Abwasser: So lässt sich Rückstau vermeiden
Freiwillig fließt Wasser nur bergab. Obwohl, bergab ist relativ. Von sich aus möchte sich Wasser einfach auf einer Ebene ausbreiten. Sieht man sich kommunizierende Röhren an, wird schnell klar, dass ein Wasserspiegel sich zwanghaft ausgleichen möchte, wenn er nicht aufgehalten wird. Dieses Aufhalten muss allerdings planvoll erfolgen und sollte einigen Regeln unterworfen werden.
Gründe für einen Rückstau
Die Abwasserinstallation eines Wohnhauses mündet für gewöhnlich ins Abwassersystem einer Kommune. Üblicherweise ist das System der Kommune in der Lage, die Abwässer zur Kläranlage zu leiten. Äußere Einflüsse können dies jedoch verhindern. Beispielsweise kann ein sogenanntes Starkregenereignis die Kanalisation überlasten. Wenn enorme Regenmassen gleichzeitig mit den gewöhnlichen Abwassermengen in einem Rohr abgeführt werden, kann es zu einem Ansteigen des Abwasserspiegels im Kanalnetz kommen. Das Abwasser tritt dann im Extremfall sichtbar aus Gullis aus und flutet die Straßen und Gehwege. Natürlich macht dieses Abwasserniveau auf der Straßenoberkante auch nicht vor dem Keller eines Hauses halt. Auch dort möchte es sich ausbreiten und seinen feinen Duft verteilen. Man bezeichnet einen solchen Vorgang als Rückstau. Weitere Gründe für einen Rückstau können sein:
- Überlastung des Netzes durch andere Einleitungen oder besondere Ereignisse
- Verstopfung von Abwasserkanälen
- Ausfall von Pumpanlagen
Die Inhaber der Abwasserkanäle, also meistens die Kommunen, wissen, dass diese Ereignisse eintreten können. Sie fordern daher deutschlandweit jeden Hausbesitzer auf, sich selbst zu schützen vor den Auswirkungen eines Rückstaus. Es kann also sehr unangenehm werden, wenn man den Schutz des Hauses vor solchen potenziellen Fällen vernachlässigt. Es ist auch äußerst fragwürdig, ob Versicherungen bei einem mangelnden Schutz vor Rückstau überhaupt für entstandene Schäden aufkommen.
Rückstauschutz nach DIN 1986-100
Die DIN 1986-100 beschreibt im Abschnitt 13, wie ein Schutz gegen Rückstau aussehen sollte. Man kann die Planung in folgende Schritte unterteilen:
- Feststellung des Niveaus der sogenannten Rückstauebene (RSE)
- Auflistung der Entwässerungsstellen (EWS), die unterhalb der RSE liegen
- Festlegung von Abwasserart und -menge der EWS unter der RSE
- Auswahl einer geeigneten Sicherungsart (Einzel- oder Sammelsicherung) für jede relevante EWS
Grundsätzlich kann die RSE für ein Wohnhaus bei der Kommune erfragt werden. Letztlich entbindet diese Auskunft der Kommune aber nicht vor der eigenen Verantwortung zur korrekten Festlegung. Daher gilt: Die RSE befindet sich auf dem Niveau von Straßenoberflächen, Gehwegen oder Seitenstreifen, von wo aus sich rückstauendes Wasser in der Ebene verteilen kann. Im abschüssigen Gelände ist die Oberkante des nächsten Abwasserschachtes relevant. Die Verhältnisse werden in der Skizze 1 dargestellt.
Schutz für alle Bereiche?
Will man einen Rückstauschutz errichten, so neigt man dazu, großzügig zu sein. Ein Schutz, ausgedehnt auf alle Bereiche, kann doch nicht so falsch sein? Das betrifft allerdings keinesfalls den Schutz vor Rückstau. Es gilt ganz klar, dass nur die Ablaufstellen, die unterhalb der RSE liegen, geschützt werden. Ablaufstellen oberhalb der RSE während eines Rückstaus auch zu blockieren ist nicht nur sinnlos, sondern auch kontraproduktiv. Denn diese Ablaufstellen würden ohnehin nicht geflutet, könnten aber während des Rückstaus nicht mehr benutzt werden, weil diese ja dann vom Abwasserkanal abgeschnitten wären.
