Was Sie bei der Anschaffung eines neuen Dieselfahrzeugs wissen sollten
Im Vordergrund der IAA Nutzfahrzeuge 2018 standen etliche Innovationen mit alternativen Antrieben.
Geht es aber um bewährte Technik, fallen weiterhin dem Diesel die meisten Aufgaben zu. Doch der Selbstzünder sorgt seit Jahren nicht mehr für gute Schlagzeilen.
Dieselzulassung genauer betrachten
Um als Kaufentscheider im Handwerksbetrieb den Markt einschätzen zu können, sollte man allerdings differenzieren können. Diesel ist nicht Diesel und der Fachunternehmer sollte in seiner langfristigen Planung über Details bei der Zulassung Bescheid wissen.
„Euro 6“ ist eine Antwort, die bei der Frage nach der Emissionsklasse allein nicht zufriedenstellen darf. Denn der Trend ist klar: Wenn Schadstoffgrenzen für Ballungsgebiete und die Zulassungsbestimmungen für Neufahrzeuge nochmals deutlich verschärft sind, wird sich der Marktwert eines Diesels (und auch eines Benziners) an der exakten Bezeichnung seiner Zulassungsart orientieren.
Emissionen werden genauer geprüft
Was genau ist momentan regelkonform? Allein die Unterschiede bei der Zulassung gemäß Euro 6 sind einem Laien kaum vermittelbar. Nur ein paar Details: Um relevante Abgaswerte für eine Typzulassung eines neuen Automodells zugrunde zu legen, hat sich das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in der Vergangenheit nicht auf den tatsächlichen Spritverbrauch, sondern auf Laborwerte eines Motorprüfstands gestützt. Dieses sogenannte NEFZ-Verfahren (Neuer Europäischer Fahrzyklus) hat sich längst als praxisfremd und lückenhaft erwiesen und wurde deshalb ersetzt.
Seit September 2018 müssen die Hersteller für die Typzulassung eines Fahrzeugs den Energieverbrauch und die Emissionen im längeren und aufwendigeren WLTP-Verfahren bei unterschiedlichen Betriebszuständen ermitteln lassen (WLTP = Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure). Und dies gilt für die verschiedensten Kombinationen von Karosserie, Motor, Getriebe und Reifendimension. Werden dabei definierte Grenzwerte eingehalten, gibt es die Freigabe gemäß Euro 6c.
Weil den Herstellern nur eine begrenzte Zahl von Prüfständen und Institutionen zur Verfügung steht, wirkt sich dies wie ein Flaschenhals aus. Dies war und ist der Grund, dass Hunderte von Musterzulassungen verzögert von offizieller Seite akzeptiert werden und erst dann Vorbestellungen an Händler und Kunden ausgeliefert werden können.
Für Zulassungen gelten Übergangsfristen
Dieses Dilemma bezieht sich vorwiegend auf Pkw – leichte Nutzfahrzeuge wie Lieferwagen und Transporter müssen die gleiche Hürde nehmen, doch derzeit stehen nur wenige neue Modelle vor der Markteinführung und damit vor der Typzulassung. Bei den Transportern (zulässiges Gesamtgewicht 2,8 t oder höher) haben die Hersteller den 1. September 2019 als Frist gesetzt bekommen, um nötige Modifizierungen einer Typzulassung vorzubereiten.
Binnen eines Jahres müssen sie dann die Serienproduktion komplett auf die geltende Emissionsklasse umstellen. Man sollte sich daher vor einem Kauf präzise erkundigen, wie die Zulassungsart für das ausgewählte Modell definiert ist. Warum dies wichtig ist, wird im weiteren Verlauf des Beitrags erläutert.
Euro 6d Temp hat Status eines Gütezeichens
Für die Zulassung von Lieferwagen messen einige Marken der Zulassungsart Euro 6c keine entscheidende Bedeutung bei, sondern streben gleich die wertigere Zulassung gemäß Euro 6d Temp an. Hierbei kommt zum WLTP-Verfahren noch ein zertifizierter Testzyklus hinzu, der die Realemissionen des Fahrzeugs in einem eingehenden RDE-Prüfverfahren im Straßenverkehr ermittelt (RDE = Real Driving Emissions).
Dabei dürfen Benziner den NOx-Grenzwert (Stickoxid) von 126 mg pro Kilometer nicht überschreiten. Für Diesel gelten 168 mg. Diese Zulassungsart gesteht den Verbrennern auch noch eine etwas großzügigere Toleranzbreite bei den Emissionen zu. Befristet hat das KBA diese Zulassungsart bis Ende 2019.
Ab 2021 extreme Schadstoffreduzierung
Ab dem 1. Januar 2020 gilt Euro 6d (Final) mit nur noch geringen Toleranzen der bekannten vorgegebenen Grenzwerte. Das bezieht sich wiederum zunächst auf die Typzulassung einer Fahrzeugreihe. Alle daraufhin in Serie gebauten Fahrzeuge müssen diese Bedingungen spätestens zum 1. Januar 2021 erfüllen.
In größeren und teureren Fahrzeugen, gemeint sind sowohl Pkw als auch Transporter, wird man den nötigen Aufwand in der Abgasreinigung mit einem zweistufigen Katalysator samt ausgefeiltem Thermomanagement realisieren können. Davon zeigten sich Motorexperten im Frühjahr 2018 auf einem jährlich stattfindenden Fachkongress überzeugt. Zweifel bestehen jedoch, ob dies aus Platz- und Kostengründen auch bei kleineren Pkw und Lieferwagen machbar ist.
