Sanitärarmaturen: Onlinekauf und Handelsmarken fest etabliert
"Industrie produziert und pflegt Marke, Großhandel bildet logistische Brücke zwischen Industrie und Handwerk, und Handwerk verkauft und installiert Marke. Das war lange Zeit das gemeinsame Verständnis der Partner im dreistufigen Vertriebsweg. Betrachtet man die Entwicklungen im Onlinehandel und bei den Handels- bzw. Hausmarken des Großhandels, ergeben sich allerdings Zweifel, ob und inwieweit das Modell des dreistufigen Vertriebsweges von den drei Partnern noch gleichermaßen getragen wird.“ So leitete Andreas Dornbracht, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie im VDMA sein Statement zu den Ergebnissen und Auswirkungen einer Ende Februar 2018 abgeschlossenen Studie ein.
Die Studie des IFH Instituts für Handelsforschung im Auftrag der AGSI zeigt, wie tiefgreifend der Wandel in den Vertriebswegen mittlerweile fortgeschritten ist. Der Untersuchung zufolge ist der Materialeinkauf im Internet beim Fachhandwerk inzwischen fest etabliert. Etwa die Hälfte greife bei Sanitärarmaturen auf diese Quelle zurück. Das geschehe indes unternehmens- und nicht warengruppenabhängig.
Generell schwanke der Anteil der online erworbenen Produkte erheblich. Unter Berücksichtigung der Branchenstruktur ergebe sich eine Installationsrate von rund 60%. Tendenziell die höchsten Werte ermittelte die Studie bei Waschtischarmaturen.
Onlinekauf - aber beim Großhandel
Aus der Sicht des Handwerks spreche für die Onlinebestellung primär die damit verbundene Schnelligkeit. Weitere relevante Motive seien Bequemlichkeit /Einfachheit, günstige Preise und die Warenverfügbarkeit. Wer den Onlineeinkauf nicht praktiziere, tue das in erster Linie wegen des fehlenden, aufgrund der Sortimentskomplexität jedoch dringend nötigen Kontaktes zu kompetenten und vertrauten Fachberatern im Großhandel. Überhaupt sei der Großhandel „vor Ort“ mit Abstand die wichtigste Adresse beim Onlinekauf. Weitere Anbieter spielen dagegen laut Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle.
Im Grundsatz bewerte die AGSI die Entwicklung positiv. Zum einen schlage sich darin ein Element der Prozessoptimierung nieder, die Zeit und Geld spare. Zweitens bekennt sich das Handwerk beim Einkauf per Internet zum Großhandel. Dennoch gehe dieser Vertriebsstufe bei Sanitärarmaturen immerhin rund 65 Millionen Euro Online-Umsatz verloren. Insgesamt rechnet die Sanitärarmaturenindustrie mit einem künftig weiter steigenden Online-Anteil, bei dem sich das Handwerk unterschiedlichster Kanäle bediene.
Beliebtheit der Handelsmarken steigt
Um die seit Jahren gefühlt sehr dynamische Entwicklung der Handelsmarken mit der Realität abzugleichen, hat das IFH die Teilnehmer auch dazu befragt. Die Kernresultate im Überblick:
- Mit 83% weisen Handelsmarken bei Sanitärarmaturen eine sehr hohe Verwendungsquote im Handwerk auf. Das gelte speziell für kleinere Betriebe (89%). Mit steigender Firmengröße sinke die Relevanz zwar, liege bei Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern (ab ca. 2,4 Millionen Euro Jahresumsatz) mit 75% aber trotzdem noch auf einem hohen Niveau.
- Die Installationsrate von Handelsmarken belaufe sich auf durchschnittlich 45%. Hier zeige sich bei größeren Betrieben ebenfalls eine geringere Quote.
- Bei Waschtischarmaturen und Eckventilen ist die Aufgeschlossenheit für Handelsmarken laut Studie überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Unter den Mittelwerten bewegten sich dagegen Küchenarmaturen und Handbrausen.
