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Wohngipfel: 14 Maßnahmen gegen die Bau- und Immobilien-Krise

Jürgen Wendnagel
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Am Montag, 25.9.2023 kamen die Mitglieder des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum zum zweiten Mal im Bundeskanzleramt zum „Bündnis-Tag“ zusammen. Ziel war es, eine Bilanz der bisherigen Arbeit im Bündnis zu ziehen und die aktuellen Herausforderungen im bezahlbaren und klimagerechten Wohnungsbau zu besprechen. Auf Basis der bisherigen Diskussionen des Bündnisses hat die Bundesregierung zudem ein Maßnahmenpaket für zusätzliche Investitionen in den Wohnungsbau sowie zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienbranche beschlossen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeskanzler Olaf Scholz zum Wohngipfel am 25.09.2023.

Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: „Mit dem heute vorgestellten Maßnahmenpaket wird es uns gelingen, mehr Investitionen in den Wohnungsbau zu erreichen und damit die Bau- und Immobilienbranche zu stabilisieren und zu stärken. Wir werden die Rahmenbedingungen verbessern, um mehr bezahlbaren, klimaneutralen und barrierearmen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“

Und das sind die angekündigten bzw. geplanten 14 Maßnahmen des Pakets: 

1. Kein EH 40 Neubau-Standard und keine Pflichtsanierungen

Die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen ist im Gebäudebereich vordringlich für den Klimaschutz und um weiter steigende Kosten fossiler Energieträger zu vermeiden. Mit der Einführung von EH 55 als Standard zum 1.1.2023 im Hinblick auf den Primärenergiebedarf wurde ein erster wichtiger Schritt für Neubauten umgesetzt. Mit der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ist allerdings sichergestellt, dass ab 1.1.2024 im Neubau klimaneutral geheizt wird.

Angesichts der hohe Bauzinsen und Baukosten wird die Verankerung von EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt.

Bei den Verhandlungen über die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) will sich die Bundesregierung für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand einsetzen. Allerdings will sie die verpflichtende Sanierung einzelner Wohngebäude ausschließen. Stattdessen sollen im GEG „bereits etablierte bedingte Anforderungen zielgerichtet weiterentwickelt werden“.

2. Befristete Erhöhung der Heizungstausch-Förderung

Die Bundesregierung treibt die Heizwende voran. Sie unterstützt im Rahmen der BEG-Sanierungsförderung Hauseigentümer künftig beim Einbau einer neuen klimafreundlichen Heizungsanlage – in der Höhe abhängig vom Einkommen – von bis zu 30 bis 75 Prozent. Die Richtlinie der BEG-Sanierungsförderung sieht einen Klima-Geschwindigkeitsbonus („Speed-Bonus“) für den Austausch alter Heizungen vor (redaktioneller Hinweis: Bislang gilt der Bonus für Eigentümer mit einer Öl-, Kohle-, Gasetagen- oder Nachtspeicherheizung sowie einer mind. 20 Jahre alten Gasheizung).

Die Bundesregierung erhöht den Speed-Bonus in 2024 und 2025 von 20 auf 25 Prozent und zieht die geplante Degression vor. Um jetzt einen Sanierungsimpuls zu setzen, soll der Speed-Bonus 2026 und 2027 um jeweils 5 Prozent gesenkt werden, danach um 3 Prozent.

Die Bundesregierung weitet den Speed-Bonus aus: auf Wohnungsunternehmen sowie Vermieterinnen und Vermieter. 

Um einen weiteren Impuls für die Baukonjunktur zu setzen, soll die energieeffiziente Sanierung einen Schub bekommen. Die bisherigen Sanierungssätze von 15 Prozent als Zuschuss und 20 Prozent steuerliche Abschreibung sollen jeweils auf 30 Prozent angehoben werden. Im Sinne des Speed-Bonus sinkt der Zuschuss ab 2026 wieder auf 15 Prozent, die steuerliche Abschreibung auf 20 Prozent.

3. Wohnneubauten: degressive Abschreibung von 6 Prozent

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Wachstumschancengesetzes vorgeschlagen, eine degressive AfA in Höhe von jährlich 6 Prozent für Wohnneubauten einzuführen. Die Regelung sieht keine Baukostenobergrenzen vor. Es kann ab einem Effizienzstandard von EH 55 gebaut werden.

Bedingung: Mit der Erstellung muss nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen werden; entscheidend ist das Datum des angezeigten Baubeginns

Anmerkung: Die degressive AfA ergänzt die Erhöhung der linearen AfA von 2 auf 3 Prozent und die Sonder-AfA für besonders klimafreundlichen Mietwohnungsneubau.

