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6 Mythen und Fakten über die DIN 18008, die Sie kennen sollten

Jochen Grönegräs und Markus Broich

Die DIN 18008, "Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln", deren Teile 1 bis 5 in allen Bundesländern baurechtlich eingeführt sind und Teil 6 bald folgt, hat die bisherigen Regelwerke ersetzt. Im Wesentlichen wurden die Inhalte der bisherigen „Technischen Regeln“ übernommen und an die aktuellen Anforderungen an das regelkonforme Bauen mit Glas und den aktuellen Stand der Technik in Bezug auf Bemessung und Konstruktion angepasst. Obwohl sich die die DIN 18008 in der Praxis etabliert hat, gibt es immer wieder Aufregung um ihre Auswirkungen. Vor allem folgende 6 Mythen kursieren hartnäckig in Branchenkreisen über die DIN-Norm:

Mythos 1: Isoliergläser

Früher musste man Isolierglas doch auch nicht dimensionieren

Doch, das musste man auch nach den „Technischen Regeln“ schon – außer für die kleinen Scheiben, die damals wie heute unter die „Nachweiserleichterung“ fielen (vgl. Mythos 3).

Mythos 2: Normen statt Regeln

Aber früher waren es nur technische Regeln, jetzt ist es eine Norm – das wiegt rechtlich viel schwerer

Das stimmt nicht. Auch die bisherigen technischen Regeln waren sowohl nach dem Bauordnungsrecht als auch nach dem Werkvertragsrecht des BGB und der VOB/B einzuhalten. Durch das Fortschreiben der anerkannten Regeln der Technik nach dem Stand des technischen Fortschritts hat sich für den Fachbetrieb für Verglasungen nichts geändert.

Mythos 3: Nachweise

Jetzt muss man auf einmal jede Scheibe für jedes Fenster dimensionieren

Wie bisher gilt die „Nachweiserleichterung“ und sie besagt, dass man Scheiben für Fenster und Verglasungen bis 1,6 m² Fläche ohne weiteren Nachweis verwenden darf, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Siehe Abb. 1 – Auszug aus DIN 18008-2). Demnach ist – wie bisher – zumindest nachzuprüfen, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Mythos 4: Verantwortlichkeit

Durch die Einführung der Norm ist nicht mehr klar, wer eigentlich für die Bemessung verantwortlich ist

Zunächst einmal gilt: Der Fachbetrieb ist seinem Kunden gegenüber immer dafür verantwortlich, dass sein Produkt den anerkannten Regeln der Technik entspricht, hier also: nach der Norm bemessen wurde. Die Verantwortlichkeit kann natürlich bei einem konkreten Vertragsabschluss dahin geregelt werden, dass der Kunde selbst für die Dimensionierung der verwendeten (Isolier-)Gläser verantwortlich ist, indem er beispielsweise einen Statiker für Glas beauftragt.

Mythos 5: Glas ist dicker

Die Isolierglasindustrie hat – ohne Rücksicht auf die Verarbeiter und das Handwerk – die Norm extra so gestaltet, dass alle Gläser dicker werden als früher

Stimmt nicht: Für großformatige Isoliergläser ergeben sich im Gegenteil in zahlreichen Fällen sogar geringere Glasdicken. Für sonst nicht nachweisbare kleinformatige Isoliergläser sind dickere Gläser auch eine „bedenkliche Lösung“, weil die Scheiben zum Nachteil des Randverbundes entlastet werden (siehe auch Mythos 6). Die konstruktiven Randbedingungen sind den bisherigen sehr ähnlich, weitgehend sogar identisch. Lediglich die Durchbiegungsbeschränkungen sind nun einheitlich auf „1/100 der Stützweite in Scheibenmitte“ festgelegt, wobei aber bei Vertikalverglasungen auch gewisse Überschreitungen zulässig sind.

Mythos 6: ESG

Es muss jetzt überall ESG verwendet werden

ESG macht Sinn: Neben bestimmten 3-fach-Aufbauten zeigen sich bei kleineren Scheiben in Lastfällen, in denen die Klimalast maßgebend ist, unzulässig hohe Spannungsausnutzungen. Das geeignete Gegenmittel sind hier nicht dickere Gläser (die führen zu höherer Belastung des Randverbundes, weil sie steifer sind), sondern der Einsatz von ESG. Dass kleine Scheiben, insbesondere mit ungünstigem Seitenverhältnis, problematisch zu dimensionieren sind, ist lange bekannt. Durch das Bemessungskonzept der DIN 18008 und das damit verbundene Sicherheitsniveau haben sich allerdings diese Fälle auf mehr Scheibenformate als früher ausgedehnt, sodass ein beträchtlicher Teil der marktgängigen Formate betroffen ist und in der gewohnten Ausführung „2 × 4 mm Float“ nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Wenn das Glas kleiner als 1,6 m² sind, gilt derzeit die Nachweiserleichterung (vgl. Mythos 3). Dennoch gibt es hier ein Problem, das tatsächlich während der ganzen, zehn Jahre lang dauernden Arbeit an der Norm nicht aufgefallen ist oder nicht angegangen wurde. Der zuständige Normenausschuss hat das erkannt und diskutiert derzeit eine Reform der Glasbemessung für kleinformatige Isoliergläser mit einer Fläche bis zu 2 m². Die Begründung dafür ist, dass die möglichen Schadensfolgen bei einem Versagen allseitig gelagerter, normaler Verglasungen bis zur Größe von 2 m² als überschaubar angesehen werden – eine Gefahr für Leib und Leben wird von diesem Glas nicht ausgehen. Das Ergebnis dieser Reform wird voraussichtlich sein, dass der Nachweis der Spannungen für solche kleinformatigen Isoliergläser auf dem Sicherheitsniveau der Gebrauchstauglichkeit geführt werden darf und damit unter dem Niveau der alten TRLV liegt.

Diese Reform soll dann auch für alle kleinformatigen Isoliergläser gelten und nicht nur für Vertikalverglasungen mit weiteren Einschränkungen (vergleiche Mythos 3). Deshalb soll dann allerdings nach heutigem Stand sozusagen „im Gegenzug“ die bisherige Nachweiserleichterung entfallen. Die Änderung der Anforderungen bei kleineren Scheiben wie unter „Mythos 6“ beschrieben kann nach heutigem Stand frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2017 in Kraft treten. Bis dahin gilt die Norm so wie sie ist, und man ist gut beraten, sich mit ihr zu befassen und sie einzuhalten.

www.bundesverband-flachglas.de

Dieser Beitrag von Jochen Grönegräs und Markus Broich ist zuerst erschienen in GLASWELT/04-2017, bearbeitet von haustec.de Jochen Grönegräs leitet als Geschäftsführer den Bundesverband Flachglas und Markus Broich ist Technischer Leiter des Verbands.

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