Das sind die wichtigsten Auswirkungen der F-Gase-Verordnung
Dass sie das Potenzial zum Dauerbrenner besitzt, hat anfangs kaum jemand vermuten können – die Rede ist von der F-Gase-Verordnung, die zum 1. Januar 2015 in Kraft trat. Nach wie vor sorgt sie in der Branche für reichlich Zündstoff, und das beileibe nicht nur beim Klima- und Kälteanlagenbauer, sondern auch im SHK-Fachhandwerk, bei Fachplanern, Architekten und Investoren.
Der Grund dafür ist schlichtweg Verunsicherung, getrieben durch eine oftmals kontroverse Berichterstattung in zahlreichen, auch populärwissenschaftlichen Medien. Zu oft wurden und werden immer noch Hoffnungen auf das „Wunderkältemittel“ geschürt – ohne GWP, 100% natürlich, nicht brennbar, nicht giftig, ohne kritisches Treibhauspotenzial, materialschonend und energiesparend.
Unsicherheit bei Entscheidungen zum Technikeinsatz
Weil die Wärmepumpe mittlerweile zum Wärmeerzeuger Nummer eins avanciert, wird Kältemittel in immer mehr Haushalten nicht nur im Kühlschrank oder Auto eingesetzt. „Überall auf der Welt wird nach neuen Kältemitteln geforscht und es sind zahlreiche Möglichkeiten gefunden worden“, sagt Michael Lechte, Product Marketing Manager bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems. „Doch keine dieser Alternativen kann alle genannten Wünsche erfüllen. Ein geringerer GWP wird erkauft durch brennbare, extrem toxische oder unter sehr hohem Druck stehende Kältemittel. Darüber hinaus können einige der derzeit erforschten Kältemittel lange nicht die Effizienzanforderungen erfüllen, die gewünscht und notwendig sind. Das heißt: Es wäre deutlich mehr Einsatz von Primärenergie notwendig, um die benötigten Leistungen zu generieren. Auch das kann keine Lösung sein.“
Zurück bleiben insofern Zweifel über die folgenreichen Entscheidungen beim Einsatz von Heiz- und Kühlanlagen. Denn was ist, wenn in wenigen Jahren das jetzt bevorzugte Kältemittel nicht mehr erhältlich ist, die Planungen von 2017 hinterfragt werden und neue Investitionen notwendig sind? Diese Unsicherheit in den tagtäglichen Entscheidungen soll durch die nachfolgenden Fragen und Antworten beseitigt werden.
Was soll die F-Gase-Verordnung bewirken?
Die F-Gase-Verordnung ist ein Beitrag, um die Treibhausgasemissionen des Industriesektors bis zum Jahr 2030 um 70% gegenüber 1990 zu reduzieren. Bis 2030 sollen so die Emissionen fluorierter Treibhausgase (F-Gase) um 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf 35 Millionen pro Jahr halbiert werden. Erreicht werden soll dies durch drei Ansätze:
- Die Einführung einer schrittweisen Beschränkung der am Markt verfügbaren Mengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (Phase down) bis 2030 auf ein Fünftel der heutigen Menge (Bildergalerie Bild 1).
- Den Erlass von Verwendungs- und Inverkehrbringungsverboten, wenn technisch machbare, klimafreundlichere Alternativen vorhanden sind (Bildergalerie Bild 2).
- Die Beibehaltung und Ergänzung der Regelungen zu Dichtheitsprüfungen, Zertifizierung, Entsorgung und Kennzeichnung (Bildergalerie Bild 3).
Was bedeutet „Global Warming Potential“ (GWP)?
Das relative Treibhauspotenzial eines Treibhausgases gibt an, um wievielmal stärker oder schwächer eine bestimmte in die Atmosphäre emittierte Menge des Gases im Vergleich zur gleichen Menge CO2 zum Treibhauseffekt beiträgt. CO2 hat dabei laut Definition bei 100 Jahren Zeithorizont das Treibhauspotenzial 1, für Methan (CH4) beträgt es 23. Das bedeutet: 1kg Methan trägt in 100 Jahren 23-mal stärker zum Treibhauseffekt bei als 1kg CO2. Zum Vergleich: Das früher bei Wärmepumpen und Klimageräten gebräuchliche R404A hat ein GWP von 3.922.
Für welche Technologien gilt die F-Gase-Verordnung?