Die Skizze 2 verdeutlicht diese Misere in der linken Darstellung. Wäre auch das WC im Erdgeschoss, also oberhalb der RSE an der Sicherung im Keller angeschlossen, so wäre dieses WC während eines Rückstaus nicht benutzbar. Gefährdet wäre das WC im Erdgeschoss aber nicht durch das rückdrückende Abwasser, da dieses nicht so weit ansteigt, sondern sich auf der Straße und damit in der Ebene verteilt.
Festlegung der Abwasserart
Um geeignete Sicherungseinrichtungen gegen Rückstau auswählen zu können, muss man zwischen fäkalienfreiem Abwasser, also sogenanntem Grauwasser, und fäkalienhaltigem Abwasser, sogenanntem Schwarzwasser, unterscheiden. Diese Unterscheidung ist wichtig und lässt sich sehr plausibel am Beispiel eines Rückstauverschlusses, ausgeführt als Pendelklappe, erklären. Ein solcher manueller Verschluss würde durch Fäkalien beeinträchtigt und eventuelle Ablagerungen könnten zur Funktionsstörung führen. Schwarzwasserleitungen dürfen daher nicht mit Rückstauverschlüssen ausgestattet werden, die mittels Pendelklappen einen Rückstau verhindern sollen.
Welche Sicherung gibt es?
Grundsätzlich kann mit einem Rückstauverschluss ein gewisser Schutz erreicht werden. Im Falle eines Rückstaus schließt sich also eine Klappe und verhindert das Rückdrücken des Abwassers aus dem Kanal. Die Dichtheit solcher Klappen ist zwar normativ geregelt, kann aber nicht als 100-prozentig angesehen werden. Daher sollten nur untergeordnete Räume mit solchen Klappen abgesichert werden. Untergeordnet bedeutet ganz sicher nicht, dass in dem abgesicherten Raum oder Geschoss die empfindliche Elektronik des Hobby-Fotografen lagert.
Absolute Sicherheit gegen das Rückdrücken von Abwasser, das sich bis zur Rückstauebene aufstaut, ergibt sich nur durch eine Rückstauschleife. Naturgemäß kann das sich rückstauende Wasser erst diese Schleife als Barriere überwinden, wenn sich das Wasser bereits in der Ebene aufstauen würde. Dann kann aber auch ein funktionsfähiger Rückstauschutz nichts mehr halten, denn dann läuft es auch zu den Kellerfenstern rein. Für diese Rückstauschleifen muss natürlich Pumpenenergie aufgewendet werden.
Das bedeutet, für die Zeit der Nutzung dieser EWS wird nicht per Schwerkraft entwässert, sondern mit zusätzlicher elektrischer Energie nachgeholfen. Dies erklärt natürlich auch, warum wirklich nur die EWS unterhalb der RSE über diese Rückstauschleife entwässert werden sollen, dürfen und müssen. Bei dem enormen Aufwand ist der Schutz gegen Überschwemmung dann aber auch sehr hoch.
Coole Kombi möglich
Eine interessante Kombination aus Verschluss und pumpenunterstützte Abwasserentsorgung während der Zeit, in der ein Rückstau vorliegt, ist der Pumpfix von Kessel. Dieser ist im Normalbetrieb komplett geöffnet und entlässt sämtliches Abwasser per Schwerkraft in Richtung Kanal.
Staut es sich aus dem Kanal zurück ins häusliche Abwassersystem, so schließt der Pumpfix und schützt vor der Abwasserflut. Wird jedoch aus dem System des Hauses, also auf der eigentlich trockenen Seite des Pumpfix, ein Abwasserstrom gemeldet, so drückt eine Pumpe diese Abwassermenge gegen den Rückstau in das Abwassersystem in Richtung Kanal.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in SBZmonteur 06-2015.