Ladesäulen für E-Autos richtig planen
Was vor einigen Jahren noch wie Zukunftsmusik klang, wird nun mehr und mehr Realität. Wer sich beim Einkaufen Zeit lässt, profitiert doppelt: Während der Kunde Angebote und Alternativen in Ruhe vergleicht, wird vor der Tür das Auto getankt, und das sogar umsonst. Einzelhändler setzen mehr und mehr auf dieses Konzept zur Kundengewinnung und -bindung. Eine Vorreiterrolle dabei spielt Aldi Süd.
Das Unternehmen wird Ende des Jahres mehr als 80 Ladesäulen für Elektroautos anbieten. Doch anders als in den Vorjahren setzen die Manager nun auf eine ganz neue Kundengruppe: die Langstreckenfahrer. Der nächste Ausbauschritt des Ladenetzes wird sich vor allem in Autobahnnähe vollziehen.
Anschlussleistung reicht oft nicht
Für die Planer stehen neben vielen Standortfaktoren auch das Vorhandensein einer Photovoltaikanlage sowie die verfügbare Leistung im Mittelpunkt der Recherche. Insbesondere dann, wenn hohe Ladeleistungen bereitstehen sollen, ist der vorhandene Anschluss oft nicht mehr ausreichend.
Der Leiter des Energiemanagements bei Aldi Süd, Florian Kempf, kann in puncto Solarstrom aus dem Vollen schöpfen. Immerhin 1.300 Filialen verfügen über eine Photovoltaikanlage mit Eigenversorgung. Dennoch können an den wenigsten Standorten eben mal 50 Kilowatt Leistungsabnahme einfach so dazugepackt werden. Ist mehr Leistung nötig, wird eine Leistungserhöhung beim Netzbetreiber beantragt. Das Unternehmen beteiligt sich dann mit einem Baukostenzuschuss.
„Viel komplizierter und teurer ist es dagegen, wenn eine neue Trafostation gebaut werden muss“, erzählt Kempf. Das ist wirtschaftlich kaum abzubilden. Die Ladestationen werden direkt am Hausanschluss der Filiale angeschlossen, wo auch der Strom aus der Photovoltaikanlage ankommt. Danach müssen die lokalen Gegebenheiten betrachtet werden.
Aus Kostengründen ist der kürzeste Weg vom Gebäude zur Ladestation der beste. „Aber wir platzieren dennoch die Ladesäulen sehr prominent, denn wir wollen ja, dass sie genutzt werden“, betont Kempf.
Kapazitätserweiterung beantragen
Auch die Erfahrungen von Lothar Stanka sind sehr verschieden, was die Gegebenheiten vor Ort beim Kunden betrifft. Stanka ist Vertriebsleiter Elektromobilität bei Innogy. Das Unternehmen bietet umfangreiche Dienstleistungen und Produkte in diesem Markt und unterhält inzwischen ein bundesweites Netz an Infrastruktur mit rund 7.250 vernetzten Ladepunkten.
Stanka berichtet: „Meistens reicht der Netzanschluss , wenn der Kunde nur ein bis zwei AC-Ladesäulen mit 22 Kilowatt installieren will.“ Sobald größere Leistungen abgerufen werden sollen, muss häufig eine Kapazitätserweiterung beim Netzbetreiber beantragt oder sogar ein neuer Anschluss gelegt werden. Die gute Nachricht dabei: Mittlerweile legen einige Netzbetreiber einen zweiten Anschluss auf das jeweilige Grundstück.
Sinnvolle Anzahl und Ausstattung
Auch bei Innogy beginnt die Planung mit der Analyse der Kundenwünsche und Ziele. Selbstredend werden auch die Gegebenheiten vor Ort unter die Lupe genommen.
Geplant wird dann ein Mobilitätskonzept, das die sinnvolle Zahl der Ladepunkte und deren Ausstattung beinhaltet, aber auch spätere Abrechnungsmodelle und Freischalteinrichtungen. Wie im Falle von Aldi Süd liegt zudem der Fokus auf dem barrierefreien Zugang. Das heißt, alle Autos mit den gängigen Steckertypen sollen an der Ladesäule bedient werden können. Wird es bei einem Gewerbebetrieb knapp mit der elektrischen Leistung, setzt Innogy im firmeneigenen Back-End ein Lastmanagement ein.
