfstöckigen Plattenbau (Erstbezug 1973) – ursprünglich fernwärmeversorgt – zwei Stockwerke abgetragen und anstatt eines Flachdachs ein nach Süden ausgerichtetes Pultdach aufgesetzt. Die verbleibenden Stockwerke wurden entkernt, energetisch saniert und bei dieser Gelegenheit die Grundrisse für die aktuellen Bedürfnisse von jungen Familien zugeschnitten.
Eley erklärt die Vorgehensweise so: „Wir haben die energetische Sanierung zur Enttechnisierung des Gebäudes genutzt. Unser Ziel ist ein energieautarkes Gebäude, das einen Großteil des benötigten Stroms selbst vor Ort erzeugt.“ Konkret bedeutet dies den Verzicht auf eine leitungsgebundene Infrastruktur für Heizung und Warmwasser zugunsten stromversorgter Infrarotheizungen sowie einer dezentralen Trinkwassererwärmung in Form eines 200 l fassenden Trinkwarmwasserspeichers. Die Besonderheit des Trinkwassererwärmers ist eine Bestückung mit zwei 2-kW-Heizstäben – einer zur Einspeisung von PV-Strom im Rahmen einer Flatrate und einer mit separater Verbrauchserfassung für Nutzer mit höherem Warmwasserverbrauch.
Ziel ist eine mindestens 50-prozentige solare Deckung des Wärme- und Strombedarfs. Dafür wurde auf dem Pultdach eine Solarfläche mit 112,5 kWp und auf den Fassaden Module mit zusammen 71,4 kWp installiert (Bild D). Bei der Dimensionierung wurde ein Haushaltsstrombedarf von 2000 bis 2500 kWh/a je Wohneinheit veranschlagt.
Wichtig für die AGW ist die wohnungsweise Versorgung mit Wärme, also mittels IR-Paneelen und einer dezentralen TWE. Der Vorteil dieser Lösung liegt laut Eley darin, dass so gut wie keine Wartung erforderlich ist und die bei fernwärmebeheizten Plattenbauten oft hohen Abrechnungskosten für die Verteilung der Heizkosten komplett entfallen.
Durch die Dezentralisierung der Trinkwassererwärmung würden sich auch die periodischen Kosten für die Legionellenprüfung erübrigen. Dass die auf einer Simulationsberechnung basierende Flatrate womöglich von bestimmten Mietern über das normale Maß hinaus genutzt wird, müsse man einkalkulieren. Eley: „Wir werden die Stromverbräuche der Mieter sehr genau beobachten, denn die pauschale Abrechnung ist eine wichtige Komponente bei der energetischen Sanierung weiterer Wohngebäude.“
Low-Tech-Wohngebäude mit hoher Akzeptanz
Infrarotheizungen in Neubauwohnungen sind keinesfalls ein Schnellschuss als Ausweg aus den Lieferschwierigkeiten von Wärmepumpen, sondern eher eine evolutionäre Entwicklung als Reaktion auf steigende Wohnraumkosten. Ein Beispiel ist das Projekt K76 der werk.um Architekten, Darmstadt, die mit ihrem genossenschaftlichen Finanzierungs- und Planungskonzept (Projektzeit: 2014 bis 2017) schon vor der Energiekrise wichtige Erkenntnisse über Low-Tech-Gebäude und das dort praktizierte Infrarot-Heizsystem liefern. Die Eckpunkte des Projekts:
- 14 Wohneinheiten plus eine Gemeinschaftswohnung
- 1486 m2 Wohnfläche, davon 65 m2 für gemeinschaftliches Wohnen
- Kosten: 2,645 Mio. Euro (ohne Tiefgarage); Kostengruppe 300 + 400
- spezifische Kosten je m2 Wohnfläche: 1780 Euro
Möglich wurden diese niedrigen Investitionskosten durch eine sehr rationelle Bauweise und den Verzicht auf ein klassisches zentrales Heizungs- und Warmwassersystem zugunsten von Infrarotpaneelen und dezentralen Warmwassererzeugern in Form von Durchlauferhitzern bzw. Elektrokleinspeichern. Wann immer möglich wird für die IR-Heizung und die Trinkwassererwärmung der Strom von der Photovoltaikanlage mit 30 kWp auf dem Dach des Hauses genutzt. Aufgrund der 24 cm starken Wanddämmung wird eine Verbrauchsdeckung von etwa 38 % erreicht.
Weil die für klassische Warmwasserheizungen typischen Übertragungsverluste entfallen, die durch Rohrleitungen, Brenner und Hilfsenergie etwa 50 % betragen sollen, steht bei einer dezentralen Lösung mit Strom aus Photovoltaik nahezu 100 % Nutzenergie zur Verfügung – so die Aussagen von Thomas Lückgen, Partner bei werk.um Architekten. Eingebaut sind 130 Infrarotpaneele mit je 500 W Heizleistung, die eine maximale Heiztemperatur von 180 °C entwickeln können. Der Endenergiebedarf des Gebäudes liegt bei 37 kWh/(m2 ∙ a), der Primärenergiebedarf bei 63 kWh/(m2 ∙ a).
Das Projekt K76 war auch Teil der Forschungsinitiative Zukunft Bau mit der Studie „Potential von Infrarot-Heizsystemen für hocheffiziente Gebäude“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Zukunftsforschung (Bild E). Folgende Erkenntnisse aus der Studie sprechen für die Weiterentwicklung der Infrarotheizung als Alternative zur konventionellen Warmwasserheizung:
- Infrarotheizungen haben gegenüber wassergeführten, in Heizestrich verlegten Fußbodenheizungen einen mindestens 50 % geringeren Übergabeverlust.
