Luftdichtheit nach DIN EN 9972: Eine Messung für alles?
Wird die Dichtheit von Gebäuden geprüft, um festzustellen, ob die Anforderungen der EnEV 2013/14 eingehalten werden, muss derzeit noch die DIN EN 13829:2001-02 verwendet werden.
Obwohl diese Norm Ende 2015 zurückgezogen und durch die Norm DIN EN ISO 9972:2015-12 ersetzt wurde, definiert die aktuelle Energieeinsparverordnung die Vorgängernorm weiterhin als anzuwendende Prüfnorm. Dies wird sich jedoch voraussichtlich mit dem kommenden Gebäudeenergiegesetz (GEG) ändern.
Da die ISO-Norm zur Umsetzung nationaler Regelungen einige Freiheitsgrade lässt, wurde vom zuständigen Normausschuss ein nationaler Anhang erarbeitet, auf den in der „Straßenbahnversion“ des GEG auch Bezug genommen wird.
Luftdurchlässigkeit durch neue Norm vermeiden
Mit der Messung der Luftdichtheit der Gebäudehülle, wie sie aktuell in der EnEV gefordert wird, soll ermittelt werden, ob die Kennwerte der Luftdichtheit nationalen Anforderungen genügen. Schwachstellen und Fehler in der Luftdichtheit sollen dadurch vermieden werden.
Die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle lässt sich beispielsweise mit dem Blower-Door-Test prüfen.
Werden die Anforderungen eingehalten, darf in der Primärenergiebedarfsberechnung mit einem verminderten Luftwechsel gerechnet werden. Für diesen Anwendungsfall wurde der nationale Anhang der DIN EN ISO 9972:2018-12 geschrieben.
Das Einhalten der geforderten Gebäudekennwerte (Netto-Luftwechselrate bei 50 Pa = n50, Luftdurchlässigkeit bei 50 Pa über der Gebäudehülle = q50 der DIN EN 13829 bzw. qE50 der DIN EN ISO 9972) sagt jedoch nicht viel darüber aus, ob die Gebäudehülle inklusive aller Durchdringungen dauerhaft luftdicht ausgeführt wurde, da in den Kennwerten der gesamte Leckagestrom über alle Leckagen einfließt.
Um die einzelnen Leckagen bzw. die Luftdichtheit der Ausführung der luftdichten Ebene am Gebäude im Einzelnen zu beurteilen, ist weiterhin eine Dichtheitsprüfung während des Bauprozesses, als „baubegleitende Messung“ erforderlich. Dieses Verfahren bzw. diese Messung ist jedoch in der DIN EN ISO 9972 nicht abgebildet.
Das sind die Änderungen bzw. wichtigsten Punkte in der Prüfung der Luftdichtheit der Gebäudehülle durch die neue Norm DIN EN ISO 9972:
Messumfang im Verfahren klar definiert
Da die Norm für den Messumfang mehrere Optionen lässt, wurde im nationalen Anhang definiert, dass in die Messung alle Räume im Gebäude einzubeziehen sind, die innerhalb der wärmeübertragenden Umfassungsfläche liegen. D.h. die Messung im Verfahren umfasst alle thermisch konditionierten (beheizten oder gekühlten) Räume.
Dazu gehören auch Räume innerhalb der thermischen Gebäudehülle, in denen keine Heizquelle installiert ist, weil sie durch angrenzende Räume indirekt mit beheizt werden.
Der zu untersuchende Gebäudeteil umfasst bei Gebäuden, für die eine energetische Bewertung nach DIN V 18599 durchgeführt wurde, alle Räume innerhalb der Systemgrenzen bzw. Bilanzgrenzen nach DIN V 18599-2. Damit sollte die Diskussion um direkt oder indirekt beheizte Räume beendet sein, es zählt der Gebäudeteil, der auch in der energetischen Berechnung abgebildet wird.
Es wurde zudem eine Regel aufgenommen, wie mit Räumen umzugehen ist, die nur von außen zugänglich sind oder die eine nicht verschließbare Lüftungsöffnung wie z.B. im Heizungsraum oder Batterieraum aufweisen: Sie werden bis zu einer Größe von 5 % des Gesamtvolumens aus der Messung ausgeschlossen, bei der Berechnung der Bezugsgröße werden diese Räume jedoch nicht abgezogen.
Messen, wenn die Gebäudehülle fertiggestellt ist
In der Praxis werden oft Messungen an Gebäuden durchgeführt, deren Hülle noch nicht komplett fertiggestellt ist. So werden beispielsweise Öffnungen von nicht vorhandenen Bodeneinschubtreppen zum unbeheizten Spitzboden provisorisch abgedichtet, obwohl auch diese Öffnung unter die Dichtheitsanforderung der EnEV bzw. des GEG fällt.
Deshalb wird nun klargestellt, dass die Messung erst stattfinden kann, nachdem die Gebäudehülle fertiggestellt ist. Es wird herausgehoben, dass die Prüfung der Gebäudehülle erst erfolgen kann, wenn die Luftdichtheit der Gebäudehülle inklusive aller Durchdringungen fertiggestellt ist. Dabei müssen Luftdichtheitsschichten so befestigt bzw. mechanisch gesichert sein, dass sie durch die Messung nicht beschädigt werden.
