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Spinelli-Areal: Vom kargen Kasernengelände zum wohligen Wohnquartier

Claudia Siegele
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Zu den bis heute sichtbaren baulichen Überbleibseln des Kalten Krieges gehören nicht allein die nun beidseitig inspizierbaren Mauerreste und Wachtürme in Berlin, sondern auch die Militärbasen der Siegermächte in den jeweiligen Besatzungszonen. Der größte und wohl bekannteste Militärstützpunkt ist die Ramstein Air Base ein paar Kilometer westlich von Kaiserslautern, wo immer noch rund 8.400 US-amerikanische Soldatinnen und Soldaten stationiert sind.

Auch die Rhein-Neckar-Region war wegen ihrer zentralen Lage fast 70 Jahre lang als Stützpunkt der NATO-Streitkräfte sehr gefragt – bis zum Fall des „Eisernen Vorhangs“ gehörten viele Kasernen und Army-Siedlungen zum Stadtbild von Heidelberg, Schwetzingen und Mannheim. In der Folge setzte ein massiver Truppenabzug ein, verbunden mit der Schließung zahlreicher Standorte. Im Stadtgebiet von Mannheim halten die Amerikaner mit den Coleman Barracks nur noch eine von sieben Liegenschaften aufrecht. Vier davon – Franklin, Taylor, Turley und Spinelli – haben die Stadt Mannheim, die Mannheimer Wohn- und Stadtentwicklungsgesellschaft (MWSP) und die städtische Wohnbaugesellschaft (GBG) zwischenzeitlich erworben, um die aufgelassenen Militärbasen in lebenswerte Stadtviertel und Gewerbeflächen umzuwandeln. Insgesamt 293 Hektar Fläche gewinnt Mannheim so zurück. Gerade im Enstehen begriffen ist die Konversion des Spinelli-Areals, posthum benannt nach dem Gefreiten Dominic Vito Spinelli, der kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland beim Versuch, verwundete Kameraden zu retten, gefallen war.

Lagerhallen, Werkstätten, eine Panzerwaschanlage und eine Bahntrasse prägten die Kaserne, in deren Depots von Uniformen bis zum Büromaterial alles gelagert und umgeschlagen wurde, was die US-Armee rund um den Kontinent benötigte, bis mit der Auflösung der Mannheimer Garnison auch dieser Stützpunkt aufgegeben wurde.

Karte mit hervorgehobenen Gebieten: Mannheim-Innenstadt, Spinelli, Turley, Franklin und Taylor mit Straßen und Wasserwegen.
1 Das Spinelli-Areal befindet sich unweit der Mannheimer Innenstadt.

1.000 Ideen für eine Stadt, die sich neu baut

Es war ein kluger und weit gedachter Schachzug der Stadt Mannheim und ihrer Bürger, im Jahr 2013 die Bewerbung für eine zweite Bundesgartenschau einzureichen. Schließlich war die Premiere 1975 sehr erfolgreich verlaufen und hatte mit dem Ausbau des Luisen- und Herzogenriedparks und weiteren Projekten die Stadtentwicklung vorangebracht. Es war indes keineswegs Zufall, dass die Leistungsschau mit der Planung und dem Bau des ersten Bauabschnitts des Spinelli-Quartiers korrelierte. Bereits 2011 sondierte die Stadtverwaltung in einem breit angelegten Beteiligungsprozess, was sich die Bürgergesellschaft für die Zukunft von Spinelli wünscht.

Aus den damals kreierten „1.000 Ideen für eine Stadt, die sich neu baut“ stammt nämlich der Vorschlag, der Mannheimer Stadtentwicklung mit einer weiteren Bundesgartenschau einen verstärkenden Impuls zu versetzen. Auch der Grünzug Nord-ost, welcher der Mannheimer Innenstadt als Frischluftschneise dient, ist eine Idee aus diesem Weißbuchprozess. Die damals erarbeiteten Leitideen und konzeptionellen Ausrichtungen flossen 2014 in einen städtebaulichen Planungswettbewerb: Das Areal Spinelli sollte weitestmöglich entsiegelt und in seinen Grünräumen vom Autoverkehr freigehalten werden sowie einer Bundesgartenschau und städtebaulicher Arrondierung im Norden Raum bieten.

Karte des Spinelli Park-Gebiets mit detaillierten Angaben zu geplanten Entwicklungen und Orientierungspunkten sowie eingezeichneten Straßen und Baustellen.
2 Der erste Bauabschnitt (BA) im Norden des Spinelli-Areals ist nahezu fertiggestellt. Der zweite BA startet 2025. Die GBG plant im Süden neun Gebäude in Holzhybridbauweise, die Kasernengebäude rund um den Spinelli-Platz bleiben erhalten.

