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Sofortprogramme: Kohle für den Klimaschutz

Dittmar Koop
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Die Ausgangslage

Im April dieses Jahres gelang Klimaschützern mit einer Klage am Bundesverfassungsgericht ein Paukenschlag. Sie hatten Erfolg mit der Aussage, dass das bis dato geltende Klimaschutzgesetz (KSG) aus dem Jahr 2019 nicht ausreichend die Zukunftsperspektiven der nachfolgenden Generationen berücksichtigen würde, weil es das Ziel Klimaneutralität zeitlich viel zu spät vorsah. Das Gericht bestätigte das und forderte die Politik zur Nachbesserung auf.

Dem Klimaschutzgesetz wohnt ein Automatismus inne, wenn Vorgaben in einem Sektor verfehlt werden.

Schnelle Reaktion

Die Politik folgte der Aufforderung erstaunlich schnell (Juni). In der Novelle des KSG 2021 wird das Ziel der Klimaneutralität um 5 Jahre vorgezogen (2045 statt 2050), für 2030 sind nun 65 statt 55 % Treibhausgasminderung vorgesehen (im Vergleich zu 1990), außerdem wurde eine neue Ziel-Zwischenetappe für 2040 eingeführt (88 % weniger CO2-Äquivalent, im Vergleich zu 1990).

Spiel mit Zahlen

Folge des KSG 2021 ist insgesamt, dass für die einzelnen Sektorfelder (z. B. Industrie, Verkehr und Gebäude) die jährlichen CO2-Absenkungen verschärft werden. Im Gebäudesektor soll der CO2-Ausstoß bis 2030 bis auf ein Drittel des Werts von 1990 gesenkt werden.

Aber ausgerechnet dieser hinkt schon jetzt. Laut Analyse der Bundesregierung war er der einzige Sektor im vorigen Jahr, der sein Klimaschutzziel verfehlte, und zwar um 2 Mio. t CO2-Äquivalent (Laut Berechnungen des Bundesumweltministeriums (BMU) hat der Gebäudesektor 2020 120 Mio. t CO2-Äquivalent ausgestoßen). In diesem Fall sind die für einen Sektor zuständigen Ministerien nach dem KSG verpflichtet, binnen 3 Monaten ein Sofortprogramm vorzulegen, wie das Ziel wieder erreicht werden kann. Im Sektor Gebäude sind das die Ministerien des Inneren und Bau (BMI) und der Wirtschaft (BMWi).

Mechanismus setzt ein

Das „Sofortprogramm Klimaschutz 2020“ ist das Ergebnis. Im Kern stellt es zusätzliche 5,8 Mrd. Euro zur Verfügung, z. B. über die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG), um die Planziele bis 2030 zu erreichen.

Das KSG schreibt allerdings auch vor, dass solche Sofortprogramme mit ihren Zielerreichungs-Zahlen vom Expertenrat für Klimafragen (ERK) überprüft werden sollen. Der ERK ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 berufen und ist vom KSG beauftragt, diese Prüfungen durchzuführen.

Durchgefallen

Im Fall des Sofortprogramms Klimaschutz 2020 von BMI und BMWi legte der ERK Ende August seinen Bericht vor. Das Ergebnis war eine Klatsche für die beiden Ministerien. Der ERK spricht von Überschätzungen, auch bzgl. der Förderung zugeordneten Effekten und insgesamt keiner Möglichkeit, die vorgelegten Werte methodisch nachvollziehen zu können. Die Autoren resümieren: „Insgesamt erscheint das Programm wirksam, erbringt aber keinen Nachweis für die Erreichung der Klimaziele des Gebäudesektors bis zum Jahr 2030.“

