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DVGW W 551-4: Prävention von Pseudomonas aeruginosa-Kontaminationen im Trinkwasser

Dr. Peter Arens
Inhalt

Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa gilt als potenziell krank machendes Bakterium. Es ist von hoher gesundheitlicher Relevanz, insbesondere in Gesundheitseinrichtungen. Vor allem immunsupprimierte und nicht immunkompetente Personen sind gefährdet. Jede zweite in Gesundheitseinrichtungen erworbene Lungenentzündung, jede dritte Harnwegs­infektion und jede achte Blutvergiftung sind auf dieses Bakterium zurückzuführen (Bild A). Weiterhin ist fast jeder Siphon mit Pseudomonas aeruginosa besiedelt. Es gibt also gute Gründe, sich als Fachplaner und Fachhandwerker mit diesem für die Branche noch weitgehend unbekannten Bak­terium zu beschäftigen.

Pseudomonas aeruginosa ist besonders für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ein erhebliches Gesundheitsrisiko.

Die gute Nachricht vorweg: Mittlerweile ist viel über die Ursachen einer Kontamination von Trinkwasser-Installationen mit Pseudomonas ­aeruginosa bekannt. Erst dadurch konnte nun ein Arbeitsblatt in der neuen DVGW-W-551-Reihe „Hygiene in der Trinkwasser-Installation“ (Bild B) zur „Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Kontaminationen mit Pseudomonas aeruginosa“ erstellt werden (DVGW W 551-4, aktuell in der ­Entwurfsfassung). Es richtet sich an Hersteller, Fachplaner, Fachhandwerker, Betreiber und Sachverständige.

Mit in diesen Themenkreis gehört auch das im Juni 2023 erschienene DVGW-Merkblatt W 551-7 „Herstellung, In­verkehrbringen, Transport, Lagerung, Montage und Inbetriebnahme von Druckerhöhungsanlagen als fertige Aggregate“.

Das Arbeitsblatt gibt einen vollständigen Überblick über die Bedeutung dieses Bakteriums für die SHK-Branche, während das Merkblatt das Thema in Bezug auf die hygienisch einwandfreie Produktion, Handhabung und den Betrieb von Druckerhöhungsanlagen vertieft. Es ist zu erwarten, dass beide für exakt definierte Einrichtungen sehr schnell dieselbe Bedeutung erlangen werden wie das DVGW-Arbeitsblatt W 551 zum Thema Legionella spec. (aktuell in Überarbeitung).

Pseudomonas aeruginosa in der TrinkwV

Es mag für viele überraschend erscheinen, dass hochrangige Experten über viele Monate ein DVGW-Arbeitsblatt für einen Parameter erarbeiten, der gemäß TrinkwV nur dann untersuchungspflichtig ist, wenn Trinkwasser abgefüllt und verkauft wird (TrinkwV, Anlage 1, Teil II). Andere wiederum, die im Gesundheitssektor bzw. in Kindertagesstätten tätig sind, haben schon lange auf ein so umfassendes Arbeitsblatt zu diesem Bakterium gewartet. Denn bisher konnten sie sich lediglich an unterschiedlichsten Unterlagen des Robert-Koch-Instituts (RKI) oder des Umweltbundesamtes (UBA) orientieren, ohne in einem Dokument einen vollständigen Überblick über dieses Thema zu erhalten.

Eine der bisher wichtigsten Unterlagen für den SHK-Bereich war eine UBA-Empfehlung aus dem Jahr 2017. In ihr wurde unter anderem erläutert, auf welcher Grundlage eine Untersuchung auf Pseudomonas aeruginosa im Trinkwasser von Gebäuden notwendig werden kann: auf Basis von § 2 Nummer 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Auf dieses verwies auch schon der § 5 der alten TrinkwV. Er wurde nun in den § 6 Absatz 1 „Mikrobiologische Anforderungen“ der aktuellen TrinkwV überführt.