Quartiersplatz erfüllt Schwammstadt-Prinzip

Gemäß Rahmenplan knüpft das neue Quartier an die bestehenden Siedlungsstrukturen „Käfertal-Süd“ und „Im Rott“ an und führt sie im städtebaulichen Kontext fort. Spinelli integriert sich wie ein fehlendes Puzzleteil in das Stadtgefüge, ergänzt den Stadtteil mit neuen Kristallisationspunkten und gibt ihm ein neues Zentrum: den Chisinauer Platz. Noch reicht die Nachfrage mangels Bewohner zwar nicht aus, um hier einen Wochenmarkt zu etablieren, aber die Infrastruktur dafür ist vorbereitet. Die 53 neu gepflanzten „Klimabäume“ müssen ebenfalls noch wachsen, bis sich der gewünschte Effekt einstellt. Schatten spenden sie noch lange nicht, und das erhoffte kühlende Mikroklima lässt entsprechend auf sich warten.

Dennoch erfüllt der Chisinauer Platz bereits jetzt die ihm zugedachten Funktionen für den Umwelt- und Überflutungsschutz: Am tiefsten Punkt sammelt sich der Niederschlag auch bei Starkregenereignissen – und kann durch die wassergebundene Decke nach dem Konzept der Schwammstadt versickern. Das spezielle Substrat speichert das kühle Nass, damit es die Bäume und Staudenpflanzen versorgt oder Verdunstungskühle an besonders heißen Tagen an die Umgebung abgibt – wie eine grüne, natürliche Klimaanlage.

Autofreies Quartier der kurzen Wege

Unweit des Quartiersplatzes befindet sich die zentrale Quartiersgarage mit rund 390 Stellplätzen. Sie deckt nach dem geltenden Stellplatzschlüssel von 0,8 den Parkbedarf des ersten Bauabschnitts ab. Dass sich hinter den mit Pflanzen berankten Fassaden eine Hochgarage für die privaten PKW der Bewohner verbirgt, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Das halboffene und barrierefrei zugängliche Systemparkhaus ist weitaus kostengünstiger als eine Tiefgarage und bietet auf seinen versetzten Halbgeschossen mit insgesamt 13 Ebenen überdies Stellplätze für die Gewerbeeinheiten. Und sollte tatsächlich irgendwann der Fall eintreten, dass weniger Autos als geplant einen Stellplatz benötigen, erlaubt die Stahlkonstruktion problemlos eine Nutzungsänderung.

Im Quartier der kurzen Wege mit seinen öffentlichen Freiräumen spielt das Auto schon jetzt keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Das verankerte Mobilitätskonzept bietet zahlreiche Alternativen zum privaten PKW, macht zumindest den Zweitwagen überflüssig und den Zuzug insgesamt zu einer bewussten Entscheidung für ein verändertes Mobilitätsverhalten.

Der ÖPNV ist bereits mit der Aufsiedlung implementiert, eine Buslinie verbindet das Quartier über Anschlussstellen in alle Richtungen. In Zukunft wäre auch ein Straßenbahnanschluss denkbar – der Platz für Schienen und Haltestelle ist bereits vorgesehen. Außerdem bietet die vier Meter breite Trasse des Radschnellwegs 15 zwischen Mannheim, Viernheim, Weinheim und Darmstadt perspektivisch eine direkte Velo-Verbindung zur Mannheimer Innenstadt und den benachbarten Städten. Motorisierte Leihfahrzeuge stellt eine eigene Mobilitätsmanagementgesellschaft zur Verfügung: E-Autos, E-Lastenfahrräder und E-Roller können nach Bedarf entliehen werden, auch Handwagen, beispielsweise für den Weg von der Quartiersgarage nach Hause, stehen bereit.

Luftaufnahmen von Stadtentwicklungsgebieten mit Straßen, Gebäuden und umliegenden Feldern.
3 Das Spinelli-Areal vor und nach der Konversion: Der erste Bauabschnitt des neuen Quartiers arrondiert den Stadtteil Käfertal-Süd (in der Luftaufnahme oben Mitte).