Die F-Gase-Verordnung gilt unabhängig von der eingesetzten Technologie – seien es Kälteanlagen, Kühlschränke, Wärmepumpen oder Brandschutzanlagen. Vielmehr werden die Arten der Kältemittel erfasst und bewertet sowie gewissen Bestimmungen unterworfen. Das heißt: Auch Wärmepumpen fallen unter die F-Gase-Verordnung, soweit diese „ortsfest“ eingebaut sind. Die eigentliche Technologie – Monoblockgerät, Splitgerät etc. – ist dabei unerheblich. Die F-Gase-Verordnung bezieht sich auf die in der EU in den Verkehr gebrachten Mengen von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW).
Was bedeutet eigentlich „Phase-down-Szenario“?
Beim „Phase-down-Szenario“ handelt es sich um eine schrittweise, künstliche Beschränkung der am Markt verfügbaren Mengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) bis zum Jahr 2030 auf ein Fünftel der heutigen Verkaufsmengen. Der Phase down hat jedoch keine Auswirkungen auf aufbereitetes Kältemittel, das sich bereits im Markt befindet und umweltschonend wieder verwendet wird. Dieses Recycling wird bereits praktiziert und erzeugt technisch einwandfreies Kältemittel, das die gleichen Eigenschaften wie neu hergestelltes Kältemittel hat.
Das Wichtigste dabei: Kältemittel ist ein Betriebsmittel, das in einem geschlossenen Kreislauf eingesetzt wird. Es wird nicht verbraucht, wie Benzin in einem Auto. Vielmehr behält es über Jahrzehnte seine Eigenschaften. Aufbereitetes Kältemittel kann also trotz des Phase-down-Szenarios weiter eingesetzt werden. Unter Umständen kann es jedoch bis zum Jahr 2030 dazu kommen, dass sich der Gesamtbestand an HFKW verknappt und dadurch die Preise hierfür steigen.
Ab wann sind bestimmte Kältemittel und Services verboten?
Generell dürfen ab dem 1. Januar 2020 keine Kältemittel mehr in Verkehr gebracht werden, deren GWP oberhalb von 2.500 liegt. Das heute mehrheitlich gebräuchliche R410A erfüllt beispielsweise auch dann weiterhin alle gesetzlichen Auflagen, da sein GWP mit 2.088 deutlich unter dem Grenzwert von 2.500 liegt.
Auch die ab dem 1. Januar 2020 greifenden Serviceverbote treffen ausschließlich auf Anlagen zu, die mit Kältemitteln befüllt sind, deren GWP oberhalb von 2.500 liegt. Eine Wiederbefüllung oder auch nur eine Auffüllung von Kältemitteln ist bei diesen Anlagen nicht erlaubt. Sie müssen demnach spätestens beim Auftreten von Störungen oder Defekten außer Betrieb genommen und ggf. durch neue Anlagen ersetzt werden.
Sind die „neuen“ Kältemittel eine Alternative zu HFKW wie R410A?
Jedes neue Kältemittel, das über ähnliche Eigenschaften wie die derzeit gebräuchlichen Produkte verfügt und ein geringeres Treibhauspotenzial hat, sollte in jedem Fall genau geprüft werden und eine Chance bekommen. Die derzeit erhältlichen alternativen Kältemittel bilden jedoch ein Spektrum an denkbaren problematischen Eigenschaften für den Einsatz in Gebäuden ab, denn sie sind entweder brennbar, hochgiftig oder stehen unter erheblichem Druck.
Mögliche Leckagen bilden, beispielsweise bei einem brennbaren Kältemittel, ein deutlich höheres Risiko im Gebäude als bei derzeit gebräuchlichen Kältemitteln. Die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen beim Einsatz eines brennbaren Kältemittels sind dementsprechend noch nicht abschließend geklärt. Ebenso unklar sind noch die kommenden Vorschriften hinsichtlich Transport und Lagerung.
Wie positionieren sich die Hersteller zur F-Gase-Verordnung?
Generell haben die Hersteller von Wärmepumpen, Kälteanlagen und Klimatechnik nachvollziehbar unterschiedliche Ansichten zur F-Gase-Verordnung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen. So haben sich einige Unternehmen darum bemüht, schnellstmöglich alternative Kältemittel einzusetzen und damit natürlich auch deren Verwendung in den Vordergrund zu stellen. Andere Hersteller wiederum setzen auf die derzeit verfügbare Technologie und sehen nüchtern die Tatsachen, die sich aus der F-Gase-Verordnung ergeben.