4. Attraktivere KfW-Neubauprogramme

Die beiden KfW-Neubauprogramme "Klimafreundlicher Neubau" (KFN) und "Wohneigentum für Familien" (WEF) sollen nochmals attraktiver ausgestaltet werden.

Beim WEF werden die Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro angehoben. Außerdem wird die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen beantragt werden kann, von 60.000 Euro/Jahr auf 90.000 Euro/Jahr angehoben. Damit können noch mehr Familien das Programm in Anspruch nehmen.

 

KfW-Programm Wohneigentum für Familien WEF

5. KfW-Programm für den Erwerb sanierungsbedürftiger Häuser

Die Bundesregierung wird für 2024 und 2025 ein Wohneigentumsprogramm "Jung kauft Alt" für den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden verbunden mit einer an den BEG-Regeln orientierten Sanierungsauflage einführen. Das Programm wird über die KfW abgewickelt. 

Der zusätzliche Finanzierungsbedarf bis 2027 an Programmmitteln soll analog der schon bestehenden Förderung des "Klimafreundlichen Neubaus/ Wohneigentum für Familien" (WEF) aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt werden.

6. Erwerbsnebenkosten senken

Die Bundesregierung hat das Ziel, mehr Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, im selbstgenutzten Eigentum wohnen zu können. Deshalb soll der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum erleichtert werden. Ein wichtiger Beitrag hierfür ist die Senkung der Erwerbsnebenkosten, was – auch in Anbetracht der gestiegenen Zinsen – die Finanzierung einer Immobilie erleichtern würde. Denn diese Nebenkosten müssen in der Regel aus dem Eigenkapital erbracht werden.

Daher will die Bundesregierung den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer (z. B. durch einen Freibetrag) ermöglichen. Hierzu wurde den Ländern auf Arbeitsebene ein Vorschlag für eine Öffnungsklausel zur landesspezifischen Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer unterbreitet. Dies war ein erster Schritt, um in einen Dialog mit den Ländern zu treten. 

Zur Gegenfinanzierung werden nun verschiedene Möglichkeiten einer erweiterten Besteuerung von sog. Share Deals geprüft. Bislang lehnt eine Mehrheit der Länder, deren Belange bei Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes aufgrund deren alleiniger Ertragskompetenz besonderer Berücksichtigung bedürfen, den Vorschlag jedoch ab. Die Erörterungen werden aber fortgesetzt.

7. Schneller planen, genehmigen und umsetzen

In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die Bundesregierung mehrere Gesetzespakete auf den Weg gebracht, mit denen der Wohnungsbau spürbar beschleunigt werden konnte. Durch die Digitalisierungsnovelle des BauGB konnten die Genehmigungsfristen für Bauleitpläne von bisher drei Monaten auf einen Monat verkürzt werden. Die Geschwindigkeit muss weiter erhöht, Aktenberge in den Bauämtern reduziert werden

Mit den 16 Ländern wird die Bundesregierung noch in diesem Jahr einen "Pakt für Planungs- und Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung" abschließen. Die Länder planen bereits jetzt zur nächsten Fachkonferenz im November 2023 u.a. folgende Änderungen in den Landesbauordnungen vorzunehmen:

  • Einmal bereits in einem Land erteilte Typengenehmigungen für das serielle und modulare Bauen erhalten bundesweit Gültigkeit und werden uneingeschränkt gegenseitig anerkannt.
  • Die Dauer von allen Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau wird zeitlich begrenzt. Es wird befristet bis 2026 in allen Landesbauordnungen eine bundesweit einheitliche Genehmigungsfiktion von 3 Monaten eingeführt.
  • Nutzungsänderungen von Dachgeschossen zu Wohnzwecken einschl. die Errichtung von Dachgauben werden zukünftig unter bestimmten Bedingungen in allen Landesbauordnungen genehmigungsfrei sein.
  • Regelungen zu Kfz-Stellplatzanforderungen werden in allen Landesbauordnungen vereinheitlicht, verbunden mit dem Ziel, dass die Kfz-Stellplatzpflicht bei Aufstockungen und Ergänzungen im Wohnungsbestand entfällt.

8. Bau von bezahlbarem Wohnraum

Der Bund wird in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen. Dazu wird eine an die Generalklausel des § 246 Absatz 14 Baugesetzbuch (BauGB) angelehnte Sonderregelung befristet bis zum 31. Dezember 2026 geschaffen. Das BMWSB wird eine entsprechende Änderung des BauGB noch in diesem Jahr vorlegen.

