Prüfnachweise für Befestigungsmittel: Das müssen Sie beachten
Sachverständige werden meist dann auf die Baustelle gerufen, wenn Auseinandersetzungen drohen. Damit diese erst gar nicht entstehen, sollten sich Architekten und Montagefirmen mit der Planung ihrer Projekte intensiv auseinandersetzen – insbesondere mit Prüfnachweisen und –zeugnissen. In diesem Interview mit der Fachzeitschrift GLASWELT machen Bausachverständige wichtige Aussagen im Zusammenhang mit den Zulassungen und Prüfnachweisen von Befestigungsmitteln.
GLASWELT: Können Befestigungsmittel mit einem Prüfnachweis generell für alles verwendet werden?
Sachverständiger: Die Erteilung eines Dokumentes, etwa eines bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses, einer Zulassung oder eines weiteren Nachweises in einer jeweiligen Klasse, z. B. bei der Einbruchhemmung, bedeutet lediglich, dass die geforderten Leistungswerte erreicht werden. Dies bezieht sich auf die in der Prüfung verwendeten Befestigungsmittel, unter Einhaltung der in dem Prüfdokument angegebenen Voraussetzungen. Zu beachten sind: Freie Dübellängen, Randabstände, Durchmesser und – ganz wichtig – die Untergründe und die Randkomponenten, die beim Versuchsaufbau und dem daraus resultierenden Ergebnis erstellt wurden.
Im Regelfall gelten die Leistungswerte nur in Verbindung mit den Baustoffen, in die sie eingebracht wurden. Wenn also in einer Betonwand geprüft wurde, gelten die Werte nicht zwangsläufig für einen Kalksandstein, schon gar nicht für einen Hochlochziegel, Gipskarton oder einen Tonziegel. Der Montagebetrieb muss also die Einbausituation mit den Bedingungen aus dem Prüfdokument in Einklang bringen, nur dann gelten auch die erteilten Dokumente.
Sind Abweichungen festzustellen, ist mit dem Inhaber des Prüfzeugnisses und der später erstprüfenden Stelle eine mögliche Übertragbarkeit in Form einer gutachterlichen Stellungnahme zu besprechen.
Wer ist für die Situation bei der Verwendung eines Befestigungsmittels auf der Baustelle verantwortlich?
Der Planer, aber auch der Anwender bzw. Nutzer des Befestigungsmittels ist für die Anwendbarkeit und die praktische Umsetzung vor Ort verantwortlich. Inwieweit die Verantwortlichkeit im Fall einer späteren Haftungsfrage aufgeteilt wird, ist juristisch zu bewerten.
Ist ein Prüfzeugnis eine Befreiung von Eigenverantwortung?
Natürlich nicht, da die entsprechenden Bedingungen erfüllt sein müssen. Als Unternehmer und entsprechend Fachkundiger ist man für seine Handlungen verantwortlich und haftbar. Der Unternehmer hat sorgfältig zu prüfen, ob die Randbedingungen der Prüfung auch bei ihm zutreffen.
Es gilt im Besonderen immer zu prüfen, wenn der Monteur beispielsweise die Schraube des Herstellers A mit der des Herstellers B vergleicht, wie umfangreich die Prüfungen sind. Wo liegt der Grenzbereich, nach welchen Voraussetzungen, Normen und Richtlinien ist das entsprechende Befestigungsmittel auch geprüft worden? Einfache Tests von Auszugswerten, daraus resultierende formlose Bewertungen, Einschätzungen und Schnittbildungen sind nicht zielführend und können im Ernstfall zu erheblichen Problemen führen.
Lässt sich mit einem Prüfzeugnis ein Produkt aufwerten?
Natürlich nicht. Eine Werkleistung, die mit unterschiedlichen Komponenten errichtet wurde, muss so gestaltet sein, dass die Prüfnachweise der einzelnen Produkte übereinstimmend sind. Es gibt aber immer wieder abweichende Situationen: Etwa wenn das Befestigungsmittel keinen Einzelnachweis für z. B. eine einbruchhemmende Klasse hat, jedoch in der Gesamtsituation z. B. ein Fenster mit einem Befestigungsmittel einbruchhemmend geprüft wurde. So ist z. B. der Austausch eines Befestigungsmittels des Herstellers A zum Hersteller B nicht zwangsläufig im Prüfnachweis mit abgedeckt. Auch hier gilt, dass die erstprüfende Stelle und die Inhaber der Prüfnachweise dazu befragt werden müssen.
Für welche Fälle wird überhaupt ein Prüfzeugnis benötigt?
Man benötigt immer dann einen Nachweis, wenn er gefordert wird. Das gilt für fast alle Bauprodukte in Deutschland. Gemäß Landesbauordnungen werden die Standards festgelegt, die einzuhalten sind. Sofern ein Bauprodukt gemäß Musterbauordnung/Landesbauordnung nur eingesetzt werden darf, wenn es auch eine entsprechende Zulassung hat, so ist dies zwingend einzuhalten.
