Wärmepumpen im Bestand, Teil 4: Wann sind Hybridanlagen sinnvoll?
Bild 1: Der 180 Jahre alte Dreiseitenhof am Rand der Nordeifel verfügt über 140 m² Wohnfläche, ein 70 m² großes Gästehaus und einen Stall. Hier wurde die bestehende Gasheizung gegen eine Luft/Wasser-Wärmepumpe von Stiebel Eltron, einen Holzofen mit Wassertasche und 20 Photovoltaikmodule getauscht.
Ob es sich lohnt, mit der Installation einer Wärmepumpe noch weiter zu warten, hängt von zwei Überlegungen ab: Ist die Technologie auf heutigem Stand reif für den zufriedenstellenden Einsatz im Gebäudebestand? Und: Welche Vorteile sind eventuell von einer Weiterentwicklung der Technologie zu erwarten?
Die Ergebnisse der Langzeit-Monitoringprojekte des Fraunhofer ISE (siehe Teil 2 ) basieren auf dem technologischen Stand von vor fünf bis zehn Jahren. Schon damals waren beispielsweise die meisten Luft-Wärmepumpen mit elektronischen Expansionsventilen ausgestattet, die eine bedeutsame Effizienzsteigerung mit sich brachten. Einige der untersuchten Anlagen arbeiteten bereits mit leistungsgeregelten Verdichtern – heute ist das Standard. Diese zwei Beispiele zeigen, wie stark sich die Technologie in letzten Jahren bereits weiterentwickelt hat.
Ähnlich wie bei anderen ausgereiften technischen Geräten ist heute eine breite Produktpalette auf dem Markt, die sich über den Preis und die (oft damit verbundene) Effizienz unterscheiden. Eine Analyse der sogenannten „Bafa-Liste“, die alle für die Förderung zugelassenen Geräte in Deutschland beinhaltet, zeigt eine enorme Bandbreite von Effizienzwerten beim gleichen Betriebspunkt der Wärmepumpen. So liegen zum Beispiel für die Außentemperatur 2 °C und Wärmesenkentemperatur 35 °C die Effizienzwerte (COP-Werte) von Luft/Wasser-Wärmepumpen zwischen 3,1 und 4,7!
Diese beträchtliche Spannbreite verdeutlicht, wie groß schon heute die Unterschiede zwischen den angebotenen Produkten sind. Sie zeigt aber auch, wie hoch die heute bereits erreichbare technische Effizienz ist. Der nächste Schritt der Entwicklung sollte daher sein, die gute Effizienz kostengünstiger anbieten zu können. Dies wird mit höheren Stückzahlen als kontinuierliche Entwicklung auch erwartet.
Und schließlich: Der Europäische Wärmepumpenverband EHPA meldet knapp 15 Millionen installierte Wärmepumpen in 21 europäischen Ländern im Jahr 2020. Bei einer stark steigenden Tendenz kamen zuletzt pro Jahr ca. 1,6 Millionen dazu. Eine unausgereifte Technologie wäre nicht in der Lage, solche Verkaufszahlen zu erreichen.
Werden Wärmepumpen zukünftig noch besser für Bestandsgebäude geeignet sein?
Die ISH in Frankfurt ist ein gutes Barometer, um technische Trends im Markt zu erkennen. Die Mehrheit der Hersteller präsentierte in diesem Jahr Lösungen für Bestandsgebäude. Viele neue Produkte arbeiten mit klimafreundlichen Kältemitteln, die „nebenbei“ auch höhere Temperaturen ermöglichen (zum Beispiel das natürliche Kältemittel Propan). Es ist also kein Problem, das passende Gerät auch für Häuser zu finden, die hohe Heizkreistemperaturen benötigen.
Vor 20 bis 30 Jahren ging es darum, zu beweisen, dass Wärmepumpen funktionieren. Vor etwa 10 Jahren haben viele noch die ausreichende Effizienz der Geräte infrage gestellt. Heute ist das bei richtig geplanten und installierten Anlagen kein Thema mehr. Es kommt immer weniger auf das Gerät als auf eine fachgerechte Installation an.
