Welche Perspektiven der 3D-Druck für das Bauwesen bietet
Häuser drucken? Dieses Video wurde zum YouTube-Hit: Nur 24 Stunden benötigte ein 3D-Drucker in der Nähe von Moskau, um ein Tiny House mit Wohnzimmer, Flur, Küche und Bad zu bauen. Das Video zeigt, wie der mobile Drucker Schicht für Schicht aus der Betonmischung die Hülle für das Gebäude errichtet. Laut der Firma Apis Cor, die den 3D-Drucker hergestellt hat, belaufen sich die gesamten Baukosten für Rohbau plus Endfertigung auf 9.500 Euro – das entspricht 250 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Deutschland müssen private Bauherren laut Statistischem Bundesamt mit reinen Baukosten von rund 1.600 Euro je Quadratmeter rechnen. Bietet der 3D-Druck also vielversprechende Aussichten für die Baubranche?
Die Baubranche krempelt um: Das Projekt Milestone
Im niederländischen Eindhoven kooperieren die beiden Unternehmen Saint-Gobain Weber Beamix und BAM beim 3D-Druck im Bauwesen. Sie entwerfen und stellen Gebäude wie Häuser und Brücken in 3D-Drucktechnologie her.
Im Januar 2019 wurde das Eindhovener Werk eröffnet und in Betrieb genommen. „Wir haben die erste gedruckte Brücke der Welt gebaut“, sagt Marco Vonk, Marketing-Manager bei Saint-Gobain Weber Beamix. Der Fußgängersteg in der Gemeinde Gement nahe Eindhoven wird bereits von der Öffentlichkeit genutzt und bewährt sich im täglichen Gebrauch. Kein Wunder, wie Vonk sagt: „Die Brücke würde sogar der dreifachen Konstruktionslast standhalten, wie unsere Tests gezeigt haben.“ Der gesamte Herstellungsprozess für den Bau befindet sich noch immer in der Experimentierphase: „Wir entwickeln und testen jeden Tag“, so Vonk über das Verfahren.
Ab dem Frühjahr 2020 soll das Projekt Milestone, für das sich die Stadt Eindhoven, Unternehmen aus der Industrie und die Wissenschaft zusammengeschlossen haben, konkretes Anschauungsmaterial für den 3D-Druck im Bauwesen bieten. Dazu sind fünf Häuser zum Ausstellen in Planung, die von außen an Menhire erinnern, also an Hinkelsteine wie die von Obelix. Der Innenraum aber wird rechtwinklig ausgelegt sein.
3D-Druck im Bauwesen: Hausbau auf Knopfdruck
Da der Gestaltung von Formen, Farben und Oberflächen beim 3D-Druck im Hausbau kaum Grenzen gesetzt sind, sind Technologie und Verfahren für Architekten und künftige Bauherren von großem Interesse. Ist ein Grundmodell einmal errechnet, werden durch das Verändern der Parameter unendlich viele Varianten der Zementspritzbauten für das Bauwesen möglich. Und zwar aus einem Guss: Das Hintereinander der Materialien einer Wand, also Mineralputz, Wärmedämmsystem, Mauersteine und Beton, fällt beim Bau weg.
Wobei die „Druckertinte“ nicht unbedingt Beton sein muss: In Amsterdam experimentiert man mit dem Druck von Bio-Kunststoff in Wabentechnik. An der ETH Zürich drucken Forscher nicht den Beton an sich aus, sondern ein dichtes dreidimensionales Metallgewebe, in das später der flüssige Beton verfüllt wird.
Auch alle notwendigen Nischen und Winkel können beim Bauen mit der 3D-Technologie angelegt werden, erklärt Theo Salet, Professor für Hochbau und Dekan des Instituts für Bauplanung an der Technischen Universität Eindhoven: „Eine solche Wand kann mit allen Funktionalitäten gedruckt werden.“ Dazu gehören Aussparungen für Rohre, Kabel und Steckdosen sowie schmutzabweisende Strukturen für die Außenfassade oder dämmende Verstärkungen für den Innenraum. Ebenso möglich: Das Erstellen von Fertigteilen mit dem 3D-Drucker. Vielversprechende Perspektiven für den Hausbau und das Bauwesen allgemein - und damit auch für das Bauen in der Zukunft?
3D-Druck für den Hausbau in Deutschland?
Die Vorteile von Häusern aus dem Drucker sind offensichtlich, sowohl für das Bauwesen als auch für die späteren Bewohner: Der 3D-Drucker erhöht die Baugeschwindigkeit deutlich und senkt dadurch die Kosten beim Bau spürbar. Zudem werden der Materialausschuss und das Unfallrisiko minimiert.
Dennoch rechnet Klaudius Henke, der am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München selbst intensiv auf dem Gebiet forscht, zumindest in den nächsten zehn Jahren nicht mit einem Boom im Bauwesen in Deutschland. Es sei noch völlig offen, „ob es am Ende tatsächlich der 3D-Druck des Eigenheims ist, der sich durchsetzen wird, oder eher eine Mischbauweise aus additiv gefertigten Elementen in Kombination mit konventionell hergestellten“, so Henke. „3D-Druck macht nicht in jedem Fall Sinn, sondern vor allem dort, wo geometrisch komplexe Bauteile für ein Gebäude in kleinen Stückzahlen zu realisieren sind.“
Immerhin: In Deutschland wurde mittlerweile das erste gedruckte Wohnhaus gebaut. Weitere Projekte sind in Planung.
Autorin Annkathrin Bernritter von der Bausparkasse Schwäbisch Hall hat die Experten der Schwäbisch Hall-Stiftung "bauen-wohnen-leben" nach Eindhoven (NL) begleitet, wo intensiv am 3D-Druckverfahren gearbeitet wird.