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Wohnungsbauunternehmen vs WEG: Erfahrungen aus zwei Quartierssanierungen

Claudia Siegele
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Die Sorglosigkeit des quirligen Lebens im Quartier wird mehr und mehr von der Angst überschattet, wie sich im bevorstehenden Winter die Wohnung beheizen lässt bzw. ob man sich das tägliche Duschen und die 21 Grad im Wohnraum denn noch leisten kann. Die Gespräche mit den Freunden und Nachbarn, die Berichte in den Zeitungen und Nachrichten, die Diskussionen in den Talkshows und die Reden im Bundestag zeigen: Wir alle werden gerade eiskalt erwischt von den Versäumnissen und Gedankenlosigkeiten vergangener Jahrzehnte – viel zu lange haben wir die Herausforderungen und Konsequenzen des Klimawandels zerredet. Und nun offenbart uns der Ukraine-Konflikt, wie leichtsinnig es war und ist, sich in Fragen der Energiesicherheit so weit auf Importe aus Regionen außerhalb der EU zu verlassen, dass wir bei deren Ausfall dramatische wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen haben. 

Das ist keine Erkenntnis, die sich damit abtun ließe, hinterher wüsste man alles besser. Nein, diese Feststellung oder Problematik wird nicht erst diskutiert, seit in der Ukraine ein fürchterlicher Krieg tobt und Russland unter der Führung von Wladimir Putin in dem Zusammenhang die Energieversorgung Europas mit Gas offen als Druckmittel nutzt, um seine Ziele durchzusetzen. Bereits die erste Ölpreiskrise im Jahr 1973, gefolgt von der zweiten 1979/1980, hatte schmerzlich offenbart, dass es nicht klug ist, sein Schicksal in Fragen der energetischen Sicherheit aus der eigenen Hand zu geben. Zu sehr haben uns die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile des weltweiten Handels, die globalisierte Verflechtung verschiedenster Interessen, diese fundamentale Abhängigkeit zum Erhalt des Wohlstandes vergessen machen lassen.

Vielleicht schafft der kollaterale Schaden des Ukraine-Konfliktes im Kielwasser des Klimawandels, was bisherige Krisen nicht vollbracht haben: den Vollzug der vielen Lippenbekenntnisse bei den unzähligen Klimakonferenzen hin zu einer regenerativen Energieversorgung bei entsprechender Effizienz der Verbraucher in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie. Entsprechend ganzheitlich und nachhaltig ausgelegte Quartierskonzepte können für alle drei Sektoren das Fundament bilden. Die nachfolgend aufgeführten Beispiele zeigen, dass es an Ideen und Tatkraft nicht mangelt, sie legen aber auch die Herausforderungen und Hemmnisse solcher Vorhaben ­offen.

1  Das knapp 70 Jahre alte Wohnquartier in ­Duisburg-Ungelsheim gehört zu der emissions­reichsten Baualtersklasse der Düsseldorfer Rheinwohnungsbau GmbH. Mit einem Investitionsvolumen von 51 Millionen Euro soll die Siedlung bis 2045 klimaneutral werden.

Dekarbonisierung Quartier Duisburg-Ungelsheim

Klimaneutralität bis 2045 ist das Ziel, das die Düsseldorfer Rheinwohnungsbau GmbH (RWB) für ihren Bestand von rund 6.200 Wohnungen anstrebt. Zu diesem Zweck brachte das Wohnungsbauunternehmen ein Pilotprojekt auf den Weg, das in Serie gehen soll. Mit einem Investitionsvolumen von 51 Millionen Euro will sie in den kommenden Jahren ihren Wohnungsbestand in Ungelsheim sanieren. Die Wahl fiel auf das knapp 70 Jahre alte Viertel, weil es zu der emissionsreichsten Baualtersklasse der Rheinwohnungsbau gehört (Abb. 1, 2). Mit seinen 129 Gebäuden und 782 Wohnungen emittiert das Quartier 40,2 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr. Das entspricht einem Ausstoß von jährlich 1.981.880 Kilogramm Kohlenstoffdioxid. Durch die Ausstattung mit PV-Anlagen und Wärmepumpen soll sich das Quartier künftig nahezu selbst mit Strom und Wärme versorgen.