„Das Standard-Kältemittel, das Mitsubishi Electric in seinen Systemen anbietet, ist und bleibt grundsätzlich R410A. Diese Entscheidung haben wir im Bewusstsein getroffen, dass R410A ein bewährtes und hocheffizientes Kältemittel ist“, formuliert Lechte dazu. „Wer sich heute für ein System mit R410A entscheidet, kann dies in der Gewissheit tun, dass er über die Lebensdauer der Anlage ein Kältemittel einsetzt, das alle gesetzlichen Auflagen erfüllt und weder brennbar noch hochgiftig ist. Durch die künstliche Verknappung von R410A kann es aber eventuell dazu kommen, dass der Preis in den nächsten Jahren steigen wird. Bei der Verknappung handelt es sich jedoch ausschließlich um die Neuproduktion, nicht um das Recycling und die Aufbereitung von vorhandenem Kältemittel. Das darf weiterhin umgesetzt werden.“
Wie anfällig sind Kälte- und RLT-Anlagen für Kältemittelverluste?
Neutrale Untersuchungen von Kälte- und RLT-Anlagen zeigen, dass die Leckagerate bei allen Anlagenformen äußerst gering ist. Bei insgesamt 69.000 untersuchten Anlagen waren es insbesondere Gewerbe- und Industriekälteanlagen, die mit 6,1 bzw. 3,7% Leckage vergleichsweise höhere Werte zu verzeichnen hatten. VRF-Anlagen und Split-Klimageräte hingegen liegen mit 1,0 bzw. 1,3% Leckagepotenzial deutlich darunter.
Gemäß der Auswertung der VDKF-LEC-Datenbank sind VRF-Anlagen und Split-Klimageräte damit unterdurchschnittlich von Leckagen betroffen. Das gilt im Vergleich unterschiedlicher Kältemittel auch für R410A, das darüber hinaus die geringste Leckagerate aufweist.
Lechte: „In puncto Emissionen von Treibhausgasen sind VRF-Anlagen im Vergleich zu anderen Technologien am untersten Ende der Tabelle zu finden. Zu den größten Emittenten zählen dagegen beispielsweise große Frachtschiffe.“
Steht somit der erste Wechsel einer Kältemittelgeneration an?
Nein – unabhängig von der F-Gase-Verordnung haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder grundlegende Wechsel der gebräuchlichsten Kältemittel in der Branche stattgefunden. Die Hersteller konnten hierfür stets passende Lösungen anbieten. Zuletzt beispielsweise mit dem Tausch von R22. Hier bietet beispielsweise Mitsubishi Electric mit seiner Replace Technology den Tausch von Innen- und Außengeräten an, ohne dass die verbindenden Kupferrohre mit nachvollziehbar erheblichem Aufwand getauscht werden müssen.
Diese Vorbereitung seitens der Industrie ist letztendlich die Basis für eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Fachhandwerk. „Heute so, morgen so – das kann sich keiner der großen Hersteller am Markt leisten, ohne dass er seine wichtigste Klientel massiv verärgert“, erläutert Dror Peled, General Manager Marketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems.
„Deswegen fahren wir langjährige Strategien mit klaren Aussagen, auf die unsere Partner bauen können. Weder der Wechsel eines Kältemittels noch die F-Gas-Richtlinie sollten als Schreckgespenst hochstilisiert werden. Die Hersteller halten hier verschiedene Lösungen bereit. Wir treffen darüber hinaus klare Aussagen für die langfristige Planbarkeit von Lösungskonzepten.“
Sticht ein alternatives Kältemittel als „Branchenlösung“ hervor?
Grundsätzlich werden im Markt von verschiedenen Teilnehmern natürliche Kältemittel als Lösung der Zukunft dargestellt. Dabei steht je nach Fokus und Ausgangslage des jeweiligen Anbieters ein anderes Kältemittel im Mittelpunkt. Zurück bleibt der Fachhandwerker mit der Frage, welcher Aussage er Vertrauen schenken kann.
Generell sollten die Eigenschaften der Kältemittel auch in Verbindung zu den Einsatzorten gebracht werden. Gerade brennbare und hochgiftige Kältemittel in Gebäuden lassen verständlicherweise Zweifel aufkommen – gerade auch dadurch, dass viele Fragen rund um deren Einsatz noch nicht abschließend geklärt sind.
