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Nullschwelle: Wieso ein Zentimeter nicht barrierefrei ist

Ulrike Jocham
Die Original-Nullschwelle in den Tiroler Bergen – ohne Rinne und ohne Vordach dicht seit 2011.

Das Gesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) wurde am 31. Dezember 2008 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und hat zu einem Paradigmenwechsel beigetragen: Es wird eine universelle Gestaltung (Universal Design) gefordert, die „von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design“ genutzt werden kann.

Die erfahrungsgemäß in der Baubranche noch sehr verbreitete Haltung, 1–2cm hohe Türschwellen seien barrierefrei, steht im Widerspruch zur übergeordneten UN-BRK und zum vorgeschriebenen Konzept der Inklusion. Es gibt immer wieder Menschen, die diese Barrieren z.B. durch Einschränkungen im Oberkörper, in den Armen und Händen nicht nutzen können und dadurch von Gebäuden, Gebäudeteilen und Freisitzen ausgeschlossen werden. Nullschwellen hingegen ermöglichen die Nutzung aller Gebäude, Räume und Freisitze für jeden.

Nullschwellen nach DIN 18040

„Nur eine niveaugleiche schwellenlose Ausbildung bei Außentüren, das heißt mit einer Schwellenhöhe von null Zentimetern, ist barrierefrei“, erklärt der Arbeitsausschuss der DIN 18040 im DIN e.V 2013. Leider ist diese Tatsache in der Baubranche viel zu wenig bekannt. Bis Anfang 2017 hat z.B. die Architektenkammer Niedersachsen in ihren Hinweisen zum barrierefreien Bauen nach DIN 18040 noch geschrieben, dass Türen „schwellenlos mit einer maximalen Höhendifferenz von 2 cm ausgebildet sein“ müssen. Mittlerweile wurde die Kammer auf diese Stellungnahme aufmerksam gemacht, hat den Sachverhalt geprüft und ihre Hinweise zum barrierefreien Bauen entsprechend abgeändert.

Auch die oberste Baurechtsbehörde in BW fordert seit 2015 Nullschwellen innerhalb des barrierefreien Bauens. Am 16.12.14 erschien der beispielhafte Nullschwellen-Runderlass vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur BW.

Das technische Leistungspotenzial der Nullschwelle

Bei der Technik der schwellenfreien Magnet-Doppeldichtung ist es bedeutend, die Dichtung an sich und die Bauwerksabdichtungen differenziert zu betrachten. Beide Lösungen weisen einen beispielhaft hohen Grad an werkseitiger Vorfertigung auf. Die Magnet-Doppeldichtung hat 2001 die Schlagregensicherheit der Klasse 9 A nach DIN EN 12208 und die Luftdurchlässigkeitsklasse 4 nach DIN EN 12207 erreicht, 2002 das Gleiche bei einer Stulptür. Laut einer Veröffentlichung vom ift Rosenheim aus dem Jahr 2016 erreichen die bis zu 2cm hohen Dichtungen ohne zusätzliche Maßnahmen lediglich die Schlagregensicherheitsklasse 5 A.

Im Forschungsbericht „Schadensfreie niveaugleiche Türschwellen“ vom AIBAU (Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik gGmbH) aus dem Jahr 2010 war die tatsächliche Nullschwelle, die schwellenfreie Magnet-Doppeldichtung, schadensfrei, bei den Türschwellen-Dichtungen zwischen 1–5cm Höhe gab es jedoch Schadensfälle. Auch die industriell vorgefertigten Bauwerksabdichtungen der schwellenfreien Magnet-Doppeldichtung werden in dieser Forschungsarbeit explizit als beispielgebendes Vorbild hervorgehoben.

Dieser Beitrag von Ulrike Jocham erschien zuerst in Glaswelt 02/2018. Ulrike Jocham ist disziplinübergreifend als Unternehmensberaterin, Referentin und Trainerin zu den Themen Schwellenfreiheit, Inklusion, Universal Design und Barrierefreiheit tätig.

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