Dach-PV-Anlagen vor Blitzen und Überspannungen schützen
Ein Blitzeinschlag kann große Schäden an einer Photovoltaik-Anlage anrichten. Blitzschutzsysteme in Kombination mit korrekt ausgewählten Überspannungsschutzkomponenten schützen vor Schäden durch direkte Blitzeinschläge und auch durch sonstige Überspannungsereignisse. Blitzschutznormen wie DIN VDE 0100-443 konzentrieren sich vorwiegend auf den Schutz der AC-Seite eines Gebäudes. Die elektrotechnischen Besonderheiten einer Dach-Photovoltaik-Anlage erfordern jedoch eine genaue Betrachtung und besonderen Schutz der DC-Seite. Welche Ableiter-Typen an welcher Stelle zum Einsatz kommen sollten, hängt vom Zusammenspiel zwischen PV-Anlage und Blitzschutzsystem ab. Hier unterscheidet man drei gängige Szenarien.
Entgegen einem geläufigen Mythos steigt die Gefahr für Blitzeinschläge in ein Gebäude nicht automatisch, nur weil eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installiert ist. Ein entscheidender Risikofaktor für einen Blitzeinschlag ist die Höhe eines Gebäudes, und diese wird von einer Dach-PV-Anlage nur unwesentlich vergrößert.
Sollte es jedoch zu einem Blitzeinschlag kommen, kann dies immense Schäden an einer Photovoltaik-Anlage anrichten. Bei einem direkten Einschlag können die sehr hohen Blitzströme nicht nur die PV-Module zerstören, sondern im schlimmsten Fall einen Brand verursachen und damit Menschenleben gefährden. Bei einem Blitzeinschlag in der Nähe kann ein über die Versorgungsleitungen geführter Blitzstrom die elektrischen Komponenten stark beschädigen oder zerstören. Und auch bei Einschlägen in größeren Entfernungen von bis zu 2000 m können die auftretenden Einkopplungen die Elektronik noch beschädigen.
Normgerechte Blitzschutzsysteme in Kombination mit korrekt dimensionierten und abgestimmten Überspannungsschutzkomponenten schützen sowohl vor Schäden durch direkte Blitzeinschläge als auch durch sonstige Überspannungsereignisse. So schützen sie nicht nur Investitionen, sondern auch Menschenleben.
Die wichtigsten Normen für den Blitz- und Überspannungsschutz
Unabhängig von einer Dach-PV-Anlage ist der Blitz- und Überspannungsschutz eines Gebäudes heutzutage keine Frage des „Ob“, sondern eine Frage des „Wie“ – spätestens seit der im Oktober 2016 erschienenen Norm DIN VDE 0100-443. Diese schreibt die Installation eines Überspannungsschutzes auf der AC-Seite in so gut wie allen gängigen Gebäudetypen vor.
Auf diese Norm verweist wiederum die DIN VDE 0100-712 mit einem wichtigen Hinweis: Sobald ein Schutz vor transienten Überspannungen nach DIN VDE 0100-443 Abschnitt 443 gefordert ist, muss auch die DC-Seite einer PV-Anlage entsprechend geschützt sein. Die Norm DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2) liefert zentrale Hinweise rund um das Blitzschutz-Risikomanagement. Die konkrete Ausgestaltung des Überspannungsschutzes regelt die DIN VDE 0100-534.
Die Blitzschutznorm DIN EN 62305-3 sowie die Richtlinie VdS 2010 „Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz“ stimmen in einem zentralen Punkt überein: Für eine Photovoltaik-Anlage mit einer Größe von über 10 kWp reicht ein Blitzschutzsystem der Schutzklasse III (Gefährdungspegel LPL III) aus. Konkret schreiben DIN VDE 0100-443 und DIN VDE 0100-712 bei einer neu installierten Dach-PV-Anlage mit angeschlossener Stromversorgung den Einsatz eines Typ-2-Überspannungsschutzes auf der AC-Seite vor.
DIN VDE 0100-712 behandelt den Aufbau von PV-Stromversorgungssystemen und unter anderem auch das Thema Blitz- und Überspannungsschutz für diese Systeme und verweist explizit auf DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5). Danach ist bei Gebäuden mit einer Dach-PV-Anlage sowohl auf der AC- als auch auf der DC-Seite ein Überspanungsschutz notwendig.
Eine Frage des Trennungsabstands
Der bestmögliche Schutz besteht zweifellos, wenn die Überspannung direkt beim Eintritt ins Gebäudeinnere abgefangen werden kann. Für die Wahl der richtigen SPDs (Überspannungsschutzgeräte, Surge Protective Device, SPD) für die AC- und DC-Seite in einem Gebäude mit Dach-PV-Anlage unterscheidet die Norm grundsätzlich drei Szenarien – in Abhängigkeit davon, ob ein externes Blitzschutzsystem vorhanden ist.
Zum externen Blitzschutzsystem zählen die Fangstange, die Ableitungs- und die Erdungsanlage. Sind diese Elemente vorhanden, hängt die Auslegung des Blitzschutzsystems vom Trennungsabstand zum Rahmen der PV-Anlage ab. Dieser Trennungsabstand verhindert die Blitzentladung zwischen der Fangstange und dem Rahmen der PV-Anlage. Denn ansonsten könnte sich der Blitzstrom gleichmäßig über den Rahmen der PV-Anlage verteilen und über den Steigkanal des Gebäudes direkt in die Leitungen innerhalb des Gebäudes eingekoppelt werden. In diesem Fall drohen Überspannungsschäden an elektrischen Geräten, insbesondere am Wechselrichter.