Die heutigen Strukturen und Prozesse im Markt sind noch nicht darauf ausgerichtet, die notwendige Menge an Wärmepumpen zu installieren – zumindest in Deutschland, aber auch in einigen anderen Ländern. Viele Kunden berichten davon, dass es schwierig ist, kurzfristig ein Angebot und einen Installationstermin zu bekommen. Je klarer die politischen Rahmenbedingungen hier gesetzt werden, desto stärker wird sich die Branche auf die neuen Herausforderungen einstellen.
Die technische Weiterentwicklung von Wärmepumpen ist derzeit auf unterschiedliche Ziele ausgerichtet, so wie auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Endkunden unterschiedlich sind. Das spiegelt sich in den Arbeiten im Rahmen des internationalen Projekts „IEA HPT Annex 55 CCB“. Die vier möglichen Entwicklungsrichtungen sind schematisch in Bild 2 dargestellt.
- Beim ersten Entwicklungsziel „so günstig wie möglich, so effizient wie nötig“ handelt es sich um eine Massenmarkt-taugliche Variante. Sie ist nicht durch die höchste Effizienz gekennzeichnet, dafür aber preislich attraktiv.
- Die zweite Richtung steht für eine maximal flexible Wärmepumpe. In der Weiterentwicklung wird dabei der Fokus auf die Kommunikationsfähigkeit des Geräts gelegt. Das kann der Austausch mit dem äußeren Energiesystem als auch die Kommunikation innerhalb des (smarten) Gebäudes umfassen.
- Eine weitere Variante zielt auf eine sehr kompakte Heizungstechnik ab. In vielen Fällen kann dies eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung spielen.
- Und dann gibt es noch die weniger spezifische „Luxus“-Variante. Wahrscheinlich werden bei dieser Lösung nicht der Preis oder die Kompaktheit, sondern die technische Raffinesse, die maximale Effizienz, aber auch das Design eine Rolle spielen.
Sicher wird es noch deutlich mehr Varianten auf dem Markt geben, die jeweils eine Mischung aus den dargestellten vier Grundrichtungen sind.
Es wird also deutlich, dass es aus Kundensicht keinen Grund gibt, auf technologische Weiterentwicklungen zu warten und vorerst noch keine Wärmepumpe zu installieren. Es gibt schon heute viele verschiedene Produkte im Markt, die die jeweils spezifischen Anforderungen erfüllen können. Zukünftige Wärmepumpenmodelle werden zwar wahrscheinlich schneller und einfacher installiert werden können oder sogar in der Lage sein, sich im Betrieb selbst zu optimieren. Die Geräte werden aber nicht prinzipiell „viel besser geeignet“ sein, auch nicht für Bestandsgebäude. Und: Um die Klimaziele zu erreichen, haben wir einfach keine Zeit mehr zu verlieren.
Sind Hybridanlagen in Bestandsgebäuden vorteilhaft?
Um die Sinnhaftigkeit von Hybridanlagen zu bewerten, sollte man zunächst ein paar Begrifflichkeiten klären. Die einfachste Konfiguration eines Heizungssystems mit einer Wärmepumpe bezeichnet man als „monovalent“. Hierbei wird die gesamte Wärme ausschließlich über die Wärmepumpe bereitgestellt. Obwohl viele Wärmepumpensysteme genau so arbeiten, sind die meisten mit einem zusätzlichen Heizstab ausgestattet. Weil der Heizstab und die Wärmepumpe den gleichen Energieträger (Strom) nutzen, werden solche Systeme als „monoenergetisch“ bezeichnet.
Wenn neben der Wärmepumpe ein weiterer Wärmeerzeuger (zum Beispiel Gas- oder Ölkessel) die Heizwärme liefert, ist von „bivalenten“ Systemen die Rede. Unter einer Wärmepumpen-Hybridanlage wird meist ein System verstanden, in dem zwei Energieerzeuger mit verschiedenen Energieträgern in einem Gerät zusammengefasst sind oder beide Geräte zumindest über eine gemeinsame Steuerungseinheit verfügen.
Auf dem Markt sind sowohl Anlagen verfügbar, die vor allem eine Wärmepumpe sind und zusätzlich mit einem kleinen „Spitzenkessel“ ausgestattet sind, als auch Geräte, die aus einem Gas- oder Ölkessel mit hohem Anteil an der Gesamtleistung bestehen und zusätzlich eine kleine Wärmepumpe haben.
