Biogasanlagen droht das Aus: Verbesserungen gefordert
Allein in Baden-Württemberg wollen nun zehn Anlagenbetreiber ihre Anlage stilllegen. Bundesweit sind es laut einer Umfrage des Fachverbandes Biogas knapp 90. Um den drohenden Kahlschlag zu vermeiden, sollte die Bundesregierung unter anderem so rasch wie möglich die Ausschreibungsmengen von jährlich zweimal 250 Megawatt Leistung auf insgesamt 1.800 Megawatt erhöhen, fordern die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) und der Fachverband Biogas. Biogas biete eine Alternative beim Umstieg von Erdgas auf klimafreundliche Energieträger und sei günstiger als grüner Wasserstoff. Die Biogaswärme wird in vielen Kommunen genutzt und ist ein wichtiges Element der kommunalen Wärmplanung.
Beteiligen sich Biogasanlagenbetreiber an einer Ausschreibung, können sie nach dem Ende der 20-jährigen Vergütung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EGG) eine neue Einspeisevergütung für weitere zehn Jahre erhalten. Das Problem: Der Gesetzgeber hat die Ausschreibungsmenge klein gehalten. Auf das ausgeschriebene Biomasse-Volumen von 240 Megawatt installierter Leistung wurden im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 788 Gebote im Umfang von 742 Megawatt eingereicht. Über 500 Biogasanlagen-Betreiber haben erneut keinen Zuschlag erhalten.
Umfrage: Viele Biogasanlagenbetreiber kommen nicht zum Zuge
Der Fachverband Biogas hat seine Mitglieder zu deren Ausschreibungsteilnahme und möglichen Konsequenzen bei einem negativen Bescheid befragt. Von den knapp 3.200 Betreibern haben 540 bei der Umfrage mitgemacht – rund 17 Prozent. Die Ergebnisse: 212 Betreiber hatten bereits einmal oder mehrfach an einer Ausschreibung teilgenommen. Nur 42 Prozent haben bislang einen Zuschlag erhalten. 88 Betreiber wollen nun ihre Anlage stilllegen – das sind 16 Prozent der Befragten. Für 151 Biogasanlagen bedeutet das Ende der EEG-Vergütungszeit auch das Ende der Wärmenutzung – also für mehr als ein Viertel. Sie werden künftig nur noch den Strom verkaufen.
Von den 540 Biogasanlagen haben 89 Prozent eine Wärmenutzung. Abnehmer der Biogaswärme sind über 21.000 Haushalte, 51 Schwimmbäder, 124 Schulen und Kindergärten, 82 Turnhallen, 54 Altenheime oder Krankenhäuser und 206 sonstige Nutzer (Ställe, Trocknung etc.). Hochgerechnet auf die 9.900 Biogasanlagen in Deutschland bedeutet dies, dass knapp 390.000 Haushalte an Wärmenetze angeschlossen sind, über 1.000 Schwimmbäder, knapp 2.500 Schulen und Kindergärten, 1.640 Turnhallen und über 1.000 Altenheime oder Krankenhäuser.
Drei Verbesserungen erforderlich
„Wir können es uns nicht leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten“, mahnt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Viele Orte in ganz Deutschland haben bei der vorgeschriebenen kommunalen Wärmeplanung auf Biogasanlagen gebaut. „Wenn die Biogaswärme, die bei der Erzeugung von Strom in Blockheizkraftwerken sowieso anfällt, nicht mehr zur Verfügung steht, wird es an vielen Stellen schwer werden mit der Umsetzung der Wärmewende“, sagt Seide. Er fordert: „Die Biogasbranche braucht dringend eine verlässliche Perspektive – sonst verlieren wir nicht nur flexible Leistung im Stromsektor, sondern auch sehr viel Wärme im ländlichen Raum.“
Dafür müsse das Ausschreibungsvolumen umgehend auf 1.800 Megawatt pro Jahr mehr als verdreifacht werden. Zudem solle der Flexibilitätszuschlag von 65 Euro auf 120 Euro je Kilowatt erhöht werden. Den Flexibilitätszuschlag erhalten diejenigen Betreiber, die nur dann Strom erzeugen, wenn zu wenig Strom im Netz ist. Auch müsse ein Verbot im Flexibilitätsbonus fallen. Bislang ist es nicht möglich, in einer bereits flexibilisierten Biogasanlage einen größeren Leistungsanteil zu flexibilisieren, etwa von 100 auf 200 Kilowatt. Dies müsse geändert werden, so Seide weiter.
Bioenergiedörfer: Kommunale Wärmeversorgung mit Biogasanlagen
Die geforderten Verbesserungen sind für Baden-Württemberg äußerst wichtig. Hier gibt es viele Bioenergiedörfer, die bisher einen wesentlichen Baustein der Energiewende im Südwesten darstellen. Die Idee: Mit einer Biogasanlage Strom zu erzeugen und die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme über ein Wärmenetz an öffentliche Gebäude, Haushalte oder Betriebe zu verteilen. Mauenheim im Landkreis Tuttlingen war das erste Bioenergiedorf in Baden-Württemberg. Diesem guten Beispiel sind in den vergangenen Jahren zig Kommunen gefolgt. Bioenergiedörfer und Nahwärmenetzbetreiber befürchten nun, dass die Wärme aus Biogasanlagen mit dem Ende der 20-jährigen EEG-Förderung versiegen könnte. Viele Betreiber sind verunsichert und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Aber auch viele Kommunen machen sich Sorgen um ihre Wärmeversorgung.
Auch für die kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg ist diese drohende Entwicklung ungünstig. Mit ihr soll eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreicht wer-den. Die Wärmeplanung beginnt mit einer systematischen Analyse des heutigen und zukünftigen Wärmebedarfs vor Ort, beziffert die Potenziale einer klimaneutralen Energieversorgung und weist Eignungsgebiete für Wärmenetze sowie eine dezentrale Wärmeversorgung aus. Außerdem werden Maßnahmen erarbeitet, mit denen sich der Wärmebedarf komplett mit erneuerbaren Energien, Abwärme und der Kraft-Wärme-Kopplung decken lässt.
Biogasanlagen könnten hier eine wichtige Rolle für eine klimaneutrale Wärmeversorgung spielen. Aus den Anlagen kann die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme ausgekoppelt und über ein Wärmenetz verteilt werden. Wärmenetze sind für den Gebäudebestand und für Gewerbebetriebe mit einem hohen Wärmbedarf besonders interessant. In älteren Gebäuden gelingt mit dem Anschluss an ein Wärmenetz mit Biogaswärme eine schnelle und vergleichsweise günstige Umstellung auf eine hundertprozentig erneuerbare Wärmeversorgung. Auch für Gewerbebetriebe mit einem hohen Wärmbedarf ist der Anschluss interessant. Der Branchenverband Plattform Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg (PEE BW) setzt daher auf eine Wärmeversorgungen mit Biogasanlagen besonders im ländlichen Raum.
„Nahwärmenetze sind ein guter Einstieg für Kommunen, nach der Wärmeplanung ein konkretes Projekt umzusetzen. Wenn die Potenziale einer Biogasanlage in einem Wärmenetz genutzt werden, kann das für die Nutzer, den Biogasbetreiber und die Kommune eine echte Win-Win-Situation sein“, sagt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der PEE BW. Unabhängig davon sind Wärmenetze für Kommunen ein Gewinn und erhöhen die Unabhängigkeit – denn sollte irgendwann noch mehr Wärme benötigt werden, lässt sich jede beliebige Wärmequelle an das Netz anschließen.