- Die Liste der Pro-Argumente führe unabhängig von der Warengruppe das nach Handwerker-Meinung „bessere Preis-/Leistungsverhältnis“ der Hausmarken des Großhandels an. Beim Contra-Ranking tauche die „mangelnde Qualität“ als häufigster Kritikpunkt auf. Dahinter folge der Wunsch der (End-)Kunden nach Herstellermarken.
- Unter Berücksichtigung aller Ergebnisse bezifferte das IFH Köln die Handelsmarkenquoten bei der Menge auf 38% und beim Wert auf 31%. Das entspreche einem Volumen von 720 Millionen Euro.
Großhandel und Hersteller: Vom Partner zum Konkurrenten
Die Handelsmarken entwickeln sich zu einer der zentralen Zukunfts-Herausforderungen für die Industriemarken. Das gilt laut AGSI umso mehr, als Großhandel und Handwerk bei dem Thema das gleiche Interesse hätten. Ob sie sich damit einen Gefallen tun, erscheint indes zweifelhaft.
In der Sache richtig sei der Hinweis auf die häufige Identität von Hausmarken und Industriemarkenproduzenten. Die darin zum Ausdruck kommende unternehmerische Entscheidungsfreiheit jedes Herstellers habe man in einer Marktwirtschaft zu respektieren.
Stattdessen gäben der gesamten Sanitärarmaturenindustrie die inzwischen grundlegend gewandelten Handelsmarken-Konzeptionen zu denken. Habe es sich dabei zu Beginn um industrielle Standardprodukte in großhandelsspezifischer Verpackung oder mit großhandelsspezifischem Logo gehandelt, seien daraus später verstärkt individuell für den Großhandel entwickelte Produkte geworden.
In den letzten Jahren übernehme der Großhandel dabei immer mehr herstellertypische Funktionen wie Artikelspezifikation und Design – bis hin zu der Praxis, sich gegenüber dem Endkunden als Herstellermarke zu positionieren. Damit trete der Großhandel regional weniger als Partner, sondern in wachsendem Maße als Konkurrent der etablierten Markenindustrie auf. Die Eigenmarken-Fokussierung zeige sich u. a. in der höheren Lagerverfügbarkeit, der zunehmenden Ausstellungs-Präsenz und den präferierten Regalplätzen in den Abhollägern. Selbst konkrete Angebotsanfragen des Handwerks nach Markenprodukten würden nicht selten mit alternativen Handelsmarken-Offerten beantwortet.
In der Endkonsequenz gefährdeten derartige Verhaltensweisen neben der Profitabilität der Markenartikler eine der wichtigsten Stärken des professionellen Vertriebsweges: die Innovationsfähigkeit der Markenindustrie.
Sie beruhe auf vielfältigen Herstellerleistungen. Dazu gehören eine weit in die Zukunft gerichtete Trendforschung, eine globale, multikulturelle Orientierung, die Bereitschaft, zu neuen Ufern (Digitalisierung, Smart Home, IoT) aufzubrechen und damit letztlich neue Märkte zu schaffen.
Der AGSI-Vorsitzende Andreas Dornbracht forderte Großhandel und Handwerk auf, die Markenhersteller auch künftig in einer engen Partnerschaft zu begleiten. Schließlich gehe es um die gemeinsamen Kunden – also die Endverbraucher. Sie wünschten sich nach wie vor starke Herstellermarken als Wegweiser, die für Innovation, Qualität, Vertrauen und nachhaltige Zukunftsfähigkeit stünden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen, durch die neue Untersuchung klar dokumentierten Entwicklungen sei auch über die Freiheitsgrade zu sprechen, die man der Industrie zum Erreichen ihrer Ziele und bei der Realisierung ihres Geschäftes einräumen sollte. Hier gebe es einen erheblichen Diskussionsbedarf. Ansonsten müsse man sich schon die Frage stellen: „Gilt wirklich gleiches Recht für alle oder sind manche nicht doch gleicher?“