Studie zur Energiewende: Reservekapazitäten für Dunkelflauten sind finanzierbar
Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht vor, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor von heute 120 Millionen Tonnen bis 2030 auf rund 70 Millionen Tonnen zu senken und bis 2050 einen "nahezu klimaneutralen Gebäudebestand" zu erreichen.
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Optionen: Zum einen den Einsatz synthetischer Brennstoffe zur Wärmeerzeugung, zum anderen die Elektrifizierung der Heizungen mit Hilfe von Wärmepumpen. Letzteres wirft allerdings Fragen auf, insbesondere im Kontext eines Kohleausstiegs: Welche Auswirkungen hätte eine Elektrifizierung des Gebäudesektors auf die Börsenstrompreise? Und wie verhält sich der Markt in Stunden mit "kalter Dunkelflaute"?
Diesen Fragen ist das Analysehaus Aurora Energy Research in einer neuen Studie nachgegangen, in der zwei Szenarien betrachtet werden: Ein "Medium-Scenario", in dem bis 2035 zweieinhalb Millionen Wärmepumpen installiert werden, die rund elf Prozent der Wärmenachfrage in Gebäuden decken, und ein "High-Scenario" in dem 2035 fünf Millionen Wärmepumpen rund 20 Prozent des Bedarfs decken. Zentrales Ergebnis: Ein starker Ausbau der Wärmepumpenversorgung hätte auf den Basisstrompreis relativ geringe Auswirkungen, im "Medium-Scenario" steigt der durchschnittliche Börsenstrompreis bis 2035 um 1 Euro/MWh, im "High-Scenario" um 5 Euro/MWh.
Größer ist der Effekt bei den Spitzenstrompreisen: Sie würden vor allem in kalten Stunden mit geringer Erneuerbaren-Erzeugung stark ansteigen, und so zeitweise Knappheit signalisieren. "In einigen Stunden müssten dann Reservekraftwerke aktiviert werden", sagt Casimir Lorenz, Autor der Studie bei Aurora Energy Research. "Um in diesen Zeiträumen nicht Strom importieren zu müssen, bräuchte es entsprechende Spitzenlastkapazitäten. Allerdings zeigen unsere Berechnungen, dass der Anstieg der Spitzenstrompreise in einem normalen Wetterjahr dennoch nicht ausreicht, dass sich zusätzliche Investitionen in Gaskraftwerke lohnen."
Wetten auf Extremwetterjahre für Investoren kaum interessant
In Extremwetterjahren mit außergewöhnlich kalten Wintern und langanhaltend niedriger Erneuerbaren-Erzeugung sieht das anders aus. Häufigkeit und Dauer der Reserveaktivierungen würden in solchen Jahren ansteigen und die Spitzenstrompreise weiter in die Höhe treiben. Das wiederum würde Investitionen in flexible Kapazitäten lohnenswert machen. "Angesichts der Unsicherheit, ob und wann Extremwetterjahre eintreten, ist es jedoch fraglich, ob Investoren auf diese Ereignisse wetten würden, um ihre erwartete Rendite zu erzielen", sagt Lorenz.
Wahrscheinlicher wäre ein Zubau von Gaskraftwerken, der durch Kapazitätszahlungen unterstützt wird. Im "High-Scenario" kommt die Studie in einem Extremwetterjahr Mitte der dreißiger Jahre in einzelnen Stunden auf eine nationale Kapazitätslücke von 16 GW. Um diese Lücke durch flexible Gaskraftwerke zu schließen, würden jährliche Kapazitätszahlungen von etwa 800 Millionen Euro fällig. Was nach substanziellen Kosten klingt, relativiert sich im Vergleich zu anderen Investitionen, die zur Dekarbonisierung des Wärmesektors erforderlich sind: Um bis 2035 auf fünf Millionen Wärmepumpen in den Gebäuden zu kommen, lägen die jährlichen Investitionskosten bei rund acht Milliarden Euro.
Umlagen mindern Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen
Die Wirtschaftlichkeit ist eine zentrale Voraussetzung für die Wärmewende: "Um mehr Wärmepumpen in den Gebäudebestand zu bringen, müssten zunächst einmal die jetzigen Renovierungs- und Neubauraten deutlich ansteigen und Wärmepumpen bei Renovierungen wirtschaftlich attraktiver gemacht werden", sagt Lorenz. "Bei heutigen Modernisierungsraten, würden bis 2035 immer noch nur knapp acht Prozent der Wärmenachfrage im Gebäudesektor durch Wärmepumpen gedeckt."
Vor allem bei Renovierungen von Bestandsgebäuden lohnen sich Wärmepumpen im Vergleich zu Gasheizungen noch nicht. Das liegt vor allem an den hohen Umlagen auf den Strom zum Betrieb der Anlagen. Würden die Umlagen für Haushaltskunden mit Wärmepumpe um 40 Prozent (rund 9 Cent pro kWh) gesenkt, wäre die Technologie auch bei Renovierungen wettbewerbsfähig.
Eine Kurzversion der Studie finden Sie hier: www.auroraer.com/insight/?fwp_insight_type=type-commentary