Warum könnte man eine Hybridanlage in Betracht ziehen?
Ein möglicher Grund könnte ein sehr hoher Heizenergiebedarf des Hauses und die daraus resultierenden Leistungsanforderungen an die Wärmepumpe sein. Sollte die Wärmepumpe nicht in der Lage sein, die notwendige Wärme in jedem Fall zu liefern, muss sie durch einen zusätzlichen Wärmeerzeuger unterstützt werden.
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist dieser Fall sehr unwahrscheinlich. Die Ergebnisse aus den Monitoringprojekten in Bestandsgebäuden zeigen, dass die Wärmepumpen auch in sehr kalten Perioden in der Lage sind, die notwendige Wärme zu liefern – entweder allein oder mit geringfügiger Unterstützung durch den Heizstab (siehe Teil 1). Eine zu geringe Leistung kann jedoch bei Mehrfamilienhäusern ein Problem sein. Häufig ist der Grund dafür eine limitierte Wärmequelle.
Ökologische Überlegungen können ein zweiter Grund für Hybridanlagen sein. Mit fallenden Außentemperaturen sinkt auch die Effizienz der Wärmepumpe. Unterhalb eines bestimmten Effizienzniveaus und bei einem eher durch fossile Energien geprägten Strommix könnte es ökologischer sein, mit dem Gaskessel statt mit einer Wärmepumpe zu heizen. Dieses Thema wurde detailliert in Teil 3 beschrieben.
Und schließlich könnte es noch einen ökonomischen Grund geben: Die außentemperaturabhängige Effizienz der Wärmepumpe ist ausschlaggebend für die momentanen Betriebskosten der Anlage. Unterhalb einer bestimmten Außentemperatur könnte die Effizienz der Wärmepumpe so niedrig sein, dass sich der vorübergehende Einsatz eines Gaskessels lohnt.
Beide Aspekte, Ökologie und Betriebskosten, sind neben der Effizienz der Wärmepumpe abhängig von weiteren Randbedingungen. Im Fall der Ökologie, also einem Betrieb mit möglichst geringen CO2-Emissionen, sind es die Emissionsfaktoren (Strommix). Und bei den Betriebskosten spielen offensichtlich die Strom- bzw. Gaskosten eine wesentliche Rolle.
Bild 4 zeigt, ab welcher Außentemperatur eine Wärmepumpe bzw. ein Gaskessel aus der ökologischen und ökonomischen Perspektive vorteilhaft wäre. Der Vergleich wurde für die Parameter von heute als auch für die Zeit nach dem Jahr 2025 in Deutschland durchgeführt.
Die Grundlage für die Berechnung bildet eine Verteilung der Heizenergiemengen auf die einzelne Temperaturgrade und eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit einer Effizienz von 3,7 bei dem Betriebspunkt A2/W35. Diese Effizienzannahme ist eher konservativ. Auf dem Markt gibt es Produkte, die unter denselben Bedingungen Effizienzwerte zwischen 3,1 und 4,7 haben. Die Heizkreistemperaturen wurden für Heizkörper berechnet.
Neben den „Grenztemperaturen“, unterhalb derer es vorteilhaft ist, mit einem Gaskessel zu heizen, ist in der Grafik auch der Anteil der Heizwärme, den die Wärmepumpe insgesamt decken kann, dargestellt. So ist beispielsweise bei den Werten aus 2019 die Grenztemperatur aus ökologischer Sicht erst bei -20 °C erreicht.
Demzufolge übernimmt die Wärmepumpe praktisch die gesamte Wärmebereitstellung. Natürlich ist die Situation noch vorteilhafter für die Wärmepumpen, wenn die Strom-Emissionsfaktoren weiter sinken. Im ökologischen Vergleich mit dem Gaskessel spielt das allerdings keine Rolle mehr.
Wirtschaftliche Perspektive auf Hybridanlagen
Aus wirtschaftlicher Perspektive ergibt sich ein anderes Bild, zumindest angesichts der heutigen Strom- und Gaspreise in Deutschland (siehe Teil 3 ). Unterhalb einer Außentemperatur von 2 °C ist es heute rein ökonomisch noch vorteilhaft, mit dem Gaskessel zu heizen. Dann übernimmt der Gaskessel 45 % und die Wärmepumpe 55 % der Wärmebereitstellung.