9. Umbau von Gewerbe-Immobilien zu Wohneinheiten

Deutschlandweit gibt es Leerstand bei Gewerbeimmobilien. Büros und Räume des Einzelhandels werden auch in Folge der wirtschaftlichen Entwicklung aufgrund der COVID-Pandemie nicht mehr in bisherigem Maße gebraucht. Das Bundesinstitut für Bau, Stadtentwicklung und Raumordnung (BBSR) hat in einer Studie prognostiziert, dass hier ein Potenzial von bis zu 235.000 neuen Wohneinheiten besteht. Die Nutzung dieser Immobilien spart Fläche und Baustoffe. Sofern sie mit anspruchsvollen Sanierungen einhergeht, ist ihre ökologische Bilanz vorteilhaft.

Für Eigentümer und Investoren, die für geeignete Gewerbeimmobilien nach den BEG-Förderbedingungen eine Förderung aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) in Anspruch nehmen können und sie dabei zugleich zu Wohnraum umbauen, wird 2024 und 2025 ein zusätzliches KfW-Förderprogramm mit einem Volumen von insgesamt 480 Millionen Euro Programmmitteln aufgelegt. Durch zinsverbilligte Kredite sollen damit der klimafreundliche Umbau gefördert und Leerstand beseitigt werden. Die Finanzierung soll ebenfalls aus den Mitteln des KTF bereitgestellt werden.

10. Geld für den sozialen Wohnungsbau

Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, den Ländern im Zeitraum von 2022 bis 2027 Programmmittel in Höhe von insgesamt 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Jeder Euro des Bundes wird aktuell durch rund 1,50 Euro der Länder kofinanziert. Bei Fortführung dieser bisherigen Komplementärfinanzierung stehen damit gesamtstaatlich rd. 45 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2027 zur Verfügung. Bund und Länder übernehmen damit weiterhin gemeinsam Verantwortung.

11. Gebäudetyp E: neue Leitlinie und Prozessempfehlung

Bauen muss zukünftig einfacher, schneller und günstiger werden. Dazu soll das Bauen im Sinne des Gebäudetyps E befördert werden, indem die Vertragspartner Spielräume für innovative Planung vereinbaren, auch durch Abweichen von kostenintensiven Standards. Die Länder beabsichtigen, dazu Änderungen der Musterbauordnung und der Landesbauordnungen vorzunehmen. 

Die Bundesregierung wird – in Absprache mit den Partnern des Bündnisses – eine "Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E" bis Ende des Jahres vorlegen, um dafür zu sorgen, dass für die Beteiligten vereinfachtes Bauen rechtssicher gelingen kann.

12. Vergünstigten Abgabe BImA-eigener Grundstücke

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird die bislang bis Ende 2024 befristete Möglichkeit zur vergünstigten Abgabe BImA-eigener Grundstücke für öffentliche Aufgaben sowie den sozialen Wohnungsbau um weitere fünf Jahre fortführen. Sie schafft damit Anreize zur Entwicklung von Bauland durch die Kommunen. Aufgrund der konjunkturellen Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt und der gestiegenen Baukosten bestünde eine weitere Option darin, den Verbilligungsbetrag von bis zu 25.000 Euro pro neu geschaffener Sozialwohnung spürbar um 40 Prozent auf 35.000 Euro pro Sozialwohnung anzuheben und zusätzlich das Verbilligungsvolumen für sonstige öffentliche Zwecke um 10 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen. 

Die Bundesregierung prüft zudem, ob es der BImA ermöglicht werden könnte, bei der Bestellung von Erbbaurechten an für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus genutzten Flächen, den jährlichen Erbbauzins auf der Grundlage eines verbilligten Verkehrswerts als marktüblichen bzw. angemessenen Erbbauzins zu berechnen.

13. Höhere Lärmrichtwerte 

Die Bundesregierung wird in der TA Lärm in Form einer Experimentierklausel die Lärmrichtwerte bei heranrückender Wohnbebauung an Gewerbebetriebe anheben. Über die Anwendung der Experimentierklausel entscheidet die Gemeinde im Bebauungsplan. Die Bundesregierung wird klarstellen, dass sonstige Möglichkeiten der planerischen Lärmkonfliktbewältigung in der Bauleitplanung durch die Experimentierklausel nicht ausgeschlossen werden.

14. Neue Wohngemeinnützigkeit starten

Wir wollen bereits im nächsten Jahr die Neue Wohngemeinnützigkeit an den Start gehen lassen, um mit einem neuen Marktsegment dauerhafte Sozialbindungen im Neubau wie im Bestand zu schaffen. Die Bundesregierung strebt dazu Investitionszuschüsse und Steuervorteile an.

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