Gestiegene Baukosten und Verunsicherung in der Baubranche: Bericht vom Allgäuer Baufachkongress 2024
Seit mehr als 30 Jahren findet im zweijährigen Rhythmus der Allgäuer Baufachkongress in Oberstdorf mit weit über 1000 Teilnehmern statt. Veranstalterin ist die Baumit GmbH, die ab 1. Februar 2024 einen Wechsel an der Spitze des Familienunternehmens zu vermelden hat: Peter Sarantis und Heiko Werf übergeben Ihre Aufgaben und Positionen an Helmut Batscheider (bisher Geschäftsbereichsleiter Vertrieb) und Robert Fritzsche (bisher Geschäftsbereichsleiter Finanzen).
Pünktlich zum Allgäuer Baufachkongress zeigte sich Frau Holle mal wieder gnädig und überzuckerte den Skisport-Ort mit seiner berühmten Sprungschanze mit ein paar Zentimetern Schnee (Abb. 1). Man merkt auch hier den Klimawandel, denn über die Kongresstage vergangener Jahre lag schon deutlich mehr weiße Pracht auf Wiesen, Straßen, Dächern und Bäumen. Was aber all die Jahre stetig auf hohem Niveau blieb, war das Kongressprogramm, das auch im Winter 2024 rund 1.250 Fachhandwerker, Architekten, Wissenschaftler und Vertreter aus dem Fachhandel sowie der Wohnungswirtschaft aus ganz Deutschland nach Oberstdorf zog. Die Themen waren wie jedesmal gut gewählt und dem aktuellen Diskurs gewidmet: Neben den akuellen Entwicklungen der Baukonjunktur standen neue Wohnkonzepte, Digitalisierung, BIM, Recht, Produkt- und Praxisreferate auf dem Programm, und daneben zollten zahlreiche „weiche“ Themen der Mitarbeitergewinnung, Unternehmensführung und Motivation. Zweieinhalb Tage prall gespicktes Fachprogramm mit rund 50 Vortragenden wurde den Teilnehmenden geboten.
Stabübergabe bei der Baumit-Geschäftsführung ab 1.2.2024
Der Tagungseröffnung folgte dann auch geich ein ganz besonderer Knaller: Heiko Werf gab die offizielle Übergabe der Geschäftsführung ab 1.2.2024 bekannt (Abb. 2). Die zwei bekannten Gesichter Peter Sarantis und Heiko Werf übergeben Ihre Aufgaben und Positionen an Helmut Batscheider (bisher Geschäftsbereichsleiter Vertrieb) und Robert Fritzsche (bisher Geschäftsbereichsleiter Finanzen) – beide neue Führungsköpfe hat das familiär geprägte Mittelstandsunternehmen aus den eigenen Reihen gefördert und rekrutiert.
So finden sich zwei neue Kapitäne am Ruderrad, die ihr Schiff seit Jahren bestens kennen und sich über ihre ersten gemeinsamen Ziele einig sind:
- Ein möglichst gutes Aufstellen des Unternehmens für den wachsenden Sanierungsmarkt,
- Marktanteile im Neubau sichern und
- die Marktposition durch Synergien mit den neu zugekauften Unternehmen Sakret und Diessner weiter auszubauen.
Der Kongress: Zukunftstag, Baupraxistag und Unternehmertag
Im Anschluss startete der Kongress (Abb. 3) mit dem Zukunftstag, wie immer mit einem Thema, welches keinen direkten Bezug zum Bau hat. Frank M. Salzgeber, ehemaliger Leiter Innovation der ESA, nahm die Teilnehmer mit auf einen Trip ins Weltall, getreu dem Motto: „We need more Space!“ Spannende Einblicke in die Raumfahrt wechselten mit Erkenntnissen in Bezug auf den persönlichen Lebenserfolg und weiteten den Horizont der gebannt lauschenden Teilnehmer. Anschließend sprach Prof. Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung in Berlin, über Chancen und Risiken für die Bauwirtschaft in der nahen Zukunft. Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer mit den aktuellen Entwicklungen der Baukonjunktur beschäftigen, beleuchtet aus allen Blickwinkeln. Zu Gast waren die Vertreter aller relevanten Verbände.
Der Wetterexperte Karsten Schwanke eröffnete vor vollen Rängen den Baupraxistag am Donnerstag, der sich mit den Schwerpunkten Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft beschäftigte. Der Spannungsbogen blieb bis zum letzten Kongresspunkt am Freitagnachmittag gestrafft – kaum ein Teilnehmer wollte das Gespräch mit Norbert Haug, ehemaliger Mercedes-Benz Motosport-Chef, verpassen, nur um eine Stunde früher ins Wochenende zu kommen. Was sich gelohnt hat, denn sein Vergleich zwischen Formel 1 und der Baubranche war so erhellend wie unterhaltsam.
