So lässt sich Smart Home als Geschäftsmodell nutzen
Das Smart Home wird immer beliebter und immer mehr Kunden möchten zuhause smarte Geräte in den Alltag integriert bekommen. Das stellt so einige Fachbetriebe vor Herausforderungen. Wir haben mit dem Handwerksunternehmer Frank Selg aus Meersburg am Bodensee über sein Geschäftsmodell mit dem Smart Home gesprochen.
Herr Selg, wann und wie reifte in Ihnen der Entschluss, Ihr Geschäftsfeld um Smart Home zu erweitern?
Frank Selg: Das hat ungefähr vor fünf Jahren angefangen. Ich hatte mich mit der Steuerung von Fußbodenheizungen aus der Ferne beschäftigt. Viele Häuser von Baujahr 1970 an bis in die 1990er hinein verfügen zwar über eine Fußbodenheizung, aber über keine umfassende Steuerung. Es gab von verschiedenen Herstellern nur sogenannte Insellösungen, mit denen man per Funk die Fußbodenheizung ansteuern konnte. Das wurde seit Jahren von uns verbaut, aber es bot eben nur beschränkte Möglichkeiten an Einstellungen. Das war mir zu wenig. Hinzu kam noch, dass manche Kunden Heizkörper und eine Fußbodenheizung haben. Sie möchten nach Möglichkeit beides regeln können, am besten mit dem Smartphone als Bediengerät. Da bin ich dann letztlich auf WiButler gestoßen. In der Kombination mit Heizungslösungen ist das System eine gute Ergänzung im Angebot. Außerdem ist es so flexibel, dass wir es auf die Gegebenheiten beim Kunden individuell anpassen können.
Aber das ist doch sicher mit Mehrkosten verbunden?
Selg: Wenn der Kunde sich für diese Lösung entscheidet, zahlt er gut 600 Euro zusätzlich für das Basisgerät. Er erhält aber die Möglichkeit, seine Regelung auf beliebige Anwendungsszenarien zu erweitern. Ob Fußbodenheizung, Heizkörper oder auch Fensterkontakte, die ja im Zusammenspiel durchaus Sinn ergeben, das System lässt über sogenannte Anwendungsregeln die unterschiedlichsten Verknüpfungen zu.
Haben Sie ein Beispiel für uns?
Selg: Fenster auf, Heizkörper aus – ganz automatisch. Das sind diese Verknüpfungen, die ich zusätzlich anbieten kann, wenn ich eine Erweiterbarkeit im System habe. Das bietet mir WiButler. Damit kann ich meine Kunden überzeugen.
Wie kommunizieren die verschiedenen Geräte miteinander?
Selg: Das geschieht über die EnOcean-Technik. Der Unterschied zu WLAN-basierten Steuerungen ist dabei, dass bei der Funktechnik kein ständiger Datenaustausch stattfindet. EnOcean-Module sind so ausgelegt, dass sie eben nur dann ein Funksignal von sich geben, wenn sich am Zustand etwas ändert – also „Fenster auf“. Deshalb ist die Funkwellenbelastung im Gebäude deutlich geringer als bei ständig hin und her funkenden WLAN-Modulen. Diese Signalgeber werden auch nicht an den Stromkreis im Gebäude angeschlossen oder von Batterien versorgt. Sie erzeugen nur über einen Piezo-Kontakt – ähnlich wie bei einem Feuerzeug – genug Strom, um das Signal auszulösen.
Ist diese persönliche Überzeugung von dem Produkt der erste Schritt, um Smart Home-Technologie gut verkaufen zu können?
Selg: Mit Sicherheit. Nur neue Produkte und Anwendungen, die mich überzeugen, die will ich meinen Kunden empfehlen und verkaufen. Viele Anbieter von Smart Home-Technik kommen ja über die Fußbodenheizung oder über Heizkörperthermostate. Die sind zum Teil aber schon ein wenig eingeschränkt, Endkunden wollen doch ein System für alles. Eines, das auch flexibel auf sich verändernde Anforderungen im Gebäude reagieren kann und erweiterbar ist. Wird mal ein Zimmer anders genutzt, weil zum Beispiel die Kinder ausziehen und der Raum als Büro dienen soll, dann stelle ich das Programm eben um und es läuft unter veränderten Bedingungen angepasst weiter.
Was ist denn Ihr Hauptargument im Beratungsgespräch?