Modellquartier mit fünf Leitmotiven

Auf dem Weg zum Modellquartier Spinelli, das nach Abschluss des zweiten Bauabschnittes auf einer Fläche von rund 80 Hektar neben einem großen grünen Freiraum arrondierendes Wohnen für rund 4.000 Menschen bieten wird, stehen fünf Leitmotive Pate:

  • Das Prinzip der Nachhaltigkeit, das sich als übergeordnetes Konzept aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Themenfeldern zusammensetzt.
  • Das Prinzip der Multicodierung, in dem städtebauliche Elemente eine Doppelfunktion erfüllen, weil beispielsweise der Quartiersplatz mit seinem Stadtwald sowohl attraktiver Treffpunkt ist als auch durch sein kluges Entwässerungskonzept bei Starkregen schützt und zusätzlich das Mikroklima des Quartiers verbessert.
  • Das Prinzip der Ressourcengerechtigkeit betrachtet Aspekte wie die faire Verteilung des endlichen öffentlichen Raums ebenso wie den Einsatz nachhaltiger Energiesysteme und Materialien.
  • Neue Typologien in Städtebau und Architektur ermöglichen mit dem Prinzip des Experimentellen auch innovative Wohnformen für die unterschiedlichsten Lebensentwürfe.
  • Schließlich sorgt das sozial-integrative Prinzip durch die Verbindung von gesellschaftlichen und baulich-räumlichen Ansätzen für ein lebenswertes Wohnquartier mit heterogener Bewohnerstruktur und multifunktionalen Räumen für die gemeinschaftliche Nutzung.
Luftaufnahme eines modernen Wohnviertels mit Grünflächen und einer Stadtlandschaft im Hintergrund.
4 In Richtung Mannheimer Innenstadt steigt die Höhe der Wohnbebauung von Käfertal-Süd aus sukzessive an.

Viele Wohntypologien und ein Fernwärmenetz

Die Gebäude orientieren sich an der sie umgebenden Bestandsbebauung in Käfertal-Süd und wachsen in Richtung Stadtkante an. Vielfältige Wohntypologien sorgen für eine heterogene Bevölkerung: Vom klassischen Geschosswohnungsbau oder Reihenhaus über geförderten Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen bis hin zu gemeinschaftlichen Wohnkonzepten, Studentischem Wohnen oder neuen Clusterwohnformen für das Leben im Alter ist im Quartier alles zu finden. Erstmals wurde die Sozialquote durchgesetzt, wonach 30 Prozent der Wohneinheiten als preisgünstige Mietwohnungen verpflichtend sind.

Für die Investoren gab es die Möglichkeit, sich an das Niedertemperatur-Fernwärmenetz anzuschließen. Dieses wird in Mannheim bis 2035 auf grüne Energiequellen umgestellt. Einige wählten auch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe, ein Projekt arbeitet mit Geothermie. Zusätzlich sind PV-Anlagen bei allen Gebäuden auf 50 Prozent der Dachflächen installiert.

Fenster zum Park

Die unterschiedlich gestalteten Wohnblocks machen mit ihrer verdichteten Bauweise den Kontrast zu den weiten Freiräumen besonders deutlich, der als Konzept fest im Quartier verankert ist. Die Parkschale des BUGA-Geländes, drei grüne Gemeinschaftshöfe allein im ersten Bauabschnitt oder der Chisinauer Platz als neues Zentrum in Käfertal-Süd – sie alle haben die Funktion eines öffentlichen Freiluft-Wohnzimmers mit entsprechender Aufenthaltsqualität.

Holz ist nicht nur im Baukörper, sondern auch auf der Außenhaut wichtig: Viele Fassadenkreationen spielen mit Holz, als Schindel oder Lamellenbekleidung setzt der natürliche Baustoff besondere Akzente. In nichts zurück stehen die verputzten und verklinkerten Gebäudehüllen; auch sie tragen zur sogenannten Adressbildung und zur Identifikation bei.

Für nachhaltige Stadt­entwicklung wichtig ist der Geschosswohnungsbau, der auf versiegelten Flächen im Vergleich zum klassischen Einfamilienhaus ein Vielfaches an Wohnraum bietet. Dieses flächensparende Bauen bietet dennoch hohe Lebensqualität, insbesondere auf der Parkpromenade, wo weder Haus noch Wald den Blick auf den Grünzug verstellen.

Das BUGA-Gelände öffnet sich seit Ende 2023 als Park- und Naherholungsfläche für alle BürgerInnen der Stadt. Im Süden baut die GBG Unternehmensgruppe das Wohnquartier am BUGA-Park. Das Spinelli Quartier selbst wird in mehreren Bauabschnitten weiter entwickelt – ab 2025 startet das Baufeld der BGB am Rande Mannheim-Feudenheims. Auch dort wird nachhaltiger Städtebau mit Freiräumen und Gebäuden in Holzhybridbauweise konsequent umgesetzt. Auf dem gesamten Gelände werden einmal rund 2.000 Wohneinheiten zu beziehen sein – mit dem größten „Vorgarten“, den Mannheim zu bieten hat.

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