Kann ein Prüfzeugnis als Marketingmittel eingesetzt werden?
Ein Prüfzeugnis kann dem Kunden mit der Absicht übermittelt werden, ihn vom Produkt zu überzeugen. Aber wir stellen auch immer wieder fest, dass es sowohl Befestigungsmittel als auch Abdichtungsmittel gibt, die mit problematischen Prüfnachweisen arbeiten. Im Bericht des Prüfnachweises werden Prüfvoraussetzungen aufgeführt, die in der realen Welt bzw. unter realen Gesichtspunkten nicht oder nur eingeschränkt zu finden sind. Dies bedeutet, dass die Anwendbarkeit des Produktes in solchen Fällen eher begrenzt ist, obwohl das Prüfzeugnis hinsichtlich des Layouts und der Aufmachung viel mehr verspricht. Der Teufel steckt im Detail und im Kleingedruckten.
Ist das Übererfüllen von Anforderungen für das Erteilen eines Prüfzeugnisses von Bedeutung?
Wenn die Kriterien erfüllt sind, wird das Prüfzeugnis erteilt. Einen gewissen Toleranzbereich für die Anforderungswerte sollte man berücksichtigen, schließlich können sich unter den Wandbauteilen wie Ziegeln, die gemäß technischem Datenblatt eine bestimmte Druckfestigkeit aufweisen, auch „Ausreißer“ befinden, die die geforderten Werte nicht liefern können. Unser Tipp deshalb: Rechnen Sie für sich „einen Puffer“ ein.
Was können Sie darüber hinaus noch für Tipps für die Montageplanung geben?
Beginnt man mit einer Fachplanung für die Montage von Fenstern und Türen, so ist im Rahmen einer Analyse frühzeitig abzuklären, welche Baukörperanschlusssituationen erbracht werden müssen.
Hier kann eine Checkliste ratsam sein, um wichtige Parameter zu klären: Wie sieht das Wandbauteil aus, welche Randabstände gilt es zu berücksichtigen, wie sind die freien Dübellängen zu bewerten und wie sind die Anschlusskomponenten und die Fensterpositionen als solches.
Nicht zu vernachlässigen sind beispielsweise bei Altbausanierungen die Mörtel- und Mauerwerksfugen. Trotz eines Steins als Wandbauteil mit einer sehr hohen Druckfestigkeit, können die Mauerwerksfugen nicht die erhöhte Stabilität aufweisen.
Die Prüfnachweise der Hersteller sind immer kritisch zu lesen: Wo ist der Grenzbereich des Produktes und welche Randkomponenten und Situationen sind abgeprüft? Erst dann lässt sich die konkrete Wahl des Befestigungsmittels treffen. Sofern dann noch eine ordnungsgemäße Verwendung des Befestigungsmittels durch den Anwender sichergestellt ist, kann die Werkleistung erfolgreich und abnahmefähig zum Abschluss gebracht werden.
Bei der Auswahl der Lieferanten für Abdichtungskomponenten, Abdichtungsmaterial oder Befestigungsmittel empfehlen wir, auf das Urteil der speziell geschulten Fachberater zu hören. Wir raten dringend davon ab, sich von niedrigen Preisen und wohlklingenden „Prüfnachweisen“ blenden zu lassen. Die vermeintlich günstigere Lösung führt nicht selten zu bösen Überraschungen mit kostspieligen Konsequenzen.
Herzlichen Dank für die Informationen!
Die Experten
Diese hier abgebildeten Sachverständigen sind auch auf der Baustelle vor Ort und decken Mängel und Schadhaftigkeiten auf: Eine zentrale Rolle spielt dabei stets die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, wie z. B der CE-Kennzeichnung, der DIN-Normen und weiterer Richtlinien sowie der üblichen Vorschriften im Fenster- und Türenbau. Allen Sachverständigen liegt es am Herzen, wichtige Fakten zum Umgang mit Prüfzeugnissen und -nachweisen zu vermitteln.
Die Empfehlung der Experten: Schauen Sie sich die Prüfnachweise aller Materialien die Sie einsetzen an, hinterfragen Sie die Details und schauen Sie genau nach, ob das gewünschte Produkt für Ihren Einsatzort geeignet ist. Dies gilt nicht nur bei Montagemitteln, sondern auch bei dem zu montierenden Bauteil unter Berücksichtigung aller Anforderungen vor Ort. Prüfen Sie, ob Sie alle Daten der Fachplaner haben, checken Sie, ab wann Sie selbst zum Fachplaner werden. Betrachten Sie die Situation immer ganzheitlich auch unter Berücksichtigung der Vor- und Folgegewerke – Der Teufel steckt im Detail.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in GLASWELT 01/2021.