- Aus ökologischer Sicht kann ein Infrarot-/PV-System (in Abhängigkeit der Gebäudegröße und der Dämmqualität) gegenüber einem Luft-Wärmepumpensystem über einen Zeitraum von 50 Jahren deutliche Vorteile aufweisen.
- Auch die Lebenszykluskosten – über 50 Jahre betrachtet – können für ein Infrarot-/PV-System im Vergleich zu einer Luft-Wärmepumpe deutlich niedriger sein
Fazit der Architekten von werk.um: Die Infrarotheizung in Kombination mit dezentralen Warmwasserspeichern (!) und Photovoltaik sichere eine sehr gute, günstige und zukunftsfähige Wärmeversorgung. Lückgen rät jedoch von einer Flatrate wie in Aschersleben ab, denn „Energie ist teuer“. Von Vorteil sei, dass der Nutzer direkten Einfluss auf den Energieverbrauch habe.
Ob in enttechnisierten Wohnhäusern künftig eine Lüftungsanlage notwendig ist, müsse vor dem Hintergrund steigender Kosten überdacht werden. Eventuell reiche eine mechanische Badentlüftung aus. Lückgen räumt ein, dass aktuell gegenüber Bauwilligen noch eine hohe Überzeugungsarbeit für die Infrarotheizung notwendig ist, auch weil TGA-Planer solche Lösungen bisher aus Unkenntnis der Sachlage eher ablehnen.
Bilanzielle Energieautonomie ist erreichbar
Fast jedes Gebäude in Deutschland könne eigene Energie für Heizung, Haushalt und Elektromobilität erzeugen. Deshalb sei es müßig, allein auf Energieeinsparung zu setzen und weiterhin Energie zu importieren. Zielführender sei es, Energieimporte zu stoppen und die regenerative Eigenerzeugung von Strom weiter auszubauen, beispielsweise mittels Photovoltaik. – Seine Thesen sieht Dr. Peter Kosack vom Pekohaus-Forschungsinstitut durch die Entwicklung der Energiestandards für Wohngebäude bestätigt: Ab dem (ehemaligen) Standard KfW 40 plus seien Gebäude in der Lage, bilanziell den Eigenbedarf an Energie jederzeit zu gewährleisten. Aus den Erfahrungen von 30 Jahren Forschungsarbeit über Energiesparkonzepte für Wohnhäuser an der Technischen Universität Kaiserslautern hat Kosack vier Konzeptvarianten für energieautarke Wohngebäude entwickelt, davon drei Varianten mit Infrarotheizung. Bemerkenswert ist, dass sich Kosack bereits seit 2008 mit dem Thema Infrarotheizung beschäftigt.
Grundelemente des Pekohaus-Konzepts sind eine möglichst große Photovoltaikanlage mit Stromspeicher als Batterie und/oder Power-to-X-Speicher zur Versorgung effizienter elektrischer Wärmelösungen, wie Wärmepumpe und/oder Infrarotheizung, sowie von elektrischen Haushaltsgeräten und Elektroauto.
Eine für Bestandsbauten interessante und auch wirtschaftliche Lösung sei die Ausführungsvariante Photovoltaikanlage, Infrarotheizsystem und Abluft-Wärmepumpe, wobei die Wärmepumpe die Grundlast für die Warmwasserheizung übernimmt und die Infrarotheizung die Komfortstufe.
Mit der Kombination von Wärmepumpe und Infrarotheizung (zur Spitzenlastabdeckung) könnten auch temporäre Dämmdefizite kompensiert und damit eine stufenweise energetische Gebäudesanierung begünstigt werden (Bild F). Eine solche Lösung ist immer wirtschaftlicher als eine reine Wärmepumpenlösung, sagt Kosack. Langfristig sei eine PV-IR-Lösung finanziell interessanter als eine singuläre Wärmepumpenheizung. Auch die Anforderungen des GEG ließen sich damit erfüllen.
Stufenweises Vorgehen beim Systemwechsel
Mit Blick auf Lieferschwierigkeiten bei Wärmepumpen und lange Wartezeiten bei Handwerkern könnte die folgende Vorgehensweise bei der energetischen Sanierung eines Reihenhauses in Stockach am Bodensee als Vorbild und Blaupause für viele Eigenheimbesitzer dienen. Ausgangspunkt ist ein 1980 gebautes und 1994 vom jetzigen Besitzer bezogenes Reihenhaus mit Gas-Brennwerttherme. Die Heizlast liegt bei knapp 10 kW, der Raumwärmebedarf bei 82,8 kWh/(m2 ∙ a).
In einem ersten Schritt wurden 2022 in sieben von elf Räumen präsenzgesteuerte Infrarot-Heizelemente installiert und die Heizung auf Grundlast zurückgeregelt. Gleichzeitig wurde eine kleine Trinkwasser-Wärmepumpe mit der Option eingebaut, diese zu einem späteren Zeitpunkt mit Strom einer noch zu installierenden PV-Anlage (Dach und Südfassade) zu versorgen. Aufgrund dieser Maßnahme sank der Gasverbrauch um etwa 8000 kWh/a, während sich der Stromverbrauch um 2000 kWh/a erhöhte, berichtet Dirk Bornhorst, Geschäftsführer IR-Integration, Sauerlach. Mittelfristiges Ziel des Eigentümers ist eine energetische Lösung aus Grundlast-Heizwärmepumpe, Infrarotpaneelen, Trinkwarmwasser-Wärmepumpe und Photovoltaikanlage. Eine nachträgliche Dämmung ist nicht vorgesehen.