Wenn wir allerdings die sich abzeichnende Kostenentwicklung ab dem Jahr 2025 betrachten, verändert sich die Lage. Aufgrund der angenommenen Kosten in Höhe von 100 € pro Tonne CO2 wird der Gaspreis dann von 6,5 Cent auf 8,5 Cent gestiegen sein. Die Stromkosten könnten durch eine Senkung der EEG-Umlage von 24 Cent (Mittelwert Wärmepumpentarif 2020) auf etwa 20 Cent fallen.
Dann läge die Grenztemperatur bei –11 °C und die Wärmepumpe könnte 99 % der Wärmebereitstellung übernehmen. Selbst wenn die Stromkosten nicht sinken sollten, würde auch allein die schon gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Gaspreise zu einer Grenztemperatur von –5 °C und einem vorteilhaften Wärmepumpenanteil von 93 % führen.
Die dargestellten Vergleiche machen deutlich, dass Hybridanlagen aus ökologischen Gründen bereits jetzt im Vergleich zu einem reinem Wärmepumpenbetrieb nicht sinnvoll sind. Die Betriebskostenbetrachtung weist bei den heutigen Preisen zwar noch einen gewissen Vorteil beim Gaskessel aus, aber dies wird sich zugunsten eines reinen Wärmepumpenbetriebs schnell ändern.
Eine interessante sowie ökonomische als auch ökologische vorteilhafte Anwendung von hybriden Wärmepumpensystemen in Bestandsgebäuden kommt in den Niederlanden zum Einsatz. Dort werden unter spezifischen Randbedingungen kleine Wärmepumpen als „Add-on-Geräte“ zu dem bestehenden Gaskessel installiert.
Diese sehr kompakten und günstigen Geräte nutzen die Abluft aus den Innenräumen als Wärmequelle (in Holland sind die meisten Häuser mit mechanischen Abluft-Lüftungssystemen ausgestattet) und lassen sich damit schnell und wenig invasiv installieren. Verstärkt durch die günstigen Strompreise, können die Bewohner mit einer geringen Investition ihre Betriebskosten spürbar senken. Bei einer solchen Investition ist zu bedenken, ob nicht angesichts steigender CO2-Kosten gleich der Wechsel hin zu einer monovalenten Wärmepumpe die sinnvollere Option ist.
Im letzten Teil dieser Serie werden zwei Beispiele von konkreten Bestandsgebäuden mit Wärmepumpen genauer vorgestellt. Weiterhin geht es um den Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern.
Artikelserie: Wärmepumpen im Bestand
In dieser Artikelserie werden die verschiedenen Argumente gegen den Einsatz von Wärmepumpen im Bestand analysiert und diversen Untersuchungsergebnissen gegenübergestellt. Basis dafür sind das Wissen und die Erfahrungen aus fast 20 Jahren Wärmepumpenforschung am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Dabei werden die folgenden Themenschwerpunkte behandelt:
- Teil 1: Vorlauftemperaturen und Anwendbarkeit im Bestand
- Teil 2: Monitoring-Ergebnisse und Heizstabeinsatz
- Teil 3: Ökologische und ökonomische Bewertung
- Teil 4: Technologische Entwicklung und Hybridanlagen
- Teil 5: Einsatzbeispiele EFH und MFH -> erscheint am 21.07.2021
Grundlage der Serie ist eine von der Stiftung Klimaneutralität beauftragte und von Marek Miara verfasste Blogreihe. Das Ziel ist es dabei, Vorurteilen gegenüber dem Einsatz von Wärmepumpen im Bestand zu begegnen und eine Grundlage für die notwendigen Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen.
Die Stiftung Klimaneutralität wurde gegründet, um in enger Kooperation mit anderen Denkfabriken sektorübergreifende Strategien für ein klimagerechtes Deutschland zu entwickeln. Auf der Basis von guter Forschung will die Stiftung informieren und beraten – jenseits von Einzelinteressen. → www.stiftung-klima.de
Dieser Beitrag von Dr.-Ing. Marek Miara ist zuerst erschienen in SBZ 08/2021. Marek Miara ist Business Developer Heat Pumps am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, 79110 Freiburg .
www.ise.fraunhofer.de