Dieser Paragraf besagt sinngemäß, dass generell Krankheitserreger „nicht in Konzentrationen enthalten“ sein dürfen, „die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen“. Juristen legen diesen Besorgnisgrundsatz so aus, dass eine Erkrankung weitgehend unwahrscheinlich sein muss. Damit wird auch klar, dass sich § 6 nicht ausschließlich auf Parameter beziehen kann, die in der TrinkwV benannt werden. Denn Bakterien, die Cholera, Typhus oder Ruhr auslösen, dürfen ebenfalls nicht im Trinkwasser vorhanden sein, auch wenn sie in der TrinkwV nicht erwähnt werden.

Bild A: Jede zweite in Gesundheitseinrichtungen erworbene Lungenentzündung, jede dritte Harnwegsinfektion und jede achte Blutvergiftung sind auf Pseudomonas ­aeruginosa zurückzuführen.

Untersuchungspflichtige Einrichtungen

Die entsprechenden Einrichtungen (Gebäudetypen) fanden sich bisher in der kostenlosen „Empfehlung zu erforderlichen Untersuchungen auf Pseudomonas aeruginosa, zur Risikoabschätzung und zu Maßnahmen beim Nachweis im Trinkwasser“, die vom UBA nach Anhörung der Trinkwasserkommission (TWK) erstellt worden ist. Das DVGW-Arbeitsblatt folgt diesen Empfehlungen, denn der Arbeitskreis hatte unter anderem das Ziel, zwar detaillierte und aktuelle Informationen in einem Arbeitsblatt zusammenzustellen, gleichzeitig aber auch Widersprüche zwischen dem neuen DVGW W 551-4 und bestehenden Vorgaben zu vermeiden.

So wurden die in den UBA-Empfehlungen benannten Einrichtungen namentlich beibehalten, jedoch mit einem jeweils neuen Gruppenbegriff versehen: Die Einrichtungen des Gesundheitssektors inkl. Kindertagesstätten werden nun unter dem Begriff „prioritäre öffentliche Einrichtungen“ zusammengefasst (Bild C) und die anderen unter dem Begriff „nicht-prioritäre öffentliche Einrichtungen“ (Bild D).

Bild B: Die neue DVGW-W-551-Reihe zur Hygiene in der Trinkwasser-Installation im Überblick.

Wo im Gebäude beproben?

Im Gegensatz zum systemischen Ansatz beim ­Parameter Legionella spec. wird bei Untersu­chungen auf Pseudomonas aeruginosa in Anlehnung an § 41 TrinkwV immer an der Stelle der Einhaltung beprobt, also in diesem Fall an den Entnahmestellen oder notwendigen Sicherungseinrichtungen (§ 10 TrinkwV). Damit hat eine ­Beprobung über Eckventil-Probennahmeventile lediglich bei besonderen Fragestellungen, nicht aber bei der Überprüfungsuntersuchung auf Vorhandensein von Pseudomonas aeruginosa zu ­erfolgen.

Bild C: Für prioritäre öffentliche Einrichtungen sind mindestens jährliche ­Untersuchungen empfohlen.

Nur Trinkwasser ≤ 50 °C untersuchen

Pseudomonas aeruginosa vermehrt sich bei niedrigen Temperaturen bis ca. 15 °C deutlich langsamer als bei höheren Temperaturen von ca. 25 bis 45 °C. Vor diesem Hintergrund ergibt im Verdachtsfall die Untersuchung von erwärmtem Trinkwasser nur dann Sinn, wenn die Temperaturen unter 50 °C liegen, also beispielsweise hinter einem Kleinstdurchlauferhitzer oder hinter zentralen Mischarmaturen zum Verbrühungsschutz.

Bild D: Nicht-prioritäre ­öffentliche Einrichtungen sind lediglich nach Risiko­abschätzung und Veranlassung durch das Gesundheitsamt zu untersuchen.

Welche Zielwerte sind anzuwenden?

Bei der Bewertung der ermittelten Konzentration gilt grundsätzlich ein Zielwert von < 1 KBE/100 ml. Das bedeutet, dass alle Einrichtungen gleich bewertet werden. Erst wenn dieser Zielwert nicht eingehalten wird, sind für prioritäre öffentliche, nicht-prioritäre öffentliche und sonstige Einrichtungen unterschiedliche Vorgehensweisen möglich (Bild E).