Selg: Die Kunden wollen in erster Linie, dass bedarfsgerechtes Heizen möglich wird. Der Kessel arbeitet dann nicht nur nach Außentemperatur. Auch andere Faktoren im Gebäude werden vom Smart Home-System mittels Aktoren erfasst und miteinbezogen. Da nun die verschiedenen Aktoren miteinander kommunizieren, muss die Heizung auch nicht unnötig lange laufen. Dadurch erhöhen wir stark die Effizienz der Anlage. Ein Beispiel: Der Heizkörperthermostat hat eine Soll-Temperatur von 24 °C. Die Ist-Temperatur liegt bei 23 °C. Die Hubstellung ist 20 % auf. Der WiButler befiehlt dann: Heizkörper 100 % auf, dafür nimmt er die Vorlauftemperatur runter. Ich sage dazu immer: Warum unter Vollgas fahren, wenn ich oben die Handbremse ziehe? Dadurch, dass wir den Kessel drosseln, haben wir eine gute Einsparung erzielt.
Lassen sich Kunden mit generellen Argumenten wie Komfort und Energieeffizienz von den Mehrkosten überzeugen?
Selg: Der Kunde, der sich ohnehin schon Gedanken darüber gemacht hat, wie er seine Fußbodenheizung steuern kann, damit sie nicht trotz Sonnenschein munter weiter heizt und er am Ende zur Temperaturregulierung noch ein Fenster aufmachen muss, der wird bei dem Thema schon hellhörig. Den habe ich relativ schnell mit im Boot. Dann ist nur noch die Frage, ob er bereit ist, für so ein System aus Profi-Hand Geld auszugeben. Manche wollen es dann selber versuchen zu lösen und kaufen sich ein System aus dem Internet. Ich sage dann immer: Bei den meisten günstigeren Lösungen gibt es das Problem, dass alles vom Kessel aus gesteuert wird. Nicht jede Heizung hat dafür die nötigen Anschlüsse. Bei kleineren Systemen geht das vielleicht noch, aber bei einer komplexen Anlage wird das ohne zentrale Steuereinheit – wie den WiButler – schon schwierig.
Es geht aber nicht nur um die Steuerung der Fußbodenheizung oder der Heizkörper in Verbindung mit dem Kessel. Welche Klientel interessiert sich noch für Smart Home-Angebote?
Selg: Das spricht unter anderem die Ferienwohnungsbesitzer am Bodensee an. Die möchten aus der Ferne auf das System in ihrem Haus zugreifen können. Dafür ist unser Konzept prädestiniert. Durch die Fensterkontakte und die Raumthermostate hat der Eigentümer schnell einen Überblick, in welchem Zustand sich das Haus gerade befindet. Man kann natürlich auch rechtzeitig die Wohnung beheizen, wenn man denn zum Beispiel bald die Anreise dorthin plant. Oder nachträglich das Wasser abstellen, sollte man das bei der Abreise vergessen haben. Diesen Komfort wissen die Kunden zu schätzen – vorausgesetzt, es wurde alles entsprechend geplant und installiert. Die Do-it-yourself-Möchtegernhandwerker haben da schon so ihre Probleme.
Es ist also nicht allein der Wunsch, die Heizung vernünftig zu regeln.
Selg: Genau. Der Einstieg in das Thema Smart Home geschieht zu 80 % über die Heizung. Darüber hinaus wecken auch Angebote an Sprachassistenten à la Alexa und Co. das Interesse. Aber hier muss man aufpassen. Diese Anwendungen rücken das eigentliche Konzept, das hinter einem smarten Home steht, in ein Licht, das viele als Spielerei abtun.
Also soll es auch in der Wahrnehmung eher in Richtung Hausautomation laufen?
Selg: Richtig. Die Bereich, die wir abdecken, das sind ja Heizung, Beleuchtung, Einbruchschutz und so weiter. Für mich bedeutet Smart Home nicht, dass der Endkunde jeden Tag noch zu Hause mit seinem Tablet oder seinem Handy alles aktiv steuern muss. Sondern, dass alles, soweit möglich, passiv automatisch läuft. Die Aktoren kommunizieren miteinander, Effizienz und Komfort werden gesteigert. Die Anwendung muss sich dem Kunden und seinem Verhalten anpassen, nicht umgekehrt.
Wie hoch ist denn der Programmieraufwand in der Planung und in der Installation?
Selg: Das ist ganz unterschiedlich, im Idealfall läuft es normalerweise nebenher. Wenn ich ein Einfamilienhaus ausrüste mit Heizköpersteuerung, dann bekommt jeder Heizkörper sein Raumthermostat. Dann sind wir ungefähr im Bereich von einem halben Tag für die Programmierung. Bei großen Objekten kann das länger dauern. Wir hatten da ein Projekt, da steckten mehr als 180 Stunden drin – ohne den Installationsaufwand der Aktoren. Die haben wir von einem Elektriker einbauen lassen. Unsere Zeit ging rein für die Programmierung, Umverdrahtung, Änderungen und das Entwerfen der Anwendungsregeln. Da steht man auch mal als Heizungsbauer mit dem Tablet für längere Zeit auf der Baustelle. Aber eben nicht umsonst, der Kunde ist von meinem Angebot überzeugt und zahlt die Mehrleistung gerne.
