Abfindungen: Die häufigsten Fragen und was Sie beachten müssen
Es kennt sie jeder, die großen Abfindungssummen, die durch die Medien geistern, wenn ranghohe Manager Mist gebaut haben und mit dem berühmten "goldenen Handschlag" aus dem Unternehmen komplimentiert werden. So erhielt John Francis Welch Junior die bislang höchste bekannte Abfindung als er General Electric verließ: 417 Millionen US-Dollar war dem Unternehmen der Abgang des Vorstandsvorsitzenden wert.
Arbeitnehmer hierzulande müssen sich dagegen mit weitaus weniger zufrieden geben, wenn sie ein Unternehmen verlassen. Vorausgesetzt, sie erhalten überhaupt eine Abfindung. Das ist nämlich nicht selbstverständlich.
Erhalten Mitarbeiter bei einer Kündigung automatisch eine Abfindung?
Nein, es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, selbst dann nicht, wenn der Gekündigte jahrelanger Mitarbeiter war, der sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen. Auch der berühmte Faulpelz, den ein Arbeitgeber nach neun Monaten loswerden will, hat keinen Anspruch auf einen "Abschiedsprämie".
In der Regel ist es aber so, dass - will ein Unternehmen mehrere Beschäftigte entlassen - ein Sozialplan erstellt wird, der häufig Abfindungszahlungen vorsieht. Zudem können Tarifverträge oder einzelne Arbeitsverträge, etwa Geschäftsführerverträge, die Zahlung einer Abfindung vorsehen, wenn der Mitarbeiter gekündigt wird. Nur unter solchen Voraussetzungen gibt es einen Anspruch auf eine Abfindung.
Weiterhin gibt es die Kündigung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Darin heißt es in Satz 1 "Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung." Diese setzt jedoch zwei Dinge voraus:
- Im Kündigungsschreiben muss der Arbeitgeber "dringende betriebliche Erfordernisse" geltend machen. Das kann eine wirtschaftliche Schieflage oder eine notwendige Umstrukturierung sein.
- Zudem muss im Kündigungsschreiben stehen, dass der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist von drei Wochen eine Abfindung nach § 1a KSchG erhält.
Der Deal lautet hier also explizit: Geld gegen Klageverzicht. Das heißt im Umkehrschluss: Erfolgt die Kündigung verhaltensbedingt (zum Beispiel wegen Diebstahls oder Arbeitsverweigerung) oder personenbedingt (zum Beispiel wegen andauernder Krankheit), ist dieser Abfindungsanspruch ausgeschlossen.
Auch ein Aufhebungsvertrag oder Abwicklungsvertrag enthält oft Klauseln mit einer Regelung für eine Abfindung. Ein Automatismus ist das aber nicht!
Ist die Zahlung einer Abfindung für Unternehmen sinnvoll?
Eine Abfindung kann ins Geld gehen. Arbeitgeber zahlen den Geldbetrag jedoch nicht aus reiner Nächstenliebe. Meist wollen sie sich unliebsame - und teure - Kündigungsschutzklagen vom Hals halten. Denn in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten - und das gilt auch für mittelgroße Handwerksbetriebe - gilt der gesetzliche Kündigungsschutz. Das heißt: Jeder Mitarbeiter, der länger als sechs Monate beschäftigt war, darf nur
- personenbedingt,
- verhaltensbedingt oder
- betriebsbedingt
gekündigt werden. Gekündigte haben das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage zu erheben.
Eine Abfindung soll (ehemalige) Mitarbeiter von diesem Schritt abhalten. Denn: Lässt sich eine Kündigung nicht hieb- und stichfest begründen, stehen die Chancen gut, dass das Arbeitsgericht diese für unwirksam erklärt. Die Folge ist, dass der Arbeitgeber den Lohn für die Zeit der Verhandlung nachzahlen und den Mitarbeiter weiter beschäftigen muss. Das ist nicht selten teurer als gleich einen bestimmten Geldbetrag hinzulegen.
Ist die Höhe der Abfindung gesetzlich vorgeschrieben?
Nein, es gibt kein Gesetz im Arbeitsrecht, die die Höhe von Abfindungen pauschal regelt, sie wird in den allermeisten Fällen einzeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt, besonders im gehobenen Management. Eine Ausnahme besteht jedoch: Werden betriebsbedingte Kündigungen nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ausgesprochen, definiert sich die Höhe der Abfindung nach Satz 2 des Paragrafen automatisch mit einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Anteilige Beschäftigungszeiten von mehr als sechs Monaten werden zu einem Jahr aufgerundet.
Beispiel: Arbeitnehmer B. arbeitet seit zwölf Jahren und vier Monaten bei einer größeren Firma. Er verdient 4.000 Euro brutto im Monat. Unterbreitet der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung ein Abfindungsangebot, sofern Herr B. keine Klage erhebt, hat er einen Anspruch auf 24.000 Euro. Wären es 6 Jahre und 7 Monate, wären es 14.000 Euro.
