Von der Energieeinsparung zur Wärmeplanung: Energieberatung im Wandel
Wir können uns heute in der Bewertung der dritten Kommastellen bei H´T und beim ∆-UWB verlieren, mit der dynamischen Gebäudesimulation sekundengenau Energieströme bilanzieren und visualisieren und einen enormen Detailierungsgrad der instationären Wärme- und Feuchtebilanzierung bei Innendämmungen und dynamischen Heizlasten abbilden. Wir können und sollten aber auch systemische Ansätze wählen, um den Transformationsprozess der Energie-/Wärme- und Mobilitätswende erfolgreich zu gestalten. Um dies zu bewerkstelligen, betrachten wir zunächst die Termini Energie-, Wärme- und Mobilitätswende.
Energiewende
Die Energiewende ist ein Begriff, der die Umstellung des Energiesystems von fossilen und Kernenergieträgern hin zu erneuerbaren Energien beschreibt. Ziel der Energiewende ist es, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Die Energiewende umfasst die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen, die Nutzung von Wärmepumpen, Solarthermie und Holzheizungen für die Wärmeversorgung sowie die Förderung von Elektromobilität und Energieeffizienz. In Deutschland hat die Energiewende 2000 begonnen und wird weiter umgesetzt.
Wärmewende
Die Wärmewende bezieht sich auf den Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien, insbesondere Solarenergie und Wärmepumpen, um die Wärmeversorgung von Gebäuden und Industrieanlagen zu sichern und die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Die Wärmewende ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende und des Klimaschutzes.
Mobilitätswende
Die Mobilitätswende bezieht sich auf die Umstellung des Verkehrssystems von fossil betriebenen Fahrzeugen hin zu emissionsfreien und nachhaltigen Verkehrsformen. Ziel der Mobilitätswende ist es, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, die Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen zu senken und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Die Mobilitätswende umfasst die Förderung von Elektromobilität, die Nutzung von Fahrrädern und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Entwicklung von Carsharing-Angeboten und die Förderung der Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf Schiene und Wasserstraßen. Es beinhaltet auch die Entwicklung von intelligenten Verkehrssystemen.
Aber warum muss beziehungsweise darf ich mich als Gebäudeenergieberater mit der Mobilitätswende beschäftigen und auseinandersetzen? Und welchen Einfluss hat das auf meinen beruflichen Berater- und Planeralltag? Die Ereignisse des vergangenen Jahres formten den Wunsch nach Autarkie und Energieversorgungssicherheit. So liegt der Fokus der Beratungsleistungen derzeit auf den Energieerzeugungseinheiten und wird flankierend unterstützt durch die politischen Rahmenbedingungen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) – höchste Förderquoten bei den Einzelmaßnahmen sind bei den Heizungsanlagen verortet und beim Ausblick finden wir die Regelung, die uns zu einem 65-prozentigen Anteil an erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung verpflichtet.
Wenn wir jetzt zu Energiemaschinen beraten, müssen wir uns die Frage der zukünftigen Energieversorgung stellen: Geht es bei stetig steigender Energieeffizienz bei den Gebäudehüllen noch um die Erzeugung von Raumwärme und Trinkwarmwassererzeugung oder stärker um die Stromerzeugung für Haushalt und Mobilität? Benötigen wir bei stetig steigenden Temperaturen nicht eher Kältemaschinen? Liegt die Antwort in Wärme-Kälte-Kraft-Verbundsystemen und wenn ja, welche Systeme sind das? Liegt die Antwort des derzeitigen Energiedilemmas aus Energie (Gas-) Versorgungsleistung aus fossilen Energien in der effizienten Erzeugung der Kilowattstunde oder in deren Vermeidung? Hier fängt Energiedesign an.
Energiedesign meint die planerische und architektonische Gestaltung von Gebäuden und Anlagen, um deren Energieverbrauch und CO₂-Emissionen zu minimieren. Dazu gehört die Auswahl von geeigneten Baumaterialien, die Optimierung von Gebäudeform und -orientierung, die Integration von erneuerbaren Energien und die Anwendung von Energieeffizienzmaßnahmen wie Wärmedämmung und Be- und Entlüftungssystemen. Energiedesign umfasst die Simulation von Energieverbrauch und thermischem Komfort sowie die Überwachung des tatsächlichen Energieverbrauchs nach der Fertigstellung.
Es geht um mehr als Energiebilanzen und Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Notwendig ist ein ganzheitlicher integraler Ansatz für nachhaltige Gebäude- und Energiekonzepte. Die Aufgabe der Energieberatung ist es, Konzeptionen für Gebäude zu entwickeln, in denen Menschen leben, oder vielmehr für Menschen, die in Gebäuden leben. Wir müssen uns dabei auch mit Ressourcen beschäftigen, die uns immer weniger zur Verfügung stehen. So verzeichnen wir heute schon Verknappungen der gängigsten Baustoffe wie Sand, Holz und seltene Erden. Die Ausweitung der Kostenbetrachtung auf die Lebenszykluskosten erlaubt uns einen ganzheitlichen Ansatz mithilfe von Ökobilanzen. Es können auch weiche Faktoren wie Wohngesundheit, thermische Behaglichkeit und Barrierefreiheit berücksichtigt werden, um Sanierungshemmnisse zu reduzieren und neue Perspektiven zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten der Zukunft zu gefährden. Es geht darum, Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu schützen und soziale Gerechtigkeit sicherzustellen. In Bezug auf die Energieversorgung und Mobilität bedeutet Nachhaltigkeit die Verwendung von erneuerbaren Energien, die Reduzierung von CO₂-Emissionen, die Förderung von Energieeffizienz und die Verlagerung von fossilen Brennstoffen hin zu sauberen und emissionsfreien Energiequellen. Es geht darum, die Umweltbelastungen der menschlichen Aktivitäten zu minimieren und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Nachhaltigkeit ist ein Konzept, das sowohl für Regierungen und Unternehmen als auch für jeden Einzelnen von großer Bedeutung ist. Das macht einen integralen Planungsprozess in der frühen Planungsphase notwendig.