Gibt es eine Entwicklung hin zu „natürlichen Kältemitteln“?
„Natürliche Kältemittel“ wie z. B. R744 oder CO2 werden bereits heute in verschiedenen Anwendungen eingesetzt. So bietet Mitsubishi Electric erstmals eine Heißwasser-Wärmepumpe QAHV mit dem Kältemittel R744. Natürliche Kältemittel bieten bislang aber nur einen eng begrenzten Einsatz-Korridor. So ist das QAHV-System perfekt für die Bereitstellung von heißem Wasser geeignet – nicht aber für die Heizwärmeversorgung.
Der Grund dafür liegt im großen Delta-t, das von der Anlage gebraucht wird, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Diese Voraussetzungen sind bei zahlreichen Anwendungen in der Heißwasserbereitung gegeben – nicht aber in der Wohnwärmeversorgung. „Natürlich ist es auch unser Ziel, die Umwelt bei der Verwendung unserer Anlagentechnik in jeder Hinsicht zu schonen. Das machen u. a. verschiedenste Initiativen und Entwicklungsprojekte von Mitsubishi Electric sehr deutlich“, so Peled. „Auch deswegen arbeiten wir daran, natürliche Kältemittel dort einzusetzen, wo es möglich und wirtschaftlich machbar ist. Ein absehbarer, breiter Durchbruch ist noch offen.“
Weitere natürliche Kältemittel erkaufen ihre Vorteile – siehe oben – durch die Nachteile der Brennbarkeit oder Giftigkeit. So ist der Einsatz von Propan als Kältemittel aufgrund der brandschutztechnischen Bestimmungen in Gebäuden noch nicht abschließend geklärt.
Gibt es im VRF-Bereich Alternativen zum Kältemittel-Einsatz?
Grundsätzlich ja. Mit dem Hybrid-VRF-System (HVRF) steht dem Markt ein universelles Lösungskonzept zur Verfügung, das quasi unabhängig vom eingesetzten Kältemittel ist. Das HVRF-System ist das weltweit einzige Zwei-Leiter-System zum gleichzeitigen Kühlen und Heizen mit Wärmerückgewinnung, das die Vorzüge eines direktverdampfenden mit denen eines wassergeführten Systems kombiniert.
Das Kältemittel zirkuliert allein zwischen Außengerät und dem Hybrid-BC-Controller (HBC), während zwischen dem HBC-Controller und allen Innengeräten ausschließlich Wasser als Energieträger im Einsatz ist. Hierdurch ist im Vergleich zu konventionellen Systemen auch die notwendige Kältemittelmenge erheblich reduziert. Für das gleichzeitige Heizen und Kühlen sind – genau wie bei der VRF-R2-Technologie – lediglich zwei Rohrleitungen nötig.
Eine HVRF-Anlage besteht aus einem VRF-R2-Außengerät der City-Multi-Serie von Mitsubishi Electric und einem speziell aufgebauten Hybrid-BC-Controller. „Erstmalig haben wir auf der Chillventa 2016 den Prototyp der nächsten Generation der City-Multi-Außengeräte gezeigt. Die künftige Generation der City-Multi-Außengeräte wird auch dem HVRF-System eine noch breitere Basis und zusätzliche Attraktivität bieten. Das HVRF-System war von vornherein auch eine klare Antwort auf die Anforderungen der F-Gase-Verordnung und damit den Einsatz von Kältemitteln“, erläutert Peled abschließend.
Fazit
Die F-Gase-Verordnung und die derzeit gebräuchlichen Kältemittel haben in den letzten Jahren für viel Diskussion und Unsicherheit in der Branche gesorgt. Der Beitrag hat Argumente für die eigene Planung, aber auch das Gespräch mit dem Kunden geliefert. Fest steht derzeit vor allen Dingen eins: Das Phase-down-Szenario für R410A ist so langfristig angelegt, dass alle Anwender weiterhin eine ebenso langfristige Perspektive haben, wenn sie jetzt oder in den kommenden Jahren die Entscheidung für ein System fällen, das mit R410A betrieben wird.
Dieser Artikel von Martin Schellhorn ist zuerst erschienen in SBZ/04-2018. Dipl.-Kfm. Martin Schellhorn ist Fachjournalist und Inhaber der Fachpresseagentur Kommunikationsmanagement Schellhorn.