Wohngesund bauen mit Kalk- und Lehmputzen
Naturbaustoffe beim Hausbau liegen voll im Trend – hierzulande legen immer mehr Menschen großen Wert auf schadstoffarme Bauprodukte und -systeme für eine optimale Wohngesundheit. Die Diskussionen um flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Schimmelrisiken zeigen Wirkung: Umweltzeichen wie der Blaue Engel und andere Siegel beeinflussen zunehmend die Kaufentscheidungen, und bei den Bauprodukten spielt ihre Wirkung auf das Raumklima eine immer wichtigere Rolle. Wohngesund bauen ist also in – aber welche Baustoffe kommen dafür in Frage?
Natürliche Baustoffe für eine optimale Wohngesundheit
Wohngesund Bauen mit Holz ist wegen des ressourcen- und klimaschonenden Images wieder en vogue. Das zunehmende Bewusstsein um das wohngesunde Bauen holt zudem Baustoffe wie Kalk- und Lehmputze aus ihrem Öko-Nischendasein zurück ins Wohnzimmer konservativer Häuslebauer bzw. in den Showroom der Baustoffhändler.
Geschuldet ist dieser Trend der Wohngesundheit zum Teil aber auch der luftdichten Bauweise in Kombination mit der Skepsis gegenüber mechanischen Lüftungsanlagen: Weil es am nötigen Luftwechsel fehlt, steigen Feuchte- und Schadstoffwerte im Haus und in den Wohnungen mangels ausreichender Fensterlüftung spürbar bis bedenklich an. Gesund wohnen geht anders.
Zudem treffen die Werbeslogans der Bauindustrie voll den Nerv der Zeit: „... denn es sind doch wohl die inneren Werte, die zählen!“ Also – statt PVC am Boden lieber den Bio-Naturkalk an der Wand, belebende Luftionen steigern das Wohlbefinden, und was ist gesünder als ein Lehmklima in den eigenen vier Wänden?
Kalk als Baustoff für die Ewigkeit
Doch was ist dran an den Versprechungen der Hersteller? Inwieweit vermögen Kalk- und Lehmputze tatsächlich, beim wohngesund Bauen das Raumklima zu verbessern, Schadstoffe zu absorbieren und die Raumluftfeuchte im optimalen Bereich zu balancieren? Inwiefern tragen sie zur Wohngesundheit beim Bauen bei?
Kalk und Lehm gehören mit zu den ältesten Baustoffen und haben über Jahrhunderte in den erhaltenen Baudenkmälern und Fachwerkbauten ihre Qualitäten und Haltbarkeit beim Bauen unter Beweis gestellt. Gelöschter Kalk, mit Reissuppe (!) versetzt, bindet bis heute die Steine der Chinesischen Mauer. In der Stadt Shinam im Jemen trotzen seit 500 Jahren bis zu 25 Meter hohe Lehmziegelhäuser dem dortigen Klima. Eine gewisse Dauerhaftigkeit kann man diesen beiden traditionellen Naturbaustoffen also schon mal nicht absprechen.
Kalk- und Lehmputze: Vorteile für das Haus
Tatsächlich weisen sowohl Kalk- als auch Lehmputze einige positive Eigenschaften für die Wohngesundheit auf, die das Raumklima befördern und klassische Gips- oder Zementputze in der Effektivität nicht vorweisen können.
Vorteile Kalk:
- Für Kalk spricht, dass er hoch alkalisch und wegen seiner wohngesunden Anti-Schimmel-Wirkung auch für Feuchträume wie Bad oder Keller geeignet ist.
- Kalkputze befördern die Raumhygiene im Haus, weil sie durch den hohen PH-Wert antibakteriell wirken. Schimmel findet hier selbst bei kritischen Oberflächentemperaturen ohne jegliche chemischen Zusätze keinen Nährboden.
- Die Kapillarität des Putzes verteilt zudem die Oberflächenfeuchte effektiv in die Tiefe des Wandquerschnitts, was den Schimmelsporen das Wachstum erschwert.
- Im Gegensatz zu einem kalkhaltigen Anstrich bleibt das alkalische Milieu bei einem Kalkputz über einen längeren Zeitraum gesichert.
- Ihre Diffusionsoffenheit prädestiniert Kalkputze, Feuchte aufzunehmen und wieder an den Raum abzugeben – anders als bei konventionellen Putzen beschlägt hier nach dem Duschen oder Baden kaum ein Spiegel im Bad.
Ein weiterer Vorteil von Kalkputz ist die Vielseitigkeit beim wohngesund Bauen: Je nach Rezeptur und Beimischungen wie zum Beispiel hochwertigem Marmorsand lassen sich vielseitige Oberflächen und Strukturen beim Hausbau umsetzen. Ob rau oder glatt, matt oder glänzend, gewachst, geseift oder mit Metallwachs veredelt bis hin zur Betonoptik ist alles möglich.
Auch in der Sanierung zeigt sich ein Kalkputz als außerordentlich gutmütig in Verarbeitung und Veredelung, solange sich der Untergrund fest, saugend, schmutz- und trennschichtfrei zeigt. Will heißen: Tapeten sind vor dem Putzauftrag restlos abzulösen.
Woraus Kalkputz besteht: Erst gebrannt, dann gelöscht
Doch woraus besteht ein Kalkputz eigentlich und wie wird er für den Hausbau hergestellt? Sein Ausgangsprodukt sind Kalksteine, die Calciumkarbonat (CaCO₃) enthalten. Das gebrochene Kalkgestein wird dann in Schachtöfen mit Kohle oder Erdgas bei Temperaturen um 900 bis 1100 °C zu Stückkalk (Branntkalk) gebrannt. Je nach Zusammensetzung des Rohgesteins können sich verschiedene Kalk-Bindemittel ergeben.
Der Branntkalk wird dann durch Trockenlöschen mit Wasserdampf zu pulverigem Kalkhydrat oder durch Nasslöschen mit Wasser zu breiigem Sumpfkalk gelöscht. In beiden Fällen ergibt sich chemisch gesehen Kalciumhydroxid (Ca(OH)₂), das über die Karbonatisierung erhärtet. Ein mergeliger Kalk enthält mehr Quarz- und Tonanteile. Durch das Erhärten an der Luft bzw. durch die Aufnahme von Kohlendioxid (CO₂) und das Austrocknen (Abgabe von H₂O) entsteht am Ende an der verputzten Wand wieder der Ausgangsstoff CaCO₃ – das ist der sogenannte Kalkkreislauf.
Kalk und Lehm – die ideale Kombi?
Kalk als wiederentdeckter alter Baustoff muss – wenn er „rein“ verwendet werden soll – auch nach den „alten“ Regeln und mit Zeit und Geduld hergestellt und verarbeitet werden. Ein Kalkputz erreicht seine Festigkeit nur langsam durch den ständigen Austausch von Wasser und Kohlendioxid mit der Umgebungsluft. Selbst mit hydraulischen Zusätzen benötigt ein Kalkputz Feuchtigkeit und Zeit, um aushärten zu können.
Kalkputze bestehen also im Grunde aus Sand und Kalk, Lehmputze hingegen aus Sand, Lehm und Ton. Demzufolge ist ein Lehmputz immer weicher als ein Kalkputz. Kombiniert man diese beiden Putzarten, folgt beim Auftrag immer Lehm auf Kalk (weich auf hart).
Solcherart absolut diffusionsoffene Oberflächen, bei denen ein Kalkputz mit Lehm überarbeitet wurde, trifft man in Fachwerkhäusern immer wieder an. Dabei muss man wissen, dass sich Kalk- und Lehmputze chemisch nicht miteinander verbinden, sondern nur mechanisch an- bzw. aufeinander haften. Damit sich ein Lehmoberputz also mit einem Kalkunterputz verkrallen kann, muss man die Putzoberfläche mit einem Kratz- oder Nagelbrett aufrauen.
Bei einer Ausfachung oder einer Wand aus Lehmsteinen, die entgegen der „Weich-auf-Hart-Regel“ einen Kalkputz erhält, genügt es in der Regel, die Steinfugen etwas auszukratzen und die Oberflächen vorzunässen, um eine gute Haftung zu erzielen. Wichtig ist bei so einer Kombination, den Kalkputz möglichst sorgfältig, dicht und ohne Fehlstellen aufzutragen, damit keine Feuchte in den Lehm eindringen kann. Dieser würde dann nämlich aufquellen, Risse im Kalkputz verursachen, und letztlich wären Abplatzungen die Folge.
Vorsicht bei der Farbauswahl
So vielfältig beim Hausbau die Rezepturen mit den verschiedenen Bindemittelkombinationen, Zuschlägen und Zusätzen bei Kalkputzen sind – neben dem Zement als Klassiker können dies auch Öl, Kunstharz, Hüttensand, Marmor, Ton bis hin zu Zellulose und chemischen Bindemitteln sein – so eindeutig lautet die Antwort auf die Frage nach dem geeigneten Anstrich: ausschließlich Kalkfarben oder Kalk-Kasein-Farben!
Wasserabweisende Silikatfarben oder gar kunstharzbasierte Farben würden die erwünschte Feuchtigkeitsregulierung des Kalkputzes zunichtemachen. Und damit auch die Vorteile für die Wohngesundheit. Selbst diffusionsoffene Farben sind problematisch, denn sie lassen womöglich zu viel Feuchte oder Kondenswasser eindringen, was zu Rissen im Kalkputz führen kann.
Ein falscher Farbanstrich genügt und man hat seinen schönen Kalkputz beim Bauen komplett ruiniert, weil die Farben bzw. der komplette Putz abplatzen oder die Wand nie richtig trocknet. In der Regel kann man sich diesbezüglich auf die Verarbeitungshinweise der Hersteller verlassen – jedoch ist es nie verkehrt, als Laie einen erfahrenen Fachhandwerker um seine Einschätzung zu fragen.
Wohngesund Bauen: Auf Qualität achten
Abschließend noch ein wichtiger Hinweis: Fast immer werden Kalkputze als besonders ökologisch und wohngesund verkauft. Doch die qualitativen Unterschiede sind eklatant – es gibt Produkte, deren Kalkanteil weniger als vier Prozent beträgt. Ist die Zusammensetzung nicht exakt angegeben, sollte man vorsichtig sein und nachfragen, um auch tatsächlich wohngesund zu bauen. Künstliche und organische Zuschlagstoffe vereinfachen zwar die Verarbeitung, beeinträchtigen aber die wohngesunde Wirkung. Und ein reduzierter Kalkgehalt mindert natürlich auch die Raumklimawirkung.
Wohlfühlwände mit Kalkputzen bauen
Sowohl die inzwischen zwar etwas in die Jahre gekommene Broschüre des Verbands für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. als auch die Webseiten der Putzhersteller verweisen auf die zahlreichen Vorteile mineralischer Innenputze mit dem Bindemittel Kalk und Zuschlägen wie Marmor, Quarz und Sand. Fast jeder Putzhersteller hat Kalkputze im Programm oder sich sogar darauf spezialisiert. Hier eine kleine Auswahl:
Putzhersteller mit Kalkputzen im Angebot
- Aerodurit (www.aerodurit.com)
- Baumit (www.baumit.de)
- Dracholin (www.dracholin.de)
- Haga (www.haganatur.de)
- Hasit (www.hasit.de)
- Keimfarben (www.keim.com)
- Knauf (www.knauf.de)
- Maxit (www.maxit.de)
- Saint-Gobain Weber (www.de.weber)
- Sakret (www.sakret.de)
- Sievert SE mit den Marken Akurit und Tubag (www.sievert.de)
- Sto (www.sto.de)
- Villerit (www.villerit.de)
Dieser Beitrag von Claudia Siegele ist zuerst erschienen in GEB 04/2021.