Bosch zeigt sich als namhafter Zulieferer für die Motorenentwicklung etlicher Marken zuversichtlich. Mit Komponenten, die für Dieselaggregate in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind, haben Testfahrzeuge im realen Fahrbetrieb Messergebnisse mit durchschnittlich 13 mg Stickoxid geliefert – wie zuvor erwähnt: Euro 6d definiert die Emissionsgrenze für den Diesel im Fahrbetrieb bei 168 mg.
Premieren – Strategien – Markteinführungen
Zurück zum Messegeschehen der IAA: Die Hersteller leichter Nutzfahrzeuge konzentrieren sich aufgrund der zuvor beschriebenen Fristen darauf, dass sie spätestens zum September 2019 ihre Typzulassungen für Euro 6d Temp erreichen. Mustergültiges gibt es schon jetzt: Citroën Berlingo, Peugeot Partner und Opel Combo hatten mit ihren neuen Nutzfahrzeugvarianten in Hannover Premiere und kommen mit einer Euro-6d-Temp-Zulassung zum Marktstart zu den Händlern. Auch die Lieferwagen Courier und Connect von Ford erfüllen inzwischen diese Emissionsstufe.
Bei den Transportern vermarktet Iveco bereits seit etlichen Monaten die Serie Daily Blue Power. Dazu gehören ein Elektro- und ein Erdgastransporter und der erste in Europa zugelassene Transporter mit Dieselmotor, dessen Realemissionen nach zertifizierten RDE-Kriterien geprüft wurden. Darüber hinaus sind in puncto Euro 6d Temp in der Transporterklasse noch keine weiteren Fakten geschaffen worden.
Stattdessen stand auf der Messe die (geplante) Markteinführung von Elektrotransportern im Fokus: Mercedes eVito, VW e-Crafter und Renault Master Z.E. (Zero Emission) sind lieferbar.
Für 2019 angekündigt sind der Mercedes eSprinter, die VW-Transporter T6 mit Elektroantrieb von den zertifizierten Ausrüstern ABT sowie Dirks und der Ford Custom PHEV, eine Hybridversion mit Benzin- und Elektroantrieb (Kurzberichte dazu im weiteren Verlauf des Spezials).
Neuanschaffung oder abwarten?
Mit diesen Rahmenbedingungen sieht sich der Entscheider im Handwerksbetrieb konfrontiert, wenn er über kurz oder lang ein (weiteres) Fahrzeug anschaffen muss. Die Ausgangslage lässt die Qual der Wahl.
Stichwort Umstiegsprämie: Zahlreiche Käufer haben sich bereits im Lauf der letzten Monate für ein neues Fahrzeug entschieden, weil ihnen die Vergünstigung von einigen Tausend Euro für die Stilllegung eines alten Vehikels verlockend genug erschien. Da mag auch mitunter die Entscheidung für ein neues Erdgasfahrzeug leichter gefallen sein, weil hier Feinstaub, Stickoxide oder CO2 dank Erd- oder Biogas keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Fiat, Iveco sowie VW Nutzfahrzeuge bedienen momentan die Nachfrage.
Weitere Anreize entstehen, wenn die Hersteller – zur Vermeidung von Fahrverboten – im Umfeld etlicher Städte für Besitzer älterer Diesel vergünstigte Neufahrzeuge anbieten.
Doch äußerten sich Branchenkenner verhalten bis kritisch, ob die Koalitionsvereinbarung und die Prämien letztlich dazu führen, dass sich Entscheidendes pro Umwelt verändert.
Die Nachrüstung bei einem wenige Jahre alten Euro-5-Diesel durch ein geeignetes hocheffizientes Abgassystem würde nachweislich zwar der Umwelt etwas bringen, doch das führt geradewegs in einen Paragrafendschungel: Es erfordert nämlich das Prozedere einer Musterzulassung, die für die Kombination von neuem SCR-Kat und dem jeweils nachzurüstenden Fahrzeugmodell fällig wird und etwa ein Jahr dauern soll. Und was kurios ist: Danach wäre das Fahrzeug weiterhin der Emissionsklasse Euro 5 zugeordnet, wie Motorexperten die geltende Rechtslage einschätzen. Hinzu kommt, dass die Automobilhersteller eine Haftung für mögliche Folgeschäden ablehnen und die Verantwortung für den Umbau den Nachrüstern zuschieben.
Stichwort Leasing: Für einen Transporter oder Lieferwagen, der noch kein Euro 6d Temp hat, könnte man ein Leasing bis 2021 vereinbaren. Damit ließe sich das Risiko eines möglichen Preisverfalls auf den Händler übertragen. Doch das ist riskant. In der finalen Beurteilung von Gebrauchsspuren am Handwerkerauto oder durch andere Raffinessen wird ein Händler Möglichkeiten finden, mit denen sich ein etwaiger Wertverfall am Nutzungsende kompensieren lässt.
Stichwort Elektromobilität: Hier spielt Leasing eine noch größere Rolle, um die hohen Kosten der teuren und nicht alterungsbeständigen Fahrzeugakkus zu kompensieren. Die Marken Citroën, Peugeot, Renault, Nissan, Mercedes-Benz Vans, Iveco, VW Nutzfahrzeuge und weitere Hersteller besetzen dieses Geschäftsfeld mit sehr hohen Investitionen und schnüren Pakete, die Akzeptanz und Absatz im Bereich der E-Mobilität fördern sollen.
Schlussbemerkung
Aufgrund einer Ausnahmegenehmigung für einen älteren Diesel entsteht für einen Handwerksbetrieb auf absehbare Zeit kein Handlungsdruck. So ließe sich ein Fahrverbot für den Innenstadtbereich eine geraume Zeit überbrücken.
In zwei Jahren, wenn verschärfte Zulassungsbestimmungen für Transporter Wirkung zeigen, wird man in eine Dieseltechnologie investieren können, die in die Zeit passt.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in: SBZ Ausgabe 21-2018.