So können alle Bereiche gleichwertig berücksichtigt werden und die größtmögliche Hebelwirkung für die Prozessoptimierung/-qualität bleibt erhalten. Da nicht nur eine Verknappung der Baustoffe zu Problemen und Verteuerung führt, sondern auch der Fachkräftemangel im Bausektor zunehmend problematisch wird, müssen wir neue Prozesse starten. Bauwende meint nicht nur den bewussten Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen, sondern auch, dass der Bauprozess als solcher reformiert werden muss. Ein hoher Vorfertigungsgrad, wie beispielsweise bei der seriellen Sanierung, reduziert Bauzeiten.
Die Rolle der Energieberatenden muss auch deswegen neu definiert werden, da neue Akteure den Markt betreten, die als Investoren agieren oder bis dato noch nicht stark in Erscheinung getreten sind. Der mehrgeschossige Wohnungsbau rückt in den Vordergrund mit Hausverwaltungen und Eigentümergemeinschaften. Dies bringt nicht nur Änderungen in der Förderkulisse mit sich, sondern in der Wahrnehmung des Energieberaters/Energieplaners oder des Energiedesigners. Im mehrgeschossigen Wohnungsbau stellen wir uns zunehmend der Aufgabe der zukünftigen Energie- und Wärmeversorgung. Hier finden wir oftmals dezentrale Versorgungsstrukturen wie Gasetagenheizungen oder Nachtstromspeicherheizungen und können technische Lösungsansätze von der Zentralisierung über kaskadierte Wärmepumpen mit Wohnungsübergabestationen hin zu dezentralen Kleinstwärmepumpen anbieten.
Dabei stoßen wir auf unterschiedliche Vorstellungen und Interessenlagen der Eigentümer, Mieter und Nutzer, die koordiniert und kanalisiert werden müssen, und verlassen die klassische Rolle des Energieberaters, sondern werden zum Mediator. Das Feld weitet sich beim Zusammenschluss von Interessengemeinschaften – in der einfachsten Form von Nachbarn in einem Doppelhaus oder in einer Reihenhaussiedlung, die gemeinsam ihr Dach sanieren möchten, bis hin zur Quartierslösung, bei der eine gemeinschaftliche Energie-/Wärmeversorgung angestrebt wird. Hier finden wir technische Lösungsansätze wie Gebäude-/Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien und können dies auch in der Förderkulisse des BEG verorten. Zusätzlich wird die Rolle des Energieberaters/-planers auf die des Kümmerers, Möglichmachers und Visionärs ausgeweitet. Ich möchte das am Beispiel der kommunalen Wärmeplanung verdeutlichen.
Kommunale Wärmeplanung
Kommunale Wärmeplanung bezieht sich auf die planerische und strategische Entwicklung der Wärmeversorgung in einer Kommune. Ziel der kommunalen Wärmeplanung ist es, eine nachhaltige, sichere und wirtschaftliche Wärmeversorgung der Kommune zu gewährleisten. Das umfasst die Identifizierung des Wärmebedarfs, die Auswahl von geeigneten Wärmequellen und -technologien, die Planung und Umsetzung von Wärmenetzen und -verteilung sowie die Förderung von Effizienzmaßnahmen.
Kommunale Wärmeplanung beinhaltet auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie von Unternehmen an der Entwicklung und Umsetzung der Wärmeversorgung und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren wie Energieversorgern, Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern. Sie ist eine der tragenden Säulen bei der erfolgreichen Umsetzung der Energie-/, Wärme- und Mobilitätswende und eröffnet uns die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Perspektiven, unter Beteiligung aller Akteure, den Transformationsprozess zu schaffen und den notwendigen variablen Detaillierungsgrad zielgerichtet zu gestalten.
Von der Bestandserfassung der einzelnen Gebäude und den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Immobiliennutzer über die Potenzialanalysen und die Erschließung erneuerbarer Energiequellen bis hin zur Vernetzung und Steuerung (Smart Grid, Sektorenkopplung...) sind die klassischen Methoden der Bedarfs- und Ertragsprognosen über Verbrauchsanalysen oder Bilanzierungssystematiken bis zu Simulationen notwendig.
Auch sozio-kulturelle Aspekte wie Urbanisierung, Stadtbauentwicklung hin zur Schwammstadt müssen berücksichtigt werden. Wenn technische Umsetzungskonzepte wie beispielsweise Flusswasserwärmepumpen oder bidirektionale, passive kalte Nahwärmenetze oder die kalte Dorfwärme gefunden wurden, müssen in der Regel alle möglichen Beteiligten informiert, mitgenommen und auch überzeugt werden. Es müssen unterschiedliche Siedlungsdichten und Sanierungsstände, energetische Gebäudestandards, Potenziale erneuerbarer Energien, zentrale und dezentrale Erzeugungsanlagen sowie Versorgungsnetze miteinander in Einklang gebracht werden. Hierzu wird ein gut funktionierendes Netzwerk benötigt, welches Energieberatende häufig schon mitbringen. Diese sollten sich in den Thematiken kommunale Wärmeplanung, klimaneutraler Gebäudebestand und Mediation weiterbilden.
Der Autor Lars Klitzke ist einer der Gründer des Weiterbildungsinstituts für nachhaltiges energieeffizientes Bauen und Bauphysik (www.winaba.de). Er ist Referent und Autor für die Thematiken TGA, Bauphysik und nachhaltiges Energiedesign.