Dabei kann der Kunde selbst Vorgaben machen, welche maximale Last am konkreten Punkt zur Verfügung stehen soll. Er kann die Leistung zudem temporär oder ständig reduzieren.
Abrechnungsvarianten bedenken
Wichtig ist auch, bereits in der Planung die spätere Abrechnung des gelieferten Stroms zu bedenken. Denn dafür wird ein Anbieter gebraucht, der das auch kann.
Die Ladesäule selbst muss eine entsprechende Konnektivität haben, das heißt über eine Mobilverbindung oder ein Netzwerk Daten versenden können. Die Freischaltung via App oder RFID-Karte muss funktionieren. Für all diese Themen braucht es einen Partner, der den entsprechenden Service bietet. Die Mitarbeiter von Innogy sehen im Back-End alle Ladepunkte und können im Zweifel auch sofort weiterhelfen.
Andreas Schmidt, Elektromeister aus Ahrensburg, hat in den letzten zwei Jahren rund 60 Ladesäulen von Mennekes errichtet. Ungezählt sind die, die zwar angefragt, aber letztlich nicht gebaut wurden. Denn der bestehende Hausanschluss erweist sich oft als Hemmnis für die Installation von Ladesäulen, insbesondere wenn es um mehrere Ladesäulen für ein Objekt geht.
Zu hohe Kosten für kleine Betriebe
Wenn Schmidt die Kundenwünsche aufgenommen hat, sieht er sich zuerst den Hausanschluss an und befindet darüber, ob dieser für die vorgesehene Dauerbelastung ausreicht. Zudem stellt sich die Frage, wie der Zählerschrank aussieht und ob er noch erweitert werden kann.
Da jede Ladestation eine eigene Zuleitung braucht, muss geprüft werden, ob auch für die Sicherung jeder Ladesäule genug Platz ist. Meist ist das Ergebnis, dass der Hausanschluss nicht ausreicht, aber auch nicht erweitert werden soll. Sind zu viele Ladesäulen geplant, hilft es manchmal, mit dem Lastmanagement vom Hersteller Mennekes zu arbeiten. Dieses Management kann Teillasten verteilen, sodass auch mehrere Autos gleichzeitig Ladeleistung beziehen können.
Der nächste große Diskussionspunkt ist das Bezahlsystem. Wer soll bezahlen? Die Firma, der Hausbesitzer oder der einzelne Kunde? All diese Fragen werfen spezifische planerische Konsequenzen auf. Schmidt berichtet von dem konkreten Fall in einem Mehrfamilienhaus mit 40 Parteien. Jede Mietpartei sollte eine eigene Ladestation bekommen. Das Haus hätte eine eigene Mittelspannungseinspeisung gebraucht. Absurd, eine Leitung quer durch die Stadt zur nächsten Trafostation zu ziehen.
Die Autos der Zukunft laden
Die Angaben zum Auto und zum Ladeverhalten vernachlässigt Schmidt in seinen Planungen. Er berichtet: „Bei der Planung ist mir egal, was für Autos wie oft geladen werden. Im Gegenteil, auf dieser Grundlage zu planen, wirft andere Probleme auf. Denn die Autos werden ja schnell gewechselt, die Ladestationen aber nicht.“ Seiner Meinung nach sollten die Ladestationen deshalb so ausgelegt werden, dass sie die nächsten 20 oder 30 Jahre halten und auch die Autos der Zukunft laden können.
Deshalb rät Schmidt seinen Kunden von der kleinen, einphasigen 3,6-Kilowatt-Ladestation ab, zumal der Preisunterschied zur Elf-Kilowatt-Ladestation gar nicht so groß ist. Reicht der Hausanschluss für elf Kilowatt nicht aus, kann die Ladeleistung auf 3,6 Kilowatt begrenzt und später bei der Erneuerung des Hausanschlusses die volle Leistung bereitgestellt werden.