Damit ist deutlich vorgegeben, dass alle Türen, Klappen, Einbauten, Kabel- und Rohrdurchdringungen etc., die in der luftdichten Ebene vorgesehen sind, zum Messzeitpunkt auch wirklich eingebaut sein müssen. Eine Messung z.B. mit Bautür ist so ausgeschlossen. Der Hinweis auf die Befestigung der Luftdichtheitsschichten stellt zudem klar, dass zum Zeitpunkt der Messung im besten Fall eine Nachbesserung an der luftdichten Ebene noch leicht möglich sein soll.
In einer Anmerkung wird ergänzt, dass es im Hinblick auf gegebenenfalls notwendige Nachbesserungen der Luftdichtheitsebene sinnvoll ist, einen Zeitpunkt zu wählen, an dem die Luftdichtheitsschicht weitgehend zugänglich ist. Um einen frühen Messzeitpunkt zu ermöglichen, kann die Messung auch dann erfolgen, wenn bestimmte technische Einrichtungen noch nicht im Gebäude eingebaut sind.
Die technischen Einrichtungen, auf die der nationale Anhang in diesem Zusammenhang verweist, sind Wäschetrockner, Dunstabzugshauben und Kaminöfen. Wenn diese Geräte zum Messzeitpunkt noch nicht vorhanden sind, dürfen die dafür vorgesehenen Durchdringungen in der luftdichten Ebene abgedichtet werden.
Absichtlich vorhandene Öffnungen in der Gebäudehülle
Die Norm gibt drei Verfahren vor, wie die absichtlich vorhandenen Öffnungen in der Gebäudehülle bei der Luftdurchlässigkeitsmessung präpariert werden sollen. Für den nationalen Anhang wurde in Absprache mit dem Verordnungsgeber das Verfahren 3 gewählt. Dabei handelt es sich um die Prüfung des Gebäudes zu einem bestimmten Zweck; hierbei werden absichtlich vorhandene Öffnungen passend zu den im jeweiligen Land geltenden Normen oder Richtlinien präpariert.
Für alle Öffnungen wird vorgegeben, ob sie geschlossen oder abgedichtet werden, oder ob sie unverändert bleiben (s. auch Tabelle S. 46). Die Präparation soll als Messergebnis der Dichtheitsprüfung einen Dichtheitskennwert liefern, der eine saubere Abbildung der Infiltration in der Primärenergiebedarfsberechnung der DIN V 18599 erlaubt:
- Alle Fenster, Außentüren und Luken in der Umfassungsfläche des zu untersuchenden Gebäudeteils sind zu schließen.
- Öffnungen in der Gebäudehülle, die nicht zur Lüftung vorgesehen sind, sind zu schließen, beispielsweise ein in der Außentür eingebauter Briefkasten.
- Öffnungen ohne Vorrichtung zum Schließen bleiben unverändert (z. B. Briefeinwurfschlitz).
- Öffnungen für freie Lüftung sind zu schließen (z. B. Außenluftdurchlässe für freie Lüftung mit Verschließeinrichtung).
- Öffnungen von ventilatorgestützten Lüftungs- und Klimaanlagen, welche bei bestimmungsgemäßem Betrieb während der Heizzeit ununterbrochen in Betrieb sind, werden abgedichtet, sofern sie nicht durch Klappen in der Außen- und Fortluft verschlossen sind. Dabei ist folgendes abzudichten:
- Hauptleitungen vor oder hinter den Ventilatoren oder
- Außen- und Fortluftdurchlässe oder
- sämtliche einzelnen Zu- und Abluftdurchlässe. - Bei Abluftanlagen nach DIN 1946-6 sind zusätzlich die Außenluftdurchlässe abzudichten bzw. zu schließen.
- Ventilatorgestützte Anlagen, die während der Heizzeit nur zeitweise in Betrieb sind, werden ausgeschaltet.
- Feuer- und Rauchschutzklappen müssen sich in ihrer üblichen Nutzungsstellung befinden.
Um nicht die Interpretationsmöglichkeit der vorherigen Norm hinsichtlich Abdichtung absichtlicher Öffnungen zu wiederholen, wurden im nationalen Anhang ergänzend Tabellen aufgenommen, in denen diese Anforderungen für alle üblichen Bauteile tabellarisch aufgelistet sind. Dabei wird in drei Kategorien unterschieden: Gebäudehülle, Öffnungen, die nicht der geplanten Lüftung dienen, sowie Lüftungsbauteile (s. Tabelle).
Als wichtige Ergänzung wurde im nationalen Anhang wieder wie in der DIN EN 13829 eine messbare Vorgabe aufgenommen, die sicherstellt, dass während der Messung im gesamten Messbereich der gleiche Druck herrscht: Die inneren Druckunterschiede zwischen den Bereichen dürfen nicht mehr als 10% der Druckdifferenz zwischen innen und außen betragen. Diese Forderung ist insbesondere bei großen oder komplexen Gebäuden wichtig.
Zwei Messreihen für aussagekräftige Ergebnisse
Für den Nachweis der öffentlich-rechtlichen Anforderungen muss nach nationalem Anhang
- jeweils eine Messreihe bei Unterdruck und eine Messreihe bei Überdruck durchgeführt und ausgewertet werden,
- die Differenzdruck-Messreihe immer mindestens bis zu einem Gebäudedruck von 50 Pa durchgeführt werden.
Messungen, bei denen der maximale Gebläsedruck zwischen 25 und 50 Pa liegt, erfüllen nicht die Anforderungen der Messnorm.
Die beiden Messreihen wurden mit dem Ziel vorgegeben, die Qualität auf der Baustelle zu verbessern. Durch die Vorgabe wird berücksichtigt, dass sich Leckagen bei Über- und Unterdruck unterschiedlich verhalten und dass die Dichtheit des Gebäudes üblicherweise in beiden Richtungen gegeben sein soll.
Bezugsgrößen wie bei national üblichen Berechnungen
Zu den weiteren Änderungen gehört außerdem, dass im nationalen Anhang bei den Bezugsgrößen im Verfahren nun wieder auf national übliche Berechnungen abgestellt wird. Das Luftvolumen wird aus Nettoraumfläche und der mittleren lichten Raumhöhe mit den geplanten Fertigmaßen ermittelt. Dabei werden die aus der Messung ausgeschlossenen Räume eingerechnet, wenn sie 5% des Gesamtvolumens nicht übersteigen.
Die Hüllfläche der DIN V 18599-1 darf verwendet werden, wenn sich dadurch das Ergebnis nicht signifikant ändert. Konkret bedeutet das, dass der Fehler kleiner als 5 % bleiben muss. Nach nationalem Anhang gilt dies für Gebäude ab 30m Länge, 30m Breite und 15m Höhe.
Beschreibung der abschnittsweisen Messung
Für den Fall, dass unterschiedliche Anforderungen an Gebäudeteile gestellt werden oder das Gebäude nicht mit einer Messung erfasst werden kann, beschreibt der nationale Anhang die Möglichkeiten:
Mit einer einfachen abschnittsweisen Messung werden nacheinander alle Gebäudeteile gemessen und daraus das Ergebnis für das Gesamtgebäude errechnet. Das Messergebnis enthält die Leckagen zwischen den Gebäudeteilen.
Diese Leckagen können mit einer Schutzdruckmessung ausgeschlossen werden. Hierbei wird die Messung in der Form durchgeführt, dass über die verbindenden Innenwände der zu messenden Gebäudeteile kein Differenzdruck anliegt. So sind im Ergebnis die Leckagen über innenliegende Trennwände bzw. -decken ausgeschlossen und es wird nur der Leckagestrom über die Hüllflächen der Außenbauteile ermittelt.
Änderungen bei der Stichprobenmessung
In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, wie sogenannte Laubenganggebäude zu messen sind und ob es nicht ausreicht, aus repräsentativen Stichprobenmessungen ein Gesamtergebnis abzuleiten. Dazu wurde im nationalen Anhang ein informativer Anhang aufgenommen, der eine derartige Messung beschreibt.
Der Mindestumfang der Stichprobe beträgt zwölf Nutzungseinheiten und es wird mindestens 20% der Hüllfläche untersucht. Bei der Auswahl der Nutzungseinheiten müssen alle Bauweisen und Bauteile angemessen repräsentiert sein und es wird eine Mindestanzahl der im obersten und untersten Geschoss zu messenden Nutzungseinheiten vorgegeben. Ob eine Stichprobenmessung zulässig ist, um die öffentlich-rechtlichen Anforderungen zu überprüfen, kann jedoch nur der Verordnungsgeber entscheiden.
In der „Straßenbahnversion“ des GEG ist dazu eine Regelung enthalten: „Besteht ein Gebäude aus gleichartigen, nur von außen erschlossenen Nutzeinheiten, so darf die Messung nach Absatz 1 nach Maßgabe von DIN EN ISO 9972:2018-12 Anhang NB auf eine Stichprobe dieser Nutzeinheiten begrenzt werden.“
Zusammenfassung
Der nationale Anhang zur DIN EN ISO 9972 beschreibt die nationalen Vorgaben zur Überprüfung der Luftdichtheit entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen. Es wurden Klarstellungen zu strittigen Themen wie Messzeitpunkt, Messumfang und Präparation des Gebäudes sowie nationale Vorgaben für die Durchführung der Messung aufgenommen. Zudem wird die Vorgehensweise bei abschnittsweiser Messung beschrieben und über die Randbedingungen einer Stichprobenmessung informiert.
Dieser Artikel von Oliver Solcher ist zuerst erschienen in Gebäude Energie Berater 02/2019. Oliver Solcher ist Inhaber eines Ingenieurbüros, das sich schwerpunktmäßig mit Wohnungslüftung beschäftigt, und Geschäftsführer des Fachverbandes Luftdichtheit im Bauwesen FLiB.