Parallel dazu konnten sich die Teilnehmer aus zahlreichen weiteren Fachvorträgen ihr persönliches Kongressprogramm zusammenstellen. Auf erweiterten Ausstellungsflächen erwartete die Besucher Partner-Angebote und individuelle Beratung der 16 Aussteller.
Geschäftsentwicklung 2023 und Aussicht ins aktuelle Jahr
Was den eigenen Geschäftsverlauf angeht, bewertet Baumit das vergangene Jahr 2023 als verhalten, hat aber für die Zukunft die Weichen entsprechend gestellt. Geschäftsführer Heiko Werf verweist in dem Zusammenhang auf die Rückgänge der erteilten Baugenehmigungen (-28%) und Fertigstellungen (-11%) im Wohnbau und sieht insbesondere den Gesamtmarkt der Wärmedämmung auf einem historischen Tief. „Es herrscht eine grundlegende Verunsicherung im Markt, die sich auch am steigenden Anteil von Bauunternehmen ablesen lässt, die über Stornierungen berichten. Wir sehen einen Einbruch um fast 30% in den Neubau-Genehmigungen – und was nicht genehmigt wurde, wird im Jahr 2024 nicht gebaut.“, so Werf. Hohen Kostendruck spüre das Unternehmen auch bei Logistik, Rohstoffen und Personal.
Umsatzrückgang geringer als befürchtet
Im aktuell schwierigen Markt konnte Baumit seine Marktposition stabil halten, musste jedoch einen Umsatzrückgang von ca. 8,8 % auf 273 Mio Euro hinnehmen. Positiv dabei sei das breite Produktportfolio, so Peter Sarantis, Geschäftsführer der Baumit. Mit Produkten für Neubau und Sanierung sei man in beiden Bereichen beheimatet und profitiere vom anziehenden Sanierungsmarkt. Diesen Weg will das Unternehmen konsequent weitergehen. Mit der Integration der Sakret GmbH sowie von Diessner werden bereits seit zwei Jahren gemeinsame Strukturen und damit Synergien vorbereitet, die nun zur rechten Zeit realisiert werden können.
So wechselten bereits Ende 2023 die Produktbereiche Mauerwerk, Wärmedämmung, Putze, Farben und Garten-/Landschaftsbau zu Baumit, während sich die Sakret GmbH ganz auf ihre größten Kompetenzfelder im Bereich Fliesen- und Bodentechnik sowie Betoninstandsetzung und technische Mörtel konzentriert. „Die stark gestiegenen Baukosten sorgen zudem für Zuwächse im Bereich DIY, da Bauherren überlegen, durch Eigenarbeiten Kosten einzusparen“, ist sich Sarantis sicher.
Kritischer Ausblick ins Jahr 2024
Baumit rechnet für 2024 mit einer Stabilisierung der Baugenehmigungen auf einem zu geringen Level von 225.000, während die Fertigstellungen aufgrund mangelnder Genehmigungen aus dem Vorjahr bei nur 180.000 Wohneinheiten liegen. In der Differenz zu der in der Politik diskutierten und benötigten Zahl 400.000 sieht die Geschäftsführung von Baumit ein großes Risiko für den sozialen Frieden in Deutschland, welches ein schnelles Handeln erfordere. Das Unternehmen ist weiter auf Expansionskurs und hat bewusst den Weg gewählt, durch die Zusammenlegung von Produktbereichen und Vertriebsteams präsent im Markt zu sein. Die Mitarbeiterzahl steigt daher bei Baumit von etwa 580 auf 620 an.
Neben geplanten Investitionen in die Modernisierung von verschiedenen Werksstandorten ist in der Investitionssumme von 8 Mio. Euro der Bereich Grubengas hervorzuheben. Baumit nutzt im Zuge der Bestrebungen nach mehr Nachhaltigkeit künftig im Werk in Oer-Erkenschwick nicht nur Photovoltaik, sondern auch eine Anlage zur Verwertung von Abwärme. Diese entsteht auf dem Werksgelände durch Blockheizkraftwerke, welche Grubengas aus ehemaligen Minenschächten nutzen. So recycelt Baumit diese Ressource noch ein weiteres Mal.
Zur Autorin
Claudia Siegele, geb. 1963 in Stettfeld (Baden), studierte nach einer Schreinerlehre an der FH Karlruhe Architektur. Von 1994 bis 2004 Redakteurin bei der db deutsche bauzeitung, seit 2000 eigenes Architekturbüro in Ubstadt-Weiher. 2004 Gründung des Redaktionsbüros frei04 publizistik mit Dr. Ursula Baus und Christian Holl in Stuttgart. Fach- und Buchautorin für Architektur, Bautechnik, Nachhaltigkeit und energieeffizientes Bauen, seit 2005 freie Mitarbeitin bei verschiedenen Fachzeitschriften, u. a. Greenbuilding, Gebäudeenergieberater (GEB) und haustec.de. Kontakt: info@bau-satz.de