An dieser Regelung zur Abfindung orientieren sich allerdings viele Unternehmen, Branchen und Gerichte, aber es gibt auch Abweichungen: So zahlen große Unternehmen meist höhere Summen, während in der Baubranche oft nur ein Viertel des Monatsgehalts als Richtschnur gilt.
Was sagen Gerichte zur Höhe der Abfindung?
Landet eine Kündigung vor dem Arbeitsgericht, müssen die Richter - sofern die Kündigung nicht gültig ist, eine Weiterbeschäftigung aber trotzdem nicht im Sinne beider Parteien ist - über eine Abfindung entscheiden. In § 10 KSchG sind die Rahmenbedingungen festgelegt:
- Die maximale Abfindung für Arbeitnehmer bis zum Alter von 50 Jahren beträgt zwölf Monatsgehälter.
- Ist der Beschäftigte älter als 50 Jahre und hat mindestens 15 Jahre bei dem Unternehmen gearbeitet, stehen ihm bis zu fünfzehn Monatsverdienste zu.
- Ist der Beschäftigte älter als 55 Jahre und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden, steigt eine mögliche Abfindung auf bis zu 18 Monatsgehälter.
Als Monatsverdienst definiert das Kündigungsschutzgesetz das Bruttogehalt zum Zeitpunkt der Kündigung - inklusive aller Sachbezüge.
Welche Steuern und Sozialabgaben werden auf Abfindungen fällig?
Eine Abfindung ist laut Sozialgesetzbuch eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Daher muss der Arbeitnehmer keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen wie beim "normalen" Gehalt. Eine Ausnahme besteht für freiwillig Krankenversicherte, diese müssen Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung zahlen. Wohl aber werden seit 2003 in jedem Fall Steuern fällig.
Besonders, wenn Abfindungen gegen Jahresende gezahlt werden, oder wenn Arbeitnehmer relativ schnell im Anschluss an die Kündigung einen neuen Job finden, erhöht eine Abfindung den Jahresbruttoverdienst - und damit auch das zu versteuernde Einkommen. Gegensteuern können Sie mit der sogenannten Fünftelregelung. Das bedeutet, dass das Finanzamt so rechnet, als ob die Abfindung, die zu den außerordentlichen Einkünften zählt, in fünf Tranchen in Höhe von jeweils einem Fünftel gezahlt würde. Die Steuer wird also fiktiv berechnet.
Beispiel: Arbeitnehmer B. erhält seine Abfindung in Höhe von 24.000 Euro. Im Jahr der Abfindung muss er - nach Abzug aller Werbungskosten und Sonderausgaben - Lohn in Höhe von 30.000 Euro versteuern. Bei der Fünftelregelung wird ein Fünftel der Abfindung hinzugerechnet. Die auf diesen Betrag entfallende Einkommensteuer vergleicht das Finanzamt mit dem Steuerbetrag, der ohne die Hinzurechnung des Abfindungsanteils fällig wäre. Dieser Unterschiedsbetrag wird dann verfünffacht - also fiktiv auf fünf Jahre verteilt.
Zu versteuernder Lohn: 30.000 Euro
+ ein Fünftel der Abfindung: 4.800 Euro
= zu versteuerndes Einkommen: 34.800 Euro
darauf entfallende Einkommensteuer (2019, Steuerklasse I): 6.701 Euro
Zu versteuerndes Einkommen ohne Abfindung: 30.000 Euro
darauf entfallende Einkommensteuer (2019, Steuerklasse I): 5.187 Euro
Der Unterschiedsbetrag beträgt 6.701 Euro - 5.187 Euro = 1.514 Euro, demnach wird auf die gesamte Abfindung das Fünffache, also ein Steuerbetrag von 7.570 Euro fällig. Insgesamt muss Herr B. Steuern in Höhe von 6.701 Euro + 6.056 Euro = 12.757 Euro zahlen. Ohne Fünftelregelung wären es 13.735 Euro, eine Ersparnis von 978 Euro.
Der Steuerbetrag auf eine Abfindung hängt ab von
- der Höhe der Abfindung,
- dem Zeitpunkt der Kündigung und damit der Zurechnung der Abfindung,
- dem Lohneinkommen im Jahr der Abfindungszahlung,
- anderen Einkommen, zum Beispiel aus Mieten oder Zinsen.
Hätte Herr B. in unserem obigen Beispiel etwa nur 8.000 Euro Lohn im Jahr der Abfindungszahlung zu versteuern, läge der Unterschiedsbetrag der Einkommensteuern mit und ohne Abfindung bei 586 Euro. Damit fiele ein Steuerbetrag auf die Abfindung von lediglich 2.930 Euro an. Insgesamt müsste Herr B. in diesem Fall auch nur 2.930 Euro an Einkommensteuer zahlen. Ohne die Fünftelregelung wären es 5.806 Euro, also Ersparnis von satten 2.876 Euro.