Wie wird das abgerechnet?
Selg: Die meisten Anwendungsregeln benötigen einen Sensor und einen Aktor, die ich miteinander verknüpfe. Ich erhebe für jede erstellte Regel eine Pauschale. WiButler zeigt mir an, wie viele Regeln bereits erstellt wurden. Ich nehme die Anzahl mal Summe X. Ob ich jetzt einen Rollladen-Aktor mit der Wetterstation verbinde oder einen Heizkörper-Aktor mit der Kesselanlage, das ist in etwa immer der gleiche Aufwand.
Was braucht ein typischer Anlagenmechaniker für Fähigkeiten, um das zu vertreiben und zu installieren?
Selg: Grundsätzlich natürlich das ganz normale Wissen im Heizungs- und Klimabereich. Selbstverständlich braucht man eine gewisse Affinität für Handys und Tablets, da man mit ihnen arbeiten muss. In den Bereichen, in denen man Smart Home als Geschäftsmodell aufbauen möchte, muss man Wissen um Produkte und Anwendungen zusätzlich aufbauen. Aber: Je größer und komplexer die Anlagen sind, desto mehr sollte man auch ein gut strukturiertes und räumliches Denken haben, um Aktoren richtig zuzuordnen und zu bezeichnen.
Sie bieten Ihren Kunden Lösungen für ganze Anwendungsszenarien an. Was ist damit gemeint?
Selg: Hinter den Szenarien verbergen sich Lösungen zu Feuer-, Brand- oder Einbruchschutz. Damit ist gemeint, dass ich verschiedene Sensoren und Aktoren so programmiere, dass in einem Schadensfall das Haus selbstständig intelligent reagiert. Verbaut man beispielsweise einen Wassersensor unter den Küchenboden, wird er bei einem Wasserschaden aktiv und sperrt die Zuleitung ab. Damit wäre dann das Schadensausmaß eingegrenzt und man hat statt 5 m³ eben nur 5 l Wasser in der Küche stehen. Ein anderes Szenario ist der Brandfall. Wenn der Rauchmelder auslöst, fahren zum Beispiel alle Rollläden hoch und die Lichter im Gebäude gehen an. Das hat den Vorteil, sollte so ein Brand z. B. nachts geschehen, dann muss man nicht noch irgendwelche Tasten drücken, sondern das Haus ist für die Flucht vorbereitet und die Rettungswege sind beleuchtet. Bei einem Einbruch ist es ähnlich. Hier sind die Fensterkontakte zum Beispiel mit einer Alarmanlage verbunden. Der Kunde wird in diesem Fall auch direkt auf seinem Smartphone darüber informiert. Diese Szenarien sind alle von uns als Fachbetrieb programmierbar und bieten dem Kunden zusätzliche Sicherheit.
Wie viel Prozent Ihrer Kunden greifen denn auf Ihre Smart Home-Angebote zurück?
Selg: Da sind wir bei mittlerweile etwa 10 %. Das ist schon ziemlich gut, aber da ist noch reichlich Luft nach oben.
Herr Selg, vielen Dank für die interessanten Einblicke.
Erstinformationen zum Smart Home
Das Internet ist die wichtigste (Erst-)Informationsquelle rund um Smart Home-Systeme. Aufgrund der Vielzahl von vor allem herstellerspezifischen Webseiten ist es schwierig, über die Google-Suche allgemeinere Infoseiten herauszufiltern. Die folgenden Seiten können beim System- und Produktüberblick helfen und bieten z. T. auch Hinweise zu Anbietern und anderen Marktakteuren:
www.connected-living.org : Connected Living ist ein branchenübergreifendes Partnernetzwerk (mit mehr als 65 Mitgliedern) im Bereich Smart Home und vernetztes Leben.
www.das-intelligente-haus.de : journalistisches Infoangebot der Endkundenzeitschrift „Das intelligente Haus“ rund ums Smart Home mit umfangreichen Musterhaus-, System- und Expertendatenbanken.
www.digitalzimmer.de : Smart Home-Blog von (Fach-)Journalisten, das auch viele selbst durchgeführte Tests umfasst.
www.homeandsmart.de : herstellerunabhängiges Verbraucherportal für die Themen Smart Home und Internet of Things (IoT) in Deutschland.
www.smarthome-deutschland.de : Die SmartHome Initiative Deutschland e. V. ist ein Gewerke-übergreifender interdisziplinärer Bundesverband.