2 Wichtige Bausteine sind die energetische ­Sanierung des Bestands und ein PV-Mieterstromprojekt.

Was die Gebäudesanierung – also beispielsweise die Dämmung – betrifft, so wurden bisher 46 Gebäude des Quartiers in unterschiedlichen Qualitätsstufen energetisch ertüchtigt (Abb. 3); neun weitere befinden sich derzeit in der Umsetzung. Die Objekte an dem Standort verfügen über die schlechteste CO2-Bilanz des RWB-Portfolios – auch wegen der Wärmeversorgung über Gas-Zentralheizungen: Mit einem jährlichen Ausstoß von rund 40 kg CO2 pro Quadratmeter liegt der Emissionswert dieses Quartiers um 67 Prozent über dem Durchschnittswert des gesamten Wohnungsbestandes (Abb. 7). 

3 Die ersten Mehrfamilienhäuser sind inzwischen saniert und an das Mieterstromkonzept angeschlossen.
4 Bereits zwei Jahre nach dem Projektstart wurden die ersten PV-Anlagen auf den Dachflächen installiert.

„Der größte Hebel liegt letztlich auf Wärmeerzeugungsseite“, erklärt Thomas Hummelsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau GmbH. „Den Heizwärmebedarf des Quartiers haben wir bereits deutlich reduziert, aber das Ziel von null CO2-Emissionen ist nur über technische Umrüstung zu verwirklichen. Letztendlich ist die CO2-Bilanz für uns das Maß aller Dinge.“ Laut der Strategie „Klimapfad 2045“ des Unternehmens soll der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2045 auf 0 bis 6 kg CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr sinken (Abb. 7).

5 Für die gesamten 129 Gebäude wurde eine übertragbare Blaupause als energetisches Sanierungskonzept erarbeitet.

Initiative Wohnen 2050

Am Anfang stand zunächst die Herausforderung, die kompletten CO2-Emissionen der 6.185 Wohnungen zu erfassen. Bei der RWB errechnete eine Projektgruppe im Laufe mehrerer Monate den exakten CO2-Fußabdruck: Er liegt bei 23,6 kg CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche jährlich; das entspricht einem Ausstoß von über zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Dazu RWB-Projektmanagerin Alena Hincke: „Das Tool der Initiative Wohnen 2050 – des klimapolitischen Bündnisses der Wohnungswirtschaft – leistete uns einen unverzichtbaren Dienst. Wir speisten alle Daten in dieses Berechnungsmodell ein, um unseren Fußabdruck zu ermitteln.“

6 Im Vergleich zum gesamten Bundesland Nordrhein-Westfalen macht allein der PV-Mieterstromzubau der RWB 70 Prozent aus.

Kernidee ist, dass die Ungelsheimer Mieter ihren Strom über die Solaranlage auf dem eigenen Dach beziehen, für die Wärme sorgen unter anderem die Wärmepumpen. Für das komplexe Projekt des Mieterstromkonzeptes kooperiert die RWB unter anderem mit zwei Partnerfirmen: der Ampeers Energy GmbH und der Einhundert Energie GmbH

Die Einhundert Energie GmbH – zuständig für die Wärmeerzeugungsseite – managt den Ausbau der PV-Anlagen im Raum Düsseldorf. „Durch Photovoltaik-Mieterstrom können wir die Energiewende beschleunigen“, erläutert Gründer und Geschäftsführer Dr. Ernesto Garnier. „Dazu müssen wir PV großflächig ausrollen: weg vom Pilotieren, hin zum Skalieren.“ Das Projekt in Duisburg-Ungelsheim ist dabei vorbildlich: Es hat einen Anteil von 72 Prozent am Mieterstromzubau in NRW (Abb. 6). 

7 Vergleich der CO2-Emissionen des Gesamtbestandes mit dem Quartier in Duisburg-Ungelsheim, die mit 40,2 kg/m2 Wohnfläche den schlechtesten Wert aufwiesen.