Bei Gebäuden ohne externes Blitzschutzsystem schreibt die Norm auf der AC-Seite einen Typ-2-Ableiter vor, auf der DC-Seite ist ebenfalls ein Typ-2-Ableiter vorgeschrieben. Klassischerweise wird der Blitzschutz auf der AC-Seite in die Hauptverteilung integriert. Damit kommt häufig hier ein Typ-1-Ableiter für die 40-mm-Sammelschiene im Vorzählerbereich zum Tragen.
Bei Gebäuden mit externem Blitzschutzsystem muss auf der AC-Seite (beim Gebäudeeintritt) ein Typ-1-Ableiter installiert werden und auf der DC-Seite ein Typ-2-Ableiter – vorausgesetzt, der Trennungsabstand wird eingehalten. Externe Blitzschutzsysteme sind insbesondere bei öffentlichen Gebäuden zwingend vorgeschrieben. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, da die Installation einer Photovoltaik-Anlage den bestehenden Blitzschutz nicht verschlechtern darf; die Anlage muss sich dem bestehenden System anpassen. Gerade bei älteren, architektonisch komplexeren Gebäuden kann es angesichts des Trennungsabstands so zu einer Herausforderung werden, genug Platz für eine PV-Anlage zu finden.
Wird der Trennungsabstand zwischen dem externen Blitzschutzsystem und dem Rahmen der PV-Anlage nicht eingehalten, können Blitzteilströme in die PV-Anlage eindringen. Deshalb wird in diesem speziellen Fall die PV-Anlage (Rahmenkonstruktion) in die externe Blitzschutzanlage integriert. Hierbei ist auf eine Blitzstromtragfähigkeit der Verbindungselemente zu achten. Aufgrund des erhöhten Gefahrenpotenzials müssen dann sowohl die AC- als auch die DC-Seite mit einem Typ-1-Ableiter abgesichert werden. Ganz wichtig ist das Abfangen der zu erwartenden Blitzströme im Gebäudeeintritt. Daher ist dort auch der Platz für die Typ-1-Ableiter.
Durch den großen Abstand der PV-Anlage zum Netzanschlusspunkt im Gebäude ergeben sich oft lange Leitungsstrecken. Da mit zunehmender Leitungslänge beziehungsweise Größe der Leiterschleifen das Risiko für elektrische Störungen durch Blitzeinkopplungen steigt, muss eine ausreichende Absicherung sichergestellt werden. Wenn die Leitungslänge eines SPD 10 m überschreitet, empfiehlt DIN VDE 0100-534 darum, einen zusätzlichen SPD so nah wie möglich auf der AC- bzw. DC-Seite des zu schützenden Endgeräts zu installieren, beispielsweise eines Wechselrichters.
Tipps für den Blitz- und Überspannungsschutz von PV-Anlagen
- Ziehen Sie bei Entscheidungen rund um den Blitz- und Überspannungsschutz das Beiblatt 5 der Blitzschutznorm DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) zu Rate.
- Prüfen Sie, ob der Trennungsabstand zwischen dem externen Blitzschutzsystem und der PV-Anlage (Rahmen) eingehalten ist. Davon hängt die Gestaltung des gebäudeinternen Blitz- und Überspannungsschutzes maßgeblich ab.
- Installieren Sie erneut einen SPD bei Entfernung von > 10 m Leitungslänge, um Zerstörungen der Endgeräte durch Einkopplungen von Überspannungen bestmöglich zu vermeiden.
- Achten Sie bei der Wahl des SPDs auf das VDE-Kennzeichen, einen verlässlichen Indikator für Qualität und Sicherheit.
- Die umsichtige Wahl des Herstellers lohnt sich auch, wenn Rückfragen entstehen – bei Haftungs- oder Versicherungsfragen ist es von Vorteil, wenn der Hersteller eine Niederlassung und somit auskunftsfähige Ansprechpersonen vor Ort hat.
- Stellen Sie sicher, dass die eingesetzten Leitermaterialien, bei zu erwartenden Blitzstromeinwirkungen, über eine ausreichende Blitzstromtragfähigkeit verfügen. SPDs für direkten Blitzschlag (Typ 1) müssen mindestens 6 mm2 für die Stromleitung und 16 mm2 für den Schutzleiter (PE) aufweisen. SPDs für Überspannungen (Typ 2) müssen mindestens 2,5 mm2 für die Stromleitung und 6 mm2 für PE aufweisen.
Dieser Artikel von Ralf Güthoff erschien zuerst in TGA + E-Ausgabe 04/2023. Ralf Güthoff ist General Manager Lightning and Surge Protection Germany bei der Raycap GmbH, 85748 Garching bei München.
Literatur
[1] DIN VDE 0100-443 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-44: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen – Abschnitt 443: Schutz bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse oder von Schaltvorgängen (IEC 60364-4-44:2007/A1:2015, modifiziert); Deutsche Übernahme HD 60364-4-443:2016. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2016
[2] DIN VDE 0100-712 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-712: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Photovoltaik-(PV)-Stromversorgungssysteme; Deutsche Übernahme HD 60364-7-712:2016. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2016 und Entwurf Oktober 2022
[3] DIN EN 62305-2 / VDE 0185-305-2 Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management (IEC 62305-2:2010, modifiziert); Deutsche Fassung EN 62305-2:2012. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2013
[4] DIN VDE 0100-534 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 5-53: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Trennen, Schalten und Steuern – Abschnitt 534: Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) (IEC 60364-5-53:2001/A2:2015, modifiziert); Deutsche Übernahme HD 60364-5-534:2016. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2016
[5] VdS 2010 Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz. Köln: VdS, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV (Hrsg.), April 2015
[6] DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 / VDE 0185-305-3 Beiblatt 5 Blitzschutz – Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen; Beiblatt 5: Blitz- und Überspannungsschutz für PV-Stromversorgungssysteme. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2014