Unterschiedliche Sofortmaßnahmen

Grundsätzlich sind in allen prioritären öffentlichen Einrichtungen unverzüglich die weiteren Maßnahmen auf Basis einer Risikoabschätzung mit einem Hygieniker und ggf. mit einem Team von weiteren Experten festzulegen. Dazu gehört auch der Schutz der Verbraucher.

In nicht-prioritären öffentlichen und sonstigen Einrichtungen können Werte zwischen ≥ 1 KBE/100 ml bis ≤ 10 KBE/100 ml kurzfristig (möglichst max. 3 Monate) toleriert werden. Das Arbeitsblatt führt dazu aus: „Die Aufrechterhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebes oder eine Inbetriebnahme mit anschließendem bestimmungsgemäßem Betrieb ist möglich ...“

Bei Konzentrationen von > 10 KBE/100 ml müssen auch in diesen und anderen Einrichtungen Sofortmaßnahmen in Abhängigkeit von der Risikoabschätzung zum Schutz der Verbraucher getroffen werden.

Bild E: Die Zielwerte für ­Pseudomonas aeruginosa in unterschiedlichen Ein­richtungen.

Primär-präventive Maßnahmen: Verhütung

Der Abschnitt 7 „Primär-präventive Maßnahmen: Verhütung von Kontaminationen“ im DVGW-­Arbeitsblatt W 551-4 wendet sich gleichermaßen an Hersteller, Planungsbüros, Installationsunternehmen und Betreiber. Jeder aus diesen Zielgruppen sollte einen Beitrag zum Erhalt der Wassergüte leisten. Neu ist vor allem, dass dabei ausdrücklich den Herstellern von Bauteilen eine besondere Bedeutung zukommt.

Denn Pseudomonas aeruginosa wird oftmals über kontaminierte Bauteile eingetragen. Vor diesem Hintergrund müssen Hersteller sicherstellen, dass ihre Produkte keine Kontamination mit Pseudomonas aeruginosa aufweisen (Bild F). Dies ist bei trocken geprüften Produkten grundsätzlich der Fall. Es gibt jedoch keine Verpflichtung zur trockenen Prüfung.

Sollen oder müssen Produkte im Werk mit Trinkwasser beaufschlagt werden, beispielsweise aufgrund von Einstellarbeiten, muss dieses Prüfwasser der TrinkwV entsprechen und zusätzlich frei von Pseudomonas aeruginosa sein. Dazu wird im DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 unter Abschnitt 7.2 ausgeführt: „Das herstellende Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass das Produkt hygienisch einwandfrei das Werk verlässt. Für den weiteren Prozess sollte es zu dem jeweiligen Produkt Hinweise in der Betriebsanleitung oder den Begleitdokumenten zur hygienischen Sicherheit bei Transport, Lagerung und Einbau geben.“

Vor diesem Hintergrund wird unter Abschnitt 7.3 „Planungsbüros“ auch die Empfehlung ausgesprochen, bereits im allgemeinen Teil des Leistungsverzeichnisses trinkwassergeeignete Produkte zu fordern, „die produktionsseitig ­hygienisch einwandfrei sind“.

Unter Abschnitt 7.4 „Installationsunternehmen“ werden dann alle Fachhandwerker für hygienisch sicheres Arbeiten von der Lagerung der Komponenten bis zur Inbetriebnahme sensibilisiert. Die Abschnitte 7.5 und 7.6 erhalten abschließend die Betreiber und Verbraucher Hinweise, dass ausschließlich und rechtsverbindlich nur ein regelmäßiger und vollständiger Wasserwechsel über alle Entnahmestellen den Erhalt der Wassergüte sicherstellen kann (Bild G). Von dieser Pflicht befreit auch keine Installationsweise mit zentralen Spüleinrichtungen.

Bild F: Produktionsseitig trocken geprüfte Bauteile und ein regelmäßiger ­Wasserwechsel über alle Entnahmestellen sind gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 eine der Voraussetzungen für den effizienten Schutz des Trinkwassers gegen eine Kontamination.