Blaupause für die Gebäudesanierung

Die Ampeers Energy GmbH entwickelt das Quartiers-Energiekonzept für Ungelsheim und liefert zugleich auch das Energiemanagementsystem. Dazu simulierte sie das Projekt anhand zwei repräsentativer Gebäude über verschiedene Ausbaustufen. Gründer und Geschäftsführer von Ampeers Energy, Dr. Karsten Schmidt, erklärt, wie das funktioniert: „Wir entwarfen eine Blaupause für ein Gebäude, die wir anschließend auf die vorhandenen 129 Häuser ausrollen können (Abb. 5). Beispiel Heizungsanlage: In die kleinen Keller sind die modernen Systeme nur schwierig einzubauen. Also lassen wir einen industriell vorgefertigten ’Ground Cube’ in den Boden des Grundstücks ein, der die begehbare Heizungsanlage aufnimmt. Das lässt sich standardisiert innerhalb kurzer Zeit umsetzen.“ Zur Skalierbarkeit ergänzt Garnier: „Damit die Rentabilität gewährleistet ist, muss man groß denken und Volumen erzeugen, damit Skaleneffekte wirken können. So können komplette Quartiere zu Mieterstromanlagen umgebaut werden.“

8 Stufenmodell hin zu einer einfachen und zugleich profitablen CO2-Minderung

Damit sich ein solches Mieterstrom-Projekt wie in Ungelsheim rechnet, muss sich mindestens die Hälfte der Mietparteien beteiligen. Da der Vermarktungsaufwand bei den bestehenden Mietern hoch ist – schließlich verfügen alle bereits über Stromverträge –, ist eine umfassende Aufklärung nötig, und zwar beginnend beim Preis bis hin zu der Tatsache, dass es Ökostrom ist. Die RWB setzt hierbei auf ihre gut gepflegte Vermieter-Mieter-Beziehung und eine zielgerichtete Ausgestaltung der Unternehmenskommunikation. 

„Damit ein Wechsel für Mieter interessant wird, muss auch der Service stimmen“, ergänzt Garnier. „Smart Metering ist ein Stichwort: Fernausgelesene Zähler und digitale Betreuung sind entscheidend, damit die Nutzererfahrung als angenehm empfunden wird. Dazu gibt es eine App und monatliche Abrechnungen.“

9 Die Quartierssanierung Ludwigshafen-Süd umfasst mehrere Blockrandbebauungen und ist nur einen Katzensprung von der Stadtmitte entfernt.

Ohne Förderung nicht wirtschaftlich umsetzbar

Renditeerwartungen von vier Prozent seien bei dem Projekt aber nicht erfüllbar, erklärt Hummelsbeck und räumt ein, dass die KfW-Zuschüsse, die das Unternehmen für die Realisierung des BEG-Standards „70 EE“ bekomme, unbedingt gebraucht werden. Langfristig spart das Unternehmen auch, weil die CO2-Bepreisung steigt. Darüber hinaus werden Erträge aus dem Stromgeschäft generiert.

Vorrangig geht es der Rheinwohnungsbau aber um die langfristige Klimastrategie, die sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht. Schließlich will man nicht hinterherlaufen, sondern vorangehen. Daher soll Ungelsheim als Prototyp und Startpunkt für die serielle Ausgestaltung der Klimawende im Quartier, quasi als Umsetzungsvorlage für weitere, zukünftige Dekarbonisierungsprojekte im gesamten Wohnungsbestand dienen. 

Die ersten Erkenntnisse aus dem Projekt belegen, dass sich Wohnungsbestände der 1960er Jahre mit vertretbarem Aufwand in zero-CO2-Quartiere umwandeln lassen. Der Schlüssel hierzu liegt im Quartier. Es geht letztlich darum, den Strom dort zu erzeugen, wo er verbraucht wird – sei es für den Gebäudebetrieb oder als Mieterstromangebot. Die Akteure oder Unternehmen müssen die Klimastrategie als Querschnittsaufgabe begreifen und in agilen Projektstrukturen Lösungen wie zum Beispiel smarte Energieversorgungsstrategien entwickeln.

