6 Fehler beim thermischen Vorspannen von ESG
Nachfolgend zeigen wir mögliche Fehlerquellen auf, die beim thermischen Vorspannen vorkommen und geben Tipps, wie sich diesen Problemen vorbeugen lässt, bzw. wie sie vermieden werden können. Hier die sechs häufigsten Stolperfallen beim Vorspannen:
1. Unzureichendes Verständnis der Prozess-Grundlagen
Eine Vorspannanlage ist keine Blackbox. Jeder Bediener sollte sich zu Anfang die Zeit nehmen, um die Grundlagen des Prozesses zu lernen. Dabei ist das Verhalten von Glas im Ofen relativ einfach zu verstehen: Wenn eine Scheibe (in der Vorspannanlage) nicht gleichmäßig erhitzt oder ungleichmäßig abgekühlt wird, verbiegt sie sich. Wird die Scheibe zu stark erhitzt, wird sie Wellen bekommen.
Kommt eine neue Beschichtung für die vorzuspannenden Gläser auf den Markt, ist es einfach, einen Blick in den Heizbereich zu werfen, um zu sehen, wie sich das beschichtete Glas verhält. Kennt ein Bediener die Grundlagen der Wärmeübertragung, wird es für ihn einfacher, den Vorspann-Prozess selbst einzustellen.
2. Mangelnde Qualität bei der Vorverarbeitung
Ein Vorspannofen zählt in der Regel zu den größten Investitionen eines glasverarbeitenden Betriebs. Betrachtet man jedoch den Produktionsertrag und die Qualität des Endprodukts, also eines ESG oder TVG, zeigt sich, wie wichtig die Vorverarbeitung, u. a. Schneiden, Schleifen, Waschen ist. Es wird schnell deutlich, dass es hier kein Qualitätsgefälle bei den einzelnen Bearbeitungschritten geben darf. Schlechtes Schneiden und eine schlechte Kantenbearbeitung führen häufiger zu Bruch im Vorspannofen.
Umgekehrt kann Glas mit einer guten Kantenqualität (bedingt durch sauberen Zuschnitt und gute Kantenbearbeitung) mit einer niedrigeren Temperatur in der Heizstrecke laufen, was zu einer besseren optischen Qualität führt sowie zu weniger Bruch.
3. Maximierung der Beladungseffizienz
Viele Glasverarbeiter versuchen die höchstmögliche Beladungseffizienz zu erreichen, indem sie kleine und große Glasscheiben in der gleichen Beladung einsetzen. Häufig werden dann bei den großen Formaten die langen Seite voran gelegt, die Längsseiten der kleinen Scheiben hingegen um 90 Grad gedreht, was eine unterschiedlicher Ausrichtung der Scheiben bedeutet.
Das Mischen der Beladungsmuster mit unterschiedlichen Glasausrichtungen führt jedoch zu einer unterschiedlichen optischen Qualität. Werden dann die verschieden ausgerichteten Gläser im selben Gebäude eingebaut, lassen sich dann schnell unterschiedliche optische Reflexionen feststellen, welche dann häufig Reklamationen nach sich ziehen. In diesem Beispiel war zwar eine hohe Beladungseffizienz gegeben, jedoch auf Kosten der Qualität.
4. Zu lange Aufheizzeiten
Der Prozentsatz an Glasbruch ist seit langem der wichtigste KPI eines ESG Ofen-Betreibers. Deshalb versuchen die Bediener alles, um den Ausschuss zu verringern. Eine Möglichkeit Bruch zu verhindern, ist die Aufheizzeit zu erhöhen.
Dies wirkt sich jedoch negativ auf die Glasqualität aus. Je höher die Glastemperatur ist, desto schlechter ist die Qualität, so eine Faustregel. Oft gehen Ofenbediener davon aus, dass eine schlechte Kantenqualität von zu niedrigen Temperaturen im Vorspannprozess herrührt. Höhere Temperaturen führen jedoch zu schlechter Glasqualität.
5. Risiko: dickes und dünnes Glas wird gleichzeitig vorgespannt
Vermeiden Sie es, ein dickes Glas in einen sehr heißen Ofen einzubringen. Ansonsten ist schnell ein lautes „Boom“ hören. Denn so hört es sich an, wenn ein dickes Glas im Ofen bricht. In diesem Fall wird der Bruch durch einen Hitzeschock verursacht. Als Folge des Glasbruchs muss der Ofen heruntergefahren und abgekühlt werden, damit das zerbrochene Glas entfernt werden kann. Dieser Vorgang kann leicht zwei Schichten dauern.
Eine weitere Stolperfalle ist der Abschreckdruck. Häufig ist der Druck, den die Bediener bei Glasdicken zwischen 10 und 19 mm anwenden, zu niedrig. Eine gängige Regel ist, dass ein niedriger Druck verhindert, dass das Glas im Cooler bricht. Meistens ist jedoch das Gegenteil der Fall. Also bei Abkühlen bzw. Fertigen von dickem ESG keinen zu niedrigen Druck ansetzen.
6. Die falsche Methode um White Haze vorzubeugen
Viele Bediener versuchen das Problem von White Haze damit zu beheben, indem sie die Ecken des Glases die Rollen berühren lassen, aber die Mitte nicht. Es ist richtig, dass sich so White Haze verringern lässt. Doch dieses Vorgehen schadet den Rollen, denn dabei kann Glas abplatzen und zu Schädigungen der Rollen führen. Was wiederum Probleme für nachfolgende Ladungen bedeuten kann. Dazu kommt, dass dünnes Glas nicht mehr stabil auf den Rollen sitzt.
Die ESG-Anlagen von Glaston lassen sich für eine Optimierung des Vorspann-Prozesses mit dem Insight Assistant Pro ausstatten, eine intelligente Prozesssteuerung sowie mit Insight Reporting Pro einem Tool, das es dem Verarbeiter erlaubt, alle Daten abzurufen sowie auch online in Echtzeit zu verfolgen.
Fazit
Die hier genannten Probleme sind häufig auftretende Gründe (es gibt noch weitere), wenn sich bei der ESG-Herstellung die Qualitäts- oder Kapazitäts-Anforderungen nicht erfüllen lassen.
Deshalb gilt es im Vorfeld der Anschaffung eines Vorspannofens auch die Kosten zu berücksichtigen, die für schlecht, ineffektiv oder unwirtschaftlich verarbeitetes Glas anfallen. Diese können so hoch sein, dass sich die Investition in eine hochwertigere Ausrüstung oder die Modernisierung des ESG-Ofens schnell amortisieren.
Darüber hinaus müssen die Ofenführer über ein solides Know-how verfügen, um hochwertiges ESG und TVG zu fertigen. Gleichzeitig gilt es dieses Wissen immer wieder zu prüfen, aufzufrischen sowie die Grundlagen des Vorspann-Prozesses immer im Auge zu behalten.
Dieser Beitrag von Sami Kelin ist zuerst erschienen in GLASWELT 08/2021. Sami Kelin ist Director im Geschäftsbereich ESG bei Glaston