Sekundär-präventive Maßnahmen: Erkennung

Im Abschnitt 8 „Sekundär-präventive Maßnahmen: Erkennung von Kontaminationen“ des DVGW-Arbeitsblatts W 551-4 wird beschrieben, welche Anlässe zu einer Untersuchung auf Pseudomonas aeruginosa führen können. Ein Schwerpunkt ist die hygienisch sichere Inbetriebnahme von Großgebäuden. Auch in diesem Fall kommt es auf die sachgerechte Auswahl von Probennahmestellen und eine fachgerechte Vorgehensweise bei der Entnahme von Wasserproben an. Dazu wird detailliert Stellung genommen.

Tertiär-präventive Maßnahmen: Bekämpfung

Abschnitt 9 im DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 lautet „Tertiär-präventive Maßnahmen: Korrekturmaßnahmen und Maßnahmen zur Risikobeherrschung“. Die grundsätzlichen Maßnahmen sind zwar ausführlich im DVGW-Arbeitsblatt W 551‑2 beschrieben (inhaltlich unveränderte Ausgabe des ehemaligen DVGW-Arbeitsblatts W 556), aber im DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 mit besonderem Bezug zu Pseudomonas aeruginosa. Ein Schwerpunkt sind Sofortmaßnahmen.

Dazu gehören die Information der betroffenen Verbraucher, Nutzungseinschränkungen oder Nutzungsverbote und der Einsatz bakteriendichter endständiger Filter. Es folgen Sanierungsmaßnahmen, die mit drei Freigabeprüfungen nach zwei, sechs und zwölf Wochen enden (DVGW-Arbeitsblatt W 551-2).

Bild G: Mit einem Wassermanagementsystem, z. B. SWS von Schell, lassen sich die geforderten Wasserwechsel über Gruppenbildung umfassend und zentral umsetzen.

Eine Besonderheit: Fallbeispiele im Anhang A

Für Praktiker und Sachverständige findet sich im Anhang A eine Tabelle mit zehn Beispielen von Praxisfällen mit kontaminierten Trinkwasser-Installationen, von denen zwei im Detail beschrieben werden. Diese Beispiele sind besonders für die Praktiker hilfreich, denn auch in der Tabelle werden zu jedem Fall die ermittelten Messwerte, Ursachen, Sofortmaßnahmen und wirksame Maßnahmen beschrieben.

Anhänge B und C

Im informativen Anhang B wird beschrieben, dass Pseudomonas aeruginosa unter ungünstigen Lebensbedingungen in eine Art „Schlaf“ übergehen können, in dem sie kulturell nicht mehr nachweisbar sind (VBNC-Zustand, VBNC = viable but nonculturable / lebend, aber nicht kultivierbar), aber aus dem sie wieder erwachen und eine Kontamination der Trinkwasser-Installation bewirken können. Im Anhang C folgen dann abschließend weitere Informationen zu diesem Bakterium, die über den Trinkwasserbereich hinausgehen. Dort wird die medizinische und damit auch volkswirtschaftliche Bedeutung von Erkrankungen mit diesem Bakterium benannt.

Fazit

Das neue DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 für Pseudomonas aeruginosa wird sicherlich schon bald den gleichen Stellenwert innerhalb der SHK-Branche erlangen wie das DVGW-Arbeitsblatt W 551 für Legionella. Da jedoch Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa vorrangig Menschen mit Vorerkrankungen wie Mukoviszidose sowie mit noch nicht voll ausgebildetem oder geschwächtem Immunsystem (Personen in Kindertagesstätten/Gesundheitseinrichtungen) betreffen, wird es aber nicht dieselbe Breitenwirkung wie das W 551 entfalten.

Doch bei den benannten Einrichtungen wird das DVGW-Arbeitsblatt W 551-4 für Hersteller, Fachplaner, Fachhandwerker, Hygieniker und Sachverständige zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk, das erstmalig und umfassend den aktuellen Kenntnisstand zu diesem Bakterium im Trinkwasserbereich von Gebäuden mit Augenmaß zusammenfasst.

Der Autor Dr. Peter Arens ist Hygienespezialist bei der Schell GmbH & Co. KG und ö. b. u. v. Sachverständiger für Trinkwasserhygiene bei der Handwerkskammer Südwestfalen.

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