Für die Quartierssanierung in Duisburg-Ungelsheim erhielten die Rheinwohnungsbau GmbH und die Ampeers Energy GmbH den ersten Preis in der Kategorie Quartier Wohnen im Rahmen des von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz und dem Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ausgelobten Real Green Awards.

Quartierssanierung Ludwigshafen-Süd

Das energetische Quartier Ludwigshafen-Süd ist bereits seit 2008 ein förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet im vereinfachten Verfahren (Abb. 9). Die Sanierung der Arbeitersiedlung im Schatten eines großen Chemieunternehmens oblag der Abteilung Stadterneuerung der Stadtverwaltung Ludwigshafen und zielte vornehmlich auf die Modernisierung des Gebäudebestands ab. Den Ausschlag für das Projekt gab das KfW-Programm 432, da die Finanzierbarkeit solcher Vorhaben für Kommunen die entscheidende Voraussetzung ist. Das Förderprogramm bot die Chance, einen quartiersbezogenen Ansatz zur energetischen Stadtsanierung sowie zur flächendeckenden Einsparung von CO2 im Gebäudebestand zu gewährleisten.

Die Konzeptstruktur sah zunächst eine umfangreiche Analyse des Quartiers vor, die neben Siedlungsstruktur, Grün- und Freiräumen, Mobilität und Demographie auch Aspekte wie Wirtschaftsstruktur, Energieversorgung, Energie- und CO2-Bilanz, klimatische Rahmenbedingungen und die bisherigen Klimaschutzaktivitäten in Ludwigshafen sowie die Ergebnisse des Beteiligungsprozess einschloss (Abb. 10, 11).

10 Im Zuge der Quartiersanalyse wurde auch untersucht, welche Dachflächen zur Solarenergie-Nutzung geeignet sind.
11 Der Sanierungsbedarf bei den Gebäuden war im gesamten Quartier mittel bis hoch eingestuft worden.

Schon frühzeitig wurden die städtischen Kanäle bespielt, um die Bürgerschaft zu aktivieren und ansässige Quartiersbewohnerinnen teilhaben zu lassen. Es gab etliche Workshops, in denen Ideen und Wünsche geäußert werden konnten, aber auch digitale Kanäle wurden umfangreich genutzt. Nicht zu vermeiden ist nach Angaben der Stadtverwaltung Ludwigshafen bei solchen Veranstaltungen eine gewisse Diskrepanz zwischen den konzipierten Maßnahmen und den Ideen der Bürger und Bürgerinnen. Auch ist es sehr schwierig, die gesamte Bewohnerstruktur in der Bürgerbeteiligung abzudecken – dies hängt ja davon ab, wer sich die Mühe macht, sich aktiv an dem Prozess zu beteiligen. Danach erfolgte das Ermitteln der städtebaulichen und energetischen Potenziale, verbunden mit der Frage, inwieweit sich Energieverbrauch und CO2-Emissionen reduzieren lassen.

KfW-Förderung und andere Zuschüsse

Das KfW-Programm 432 bezieht sich zum einen auf die Erstellung des Konzeptes und zum anderen auf das Sanierungsmanagement zur Umsetzung der Maßnahmen. Das Sanierungsmanagement hat die KfW mit 65 % gefördert, 30 % kamen vom Land Rheinland-Pfalz. Die verbleibenden fünf Prozent übernahm die Stadt Ludwigshafen, der als finanzschwachen Kommune eine höhere Förderquote zusteht. Das Sanierungskonzept förderte die KfW mit 65 %, das Land zu 20 %. Die verbliebenen 15 % übernahm wiederum die Kommune, wobei diese Quote inzwischen höher angesetzt ist.

Grundsätzlich stellte das energetische Quartier Ludwigshafen-Süd zu Beginn des integrierten energetischen Quartierskonzepts bezüglich der Förderstruktur eine Besonderheit dar. Zum einen überschnitten sich alle Wohngebäude des Sanierungsgebiets mit dem Fördergebiet des Sanierungsmanagements. Allen Eigentümern innerhalb eines Sanierungsgebiets steht eine steuerliche Förderung nach § 7h EStG offen. Überdies gab es bei ausreichend umfangreicher Modernisierung die Möglichkeit, Städtebaufördermittel anzuzapfen (20 Prozent der Modernisierungskosten, maximal 50.000 Euro).

Erweitert wurde diese Förderkulisse um das Sanierungsmanagement: Den Bürgerinnen wurde demnach eine Energieberatung vor Ort angeboten. Interessant ist hierbei, dass zu Beginn des KfW-Quartiers ab 2019 auch die Förderungen der KfW sowie des BAFA massiv verbessert und angehoben wurden (Zuschüsse, Tilgungszuschüsse usw.), was die Förderquoten erheblich nach oben trieb.

12 Eie wichtige Erkenntnis bei der Quartierssanierung in Ludwigshafen-Süd war, dass es nicht ausreicht, für die Bürger und Bürgerinnen eine Anlaufstelle im Bezirk vorzusehen.

Hemmnisse und Korrekturen

Zu Beginn des Sanierungsmanagements wurde geprüft, welche Maßnahmen aus dem Konzept wie und mit welchem Schwerpunkt umgesetzt werden sollen und können. Die im Konzept eingearbeiteten Maßnahmen stießen hier jedoch relativ schnell an die Grenzen der Umsetzbarkeit.

Beispielsweise wurde als Konzeptmaßnahme die Verstetigung von PV-Anlagen aufgeführt, was sich in den Augen des externen Sanierungsmanagement innerhalb einer Blockrandbebauung bezüglich Mieterstromaspekten und der verfügbaren Dachflächen in Relation zum Wohnraum als relativ schwierig erwies. Die Maßnahmen zur Mobilität, vor allem jene, die seitens der Bürgerschaft umgesetzt werden können, kamen über E-Ladestationen nicht hinaus, und die Maßnahmen zur Anpassung der Infrastruktur waren schlicht nicht förderfähig. So entfielen letztlich Radwege und das Begrünen öffentlicher Räume (Das Konzept sah eine grüne Achse zwischen Rhein und Quartier nebst mehr Bäumen vor).

Ein Teil der im Konzept aufgeführten Maßnahmen waren auf ein urbanes Quartier schlicht nicht anwendbar, zumal die bestehende Eigentümerstruktur nicht entscheidend genug im Konzept berücksichtigt worden war. Viele Eigentümerinnen haben keinen Quartiersbezug, halten Wohneinheiten als Kapitalanlage und sind selbst nicht im Quartier wohnhaft. Dies führt unweigerlich zu einer erschwerten Situation innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG).

Auch die soziale Struktur war nicht adäquat abgebildet. Ludwigshafen-Süd bietet oftmals niedrigere Mietspiegel, größtenteils sind WEG nicht in der Lage, hinsichtlich energetischer Maßnahmen eine Mehrheit beziehungsweise trotz attraktiver Förderkulisse die finanziellen Mittel aus Rücklagen aufzubringen. Es zeigte sich, dass die bei WEG ohnehin vorhandenen Hemmschwellen bei der Motivation für Instandhaltungsmaßnahmen schon gleich gar nicht für die energetische „Extra-Meile“ ausreichen.

Dies soll aber keineswegs heißen, dass im Quartier keine energetischen Maßnahmen stattfanden – nur waren viele davon aus dem Sanierungsrecht entsprungen, basierten also auf Kaufvertragsgenehmigung oder Auflagen zum Kaufvertrag. Die neuen Eigentümer waren somit „gezwungen“, zu sanieren. Hilfreich ist im Sanierungsrecht ebenfalls, dass die Immobilie seitens der Stadterneuerung von Architektinnen begutachtet werden und zumindest die Standards des Gebäudeenergiegesetzes (früher EnEV) eingehalten werden können.

Aus Sicht der Stadtverwaltung waren die größten Hemmnisse die Eigentümerstrukturen, folglich die hohe Anzahl an WEG. Beim Verkauf kompletter Anwesen ist die Kommunikation mit den Investorinnen weitaus einfacher. Wohnungsbaugesellschaften oder auch kleinere Immobilienfirmen setzen sich oftmals vorzeitig mit den Behörden auseinander, was ebenfalls von Vorteil für das Besprechen möglicher Modernisierungsmaßnahmen ist. Private Eigentümer hingegen finanzieren oftmals die Objekte ohne einen entsprechenden Spielraum für Modernisierung – die absurde Entwicklung der Immobilienpreise hat hier in der Tendenz dazu geführt, dass weniger für Instandhaltung und Modernisierung investiert wird.

Enttäuschend war bei der Quartierssanierung Ludwigshafen-Süd insgesamt die geringe Resonanz seitens der Bürger in Bezug auf die umsetzbaren energetischen Maßnahmen, da die brennenden sozialen Fragen in dem Quartier schlicht ganz andere sind. Obwohl das Sanierungsmanagement diesem Desinteresse mit eigens zur Information eingerichteten Anlaufstellen (Abb. 12), Broschüren und Aufklärungen bei behördlichen Wohnungsbesichtigungen entgegenzutreten versuchte, liefen die Beratungen oft ins Leere.

Offensichtlich müsste insbesondere in sozial durchmischten oder problematischen Quartieren der soziale Aspekt beim Quartiersmanagement viel stärker berücksichtigt werden, um jene Bürgerinnen und Bewohner konkret anzusprechen, denen die finanziellen Mittel für eine Sanierung fehlen oder die Angst haben, nach einer energetischen Sanierung die Miete nicht mehr zahlen zu können und so ihre Wohnung zu verlieren.

Wichtige Erkenntnisse für die Zukunft

Auch wenn das umgesetzte Konzept in Ludwigshafen-Süd nicht alle energetischen Möglichkeiten des KfW-Förderprogramms 432 ausgeschöpft hat, konnte die Stadtverwaltung dennoch viele wertvolle Erkenntnisse für künftige Quartierssanierungen gewinnen. Dazu gehört unter anderem, bereits während der Konzeptphase bei Innenstadtquartieren gezielt die Umsetzbarkeit der Maßnahmen und Zielausrichtungen an die Begebenheiten der Stadt- und Sozialstruktur anzupassen. Sanierungsmanagement und Bürgerbüro sind unbedingt zu kombinieren, die sozialen Gefüge müssen bekannt sein. Viele Verwaltungsakte oder Gesetze sind für die Bewohner ein Buch mit sieben Siegeln, die ohne bürgernahe Anlaufstellen viele Bürger davon abhalten, die Vorteile einer Sanierung zu erkennen oder eine Energieberatung konstruktiv anzugehen.

Das Quartier Ludwigshafen-Süd hat, auch durch den Immobilienboom der vergangenen Jahre, viele Veränderungen erlebt. Die Sanierung hat bereits zu vielen Modernisierungen geführt. Es gab Investorinnen, die mit sehr realistischen Vorstellungen ihre Projekte angingen und eben nicht nur Miete aus verfallenen Beständen abziehen wollten. Das Quartier hat heute eine eigene Identität, und mit Blick auf die Neubaugebiete am westlichen Teil des Quartiers und die geplanten Impulse aus der Innenstadt ist die Quartierssanierung durchaus erfolgreich gewesen, auch was das Sanierungsmanagement angeht.

Trotz Pandemie, die vieles von dem, was geplant war, verhindert hat, gab es viel Bewegung im Quartier. Es gibt viele urbane Projekte, die unauffällig aber faszinierend in den Blockinnenbereichen lauern – vergleicht man das heutige Quartier mit dem im Jahr 2008, ist eine gute Substanz für die Zukunft entstanden.

Nahwärmenetz „Rewarm Dußlingen“

Wie eng Quartierskonzepte mit der kommunalen Wärmeplanung verknüpft sein können, zeigt das Beispiel eines Nahwärmenetzes im baden-württembergischen Dußlingen, einer 6300-