Schmidt sieht vor allem auch Aufklärungsbedarf bei den Autoverkäufern, die sogar mitunter zum Laden an der Schukosteckdose ermuntern. „Da bekomme ich einen roten Kopf. Das kann man nicht dauerhaft machen, weil die Steckdosen dafür nicht ausgelegt sind und die Leitungen dahinter auch nicht“, sagt er.
Der unzureichende Hausanschluss und die daraus resultierenden völlig überhöhten Sekundärkosten sind in Schmidts Praxis ein häufiger Grund, weshalb Ladestationen nicht gebaut werden. Denn der Elektriker ist in der Pflicht: Wenn er eine Änderung am Zähler- oder Hausanschlusskasten vornimmt, müssen diese Kästen hinterher den aktuellen Normen entsprechen.
Wenn alte Kästen mit vieradrigem Kabel nach neuer Norm einen fünfadrigen Anschluss brauchen, muss er den örtlichen Netzbetreiber ins Boot holen, der einen neuen Hausanschluss setzt. Und das kostet viel Geld.
Eine Lösung gibt es immer
Gewerbebetriebe sind häufig bereit, diese Kosten zu übernehmen, aber es gibt eine weitere bittere Pille. Für ein oder zwei Tage ist dann die Stromversorgung im Betrieb unterbrochen. Und das ist dann oft die letzte Hürde, die nicht übersprungen werden kann oder will.
Für den zu leistungsschwachen Netzanschluss gäbe es auch noch eine andere Lösung: ein leistungsstarker Batteriespeicher, der idealerweise mit Solarstrom beladen wird und im Bedarfsfall ausreichend große Ladekapazität bereitstellen kann. Dieser lohnt sich aber nur, wenn im Gewerbe selbst andere Anwendungen den Strom vom Dach sinnvoll verwenden können.
Argumentieren für zukünftigen Ausbau
Das Unternehmen Egrid, eine Tochter des Allgäuer Überlandwerks, sieht die Entwicklung der Infrastruktur für Ladesäulen aus dem Blickwinkel eines Versorgers. Die Mitarbeiter von Egrid Applications and Consulting bauen Netzmodelle auf und führen damit Simulationen durch. Das ist notwendig, um große Erzeugungsanlagen zu integrieren oder auch große Verbraucher. Elektromobilität ist dabei vor allem dann relevant, wenn an einzelnen Standorten, beispielsweise an der Autobahn, mehrere leistungsstarke Schnellladestationen gebaut werden sollen.
Die Ingenieure und Netztechniker erstellen gerade ein komplexes Konzept für ein Wohngebiet mit 800 Wohneinheiten. Wenn die Bewohner der mehrgeschossigen Häuser mit Tiefgaragen zukünftig mehr und mehr Elektroautos fahren, soll die Infrastruktur das auch hergeben.
Die schwierige Aufgabe von Egrid ist dabei, Investoren und Architekten davon zu überzeugen, heute schon Räumlichkeiten für Trafostationen und Schaltanlagen freizuhalten.
Außerdem muss die Statik der Tiefgarage so ausgelegt werden, dass alle Kabel in Kabelbrücken unter der Decke geführt werden können. „Da reden wir über viel Gewicht, das später noch dazukommt, und auch über erhebliche zusätzliche Investitionen“, berichtet Gernot Graefe, einer der Geschäftsführer von Egrid. Die Frage, ob die Ladeleistung später abgerechnet werden soll, ist auch für Graefe ein wichtiger Punkt schon bei der Planung, denn daraus resultieren technische Anforderungen.
Aber auch für Gewerbebetriebe und Industriekunden erbringt Egrid solche komplexen Planungsleistungen. Nach Ansicht von Gernot Graefe findet sich im Gewerbe der ideale Anwendungsfall für die Elektromobilität. Weil Egrid häufig Kunden betreut, die einen Mittelspannungsanschluss haben, ist anders als beim Elektromeister aus Ahrensburg die benötigte zusätzliche Leistung für Ladesäulen meist kein Problem.
Dennoch muss man schauen, denn die Parkplätze selbst liegen oft an Stellen, wo nicht direkt ein ausreichender elektrischer Leitungsanschluss möglich ist. Da sind individuelle Lösungen gefragt.
Dieser Artikel von Petra Franke ist zuerst erschienen in Photovoltaik 9/2018.