Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie unter der Lupe
Die EU-Trinkwasserrichtlinie (TWR) 98/83/EG vom 03.11.1998 ist inzwischen schon ziemlich in die Jahre gekommen und spiegelt nach Meinung der Experten nicht mehr den Stand der Technik im Hinblick auf den Schutz des Trinkwassers in den Ländern der EU wider.
Das ursprüngliche Ziel, die Einhaltung der Qualität des Trinkwassers auf EU-Ebene mit der Vorgabe der wesentlichen Qualitätsstandards für die Überwachungsprogramme in den einzelnen Ländern sicherzustellen, hat die TWR zwar erreicht, doch die in der Richtlinie festgelegten Standards und Qualitätsparameter entsprechen im Hinblick auf mikrobiologische und chemische Parameter, niedergelegt im Anhang I der Richtlinie, nicht mehr dem Stand der Zeit. Auch die Kohärenz der TWR mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie, z.B. dem Schutz der Gewässer als wichtige Ressourcen zur Entnahme des Trinkwassers, ist nach Einschätzung der Experten nicht gegeben.
Der nun von der EU-Kommission vorgelegte Revisionsentwurf zur Aktualisierung der Richtlinie zielt auf die Etablierung eines risikobasierten Managements entlang der gesamten Trinkwasserversorgungskette ab (neuer Artikel 7) – vom Wasserversorger bis zur Risikobewertung von Hausinstallationen. Vor dem Hintergrund der allerersten europäischen Bürgerinitiative „Recht auf Wasser“ (Right2Water) fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, „alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um allen Bürgerinnen und Bürgern einen Mindestzugang zu Wasser zu sichern“, eine Forderung, die in vollem Einklang mit der Agenda 2030 und insbesondere mit dem Ziel 6 für nachhaltige Entwicklung sowie dem damit zusammenhängenden Einzelziel, „allgemeinen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle zu erreichen “, aus dem Jahr 2015 steht.
Leitungswasser soll umfassender genutzt werden
Die nun vorliegende Überarbeitung der TWR ist Teil des Plans zur Förderung des Übergangs zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. So folgt der Textentwurf einer Strategie, Einwegverpackungen für Wasser möglichst zu vermeiden und stellt eine umfassendere Nutzung von Leitungswasser in den Vordergrund („ … Förderung der Nutzung von Leitungswasser in öffentlichen Gebäuden und Restaurants, Gewährleistung, dass in den meisten Städten frei zugängliche Trinkwasseranlagen (Leitungswasser) zur Verfügung stehen usw.“). Erklärtes Ziel ist damit u.a. eine Reduzierung des mehr und mehr in den Fokus der Überwachung rückenden Mikroplastiks, u.a. als Rückstand solcher Verpackungen; dessen besorgniserregende Akkumulierung in Meeren und Süsswasservorkommen stellt aus Sicht der Kommission ein noch nicht zu bewertendes Gesundheitsrisiko dar.
Als weitere Überwachungsparameter wurden unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips auf Empfehlung der WHO einige Substanzen aus der Gruppe von Chemikalien mit endokriner Wirkung aufgenommen (Vorsorgerichtwerte z.B. für ß-Östradiol, Nonylphenol sowie Bisphenol A). Auch Chlorat und Chlorit als Nebenprodukte der in vielen Fällen noch üblichen Desinfektion mit Hypochlorit erhalten nach dem Willen der Kommission einen Überwachungs-Grenzwert, ebenso einige perfluorierte Verbindungen (sog. „POPs“ = persistent organic pollutants, mögliche Trinkwasser-Kontamination z.B. durch Zersetzung von Feuerlöschschäumen).
Schließlich sollen mit der aktualisierten TRW die Grenzwerte für mehrere Schmermetalle und weitere bereits in der Vergangenheit beobachtete Trinkwasserverunreinigungen neu bewertet bzw. angepasst werden.
Dr. Matthias Brück ist selbstständiger technischer Berater und “Wasser-Doktor” mit Themenstellungen aus dem Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung. Dabei liegt sein fachlicher Schwerpunkt auf dem Spannungsfeld Wasser / Energie / Hygiene.