Was Verwirrung schürt

Was Verwirrung schürt: Der ERK legte also seinen Bericht im Jahr 2021 vor für ein Sofortprogramm, das rückwirkend auf das Jahr 2020 bezogen ist – dem Jahr der Ziel-Überschreitungen im Gebäudesektor. Fast etwa zeitgleich, nämlich vor dem Hintergrund der im Mai dieses Jahres verschärften Klimaziele im KSG aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, wurde im Zuge der Haushaltsbeschlüsse für 2022 auch ein neues, flankierendes Klimaschutz-Investitionsprogramm beschlossen (Klimaschutz Sofortprogramm 2022). Mit dem Programm will die Bundesregierung insgesamt rd. 8 Mrd. € für 2022 für alle Bereiche zur Verfügung stellen, Maßnahmen in den Sektoren Industrie, Energie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Naturschutz zu entwickeln. Laut Finanzministerium sollen 5,5 der 8 Mrd. € in den Sektor Gebäude fließen. Finanziert werden sollen damit die Förderung der energetischen Sanierung von Wohngebäuden und den klimafreundlichen Neubau oder die Sanierung von Sozialwohnungen. Gleichzeitig sollen die energetischen Mindeststandards für neue Gebäude angehoben werden. Auf welches Niveau, bleibt bislang unklar.

Klartext schaffen

Es gibt also aktuell zwei so genannte Sofortprogramme Klimaschutz, die beide in diesem Jahr beschlossen wurden. Das eine (2020) ist die Reaktion auf den Riss der Ziellinie für den Sektor Gebäude. Das andere (2022) ist die Reaktion auf die nunmehr schärferen Ziele, die KSG-Novelle zu erfüllen.

Auch ist zu sehen, dass ja noch gar nicht klar ist, wer 2022 regiert, somit das vorgestellte Programm 2022 für eine zukünftige Regierung keine Verbindlichkeit besitzt. Dennoch: Es dürfte schwerfallen, die jetzt verschärften Klimaschutzziele zu erreichen ohne dass die finanziellen Anstrengungen verstärkt werden. Selbst die CDU hat auf der Zielgeraden zur Bundestagswahl die Energiewende als Thema für sich entdeckt und Anfang September beschlossen, dass Deutschland einen „Erneuerbaren-Turbo“ brauche und dafür ein 15-Punkte-Konzept vorgelegt (Ein Turbo für die Erneuerbaren).

Das Bundesverfassungsgericht kippte die Zielwerte des Klimaschutzgesetzes 2019. Die Politik musste schärfere Ziele nachlegen.

Blick nach vorne

Wohin sollte das angekündigte Geld unter der Regie der nächsten Bundesregierung konkret fließen? Ein Konzept dazu haben bereits die drei Think-Tanks Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutralität unter dem bezeichnenden Titel „Klimaschutz-Sofortprogramm“ vorgelegt. Es benennt 22 Maßnahmen, die von der neuen Bundesregierung in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit in den verschiedenen Sektoren auf den Weg gebracht werden sollten. Dazu müsse aus Gebäudesicht die Vorziehung der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von 2023 auf Anfang 2022 zählen, die Festschreibung des Effizienzhaus-40-Standards für Neubauten ab 2024 und bei wesentlichen Umbauten von Bestandsgebäuden Effizienzhaus 70 Niveau. Ab 2024 sollte außerdem der Einbau von fossilen Feuerungen grundsätzlich verboten werden, Ausnahmen sollte es nur in Sonderfällen geben, die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) sollte auf 12 Mrd. Euro pro Jahr erhöht und verstetigt werden (in diesem Jahr, dem ersten BEG-Jahr, sind es rund 8 Mrd.). Über dieses Mehr-Geld sollten u. a. die Fördersätze für die Gebäudehüllen von 20 auf 30 % angehoben werden, plädieren die Autoren.

Fazit: Kein Aktionismus

Das Maßnahmenpaket der drei Think-Tanks ist nicht das einzige am Markt. Aktuell überschlagen sich Parteien, Institutionen und Verbände förmlich mit Sofortprogrammen zum Klimaschutz, hinzu kommen die beiden bundespolitisch beschlossenen, von denen die konkrete Ausgestaltung des 2022er Sofortprogramms jetzt in den Händen der nächsten Bundesregierung liegt. Es ist richtig und wichtig, dass auch von den letzten allmählich (an)erkannt wird, dass die Zeit drängt. Es muss zügig gehandelt werden. Und das muss von der nächsten Bundesregierung trotzdem gut durchdacht sein.

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