Neuartiges Vogelschutzglas mit maximaler Transparenz
Ein hochwirksamer Vogelschutz ganz ohne Veränderung der visuellen Eigenschaften von Glas ist nach dem heutigen Stand der Technik noch nicht möglich. Effektiven Schutz erzielen beispielsweise Punktraster mit neun bis zwölf Millimeter Durchmesser - im Abstand von 90 bis 100 Millimetern - bestehend aus metallischen Beschichtungen, die helle und lichtstarke Reflexionen auf weniger stark reflektierendem Glas hervorrufen und starke Kontraste in optimalen Spektralbereichen der Vögel erzeugen.
Mit einem Punktraster arbeiten auch die Forschenden des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Diese haben Vogelschutzglas entwickelt, das im Flugtunneltest nur vier Prozent der Vögel anflogen.
Das Besondere: Die im PVD-Verfahren (Physical Vapour Deposition) gesputterte Beschichtung verfügt in der Durchsicht von innen über eine außergewöhnlich hohe Transparenz. Sie transmittiert etwa 70 Prozent des sichtbaren Tageslichts und verursacht darum kaum noch Schattenwurf. Thomas Kroyer, Head of Group Coating Technology and Systems beim Fraunhofer ISE, sieht in der Neuentwicklung seines Instituts vor allem einen wichtigen Schritt in Richtung der Auflösung des Konfliktes zwischen einem für Vögel gut sichtbaren Punktrasters und der visuellen Qualität in der Durchsicht vom Innenraum: "Wir haben unseren schon seit 2019 patentierten Ansatz in einigen Jahren Forschung immer weiter entwickelt - mit dem Ziel, dass das Vogelschutzglas von innen maximal unscheinbar wird, von außen aber maximal für Vögel sichtbar wird. Nun arbeiten wir intensiv daran, es in die Umsetzung zu bringen. Noch laufen jedoch zahlreiche Tests."
Lange Wartezeiten bei der Zertifizierung
Dazu gehörte auch die zeitaufwendige Zertifizierung, wie Kroyer berichtet. Denn von Herstellern neuer Produkte wird erwartet, dass sie für den Nachweis der Eignung als Vogelschutzglas Prüfberichte nach Flugtunneltests vorlegen. Jedoch gibt es bislang weltweit nur zwei Institutionen, die diese Tests durchführen, was zu langen Wartezeiten bei der Zertifizierung neuer Produkte führt: das American Bird Conservancy ABC in den USA sowie die Biologische Station Hohenau-Ringelsdorf in Österreich, die auch für das Fraunhofer ISE testete.
Für europäische Hersteller und Institute bedeutet das, dass Termine für die Prüfung eines neuen Vogelschutzglases oder neuen Aufbaus nur mit Vorlaufzeiten von oft mehr als einem Jahr zu bekommen sind - auch weil die Kapazität eines Flugtunnels natürlichen Grenzen wie den Jahreszeiten unterliegt. In beiden Tunneln werden so genannte Wahlversuche durchgeführt: Mindestens 80 Vögel verschiedener Arten werden in den dunklen Teil des Tunnels eingesetzt und flüchten instinktiv zum Licht. Am hellen Ende befinden sich die zu testende markierte Scheibe und eine klare Referenzscheibe. Die Vögel wählen, welche sie anfliegen, werden aber vor dem Aufprall durch spezielle Netze abgefangen. Aus dem prozentualen Anteil der Anflüge wird auf die Wirksamkeit des Vogelschutzglases geschlossen.
Testbedingungen sind nicht standardisiert
Für Europa ist Hohenau der De-facto-Standard. Viele für den internationalen Markt produzierende Hersteller betrachten die Situation als schwierig, da die Testbedingungen bislang nicht standardisiert sind. So testet Hohenau in der Durchsicht und in der Reflexion, ABC nur in Durchsicht. ABC stuft es schon als „bird friendly/effective“ ein, wenn weniger als 30 Prozent Anflüge registriert werden. Für Hohenau beginnt die höchste Kategorie A „hochwirksam/vorbehaltlos empfohlen“ erst bei weniger als zehn Prozent Anflügen.
Die Baubehörden in den USA verlangen in der Regel die Einstufung „bird friendly/effective“ nach ABC und es gibt vielerorts explizite gesetzliche Vorschriften. Zudem wurden Lösungen definiert, die nachgebaut werden können und automatisch die Freigabe erhalten, um Wartezeiten zu verkürzen. In Deutschland machen sich Naturschutzverbände hingegen dafür stark, dass nur die höchste Kategorie A nach dem strengeren Hohenau-Schema akzeptiert wird. Zudem wird die Wirksamkeit jedes individuellen Produktes geprüft. Es reicht also nicht von vornherein aus, dass das Glas bestimmte Designmerkmale besitzt, von denen man aus früheren Tests weiß, dass sie im Sinne des Vogelschutzes funktionieren und grundsätzlich bekannt sind.
Um den Prozess künftig zu vereinfachen und zu verkürzen, erarbeitet der Bundesverband Flachglas in seinem Arbeitskreis „Vogelschutzglas“ derzeit ein Merkblatt mit Leitlinien für den Einsatz von Vogelschutzglas. Auf lange Sicht sollen auch Regeln definiert werden, für welche abgewandelten Aufbauten einmal erbrachte Prüfungen künftig gelten könnten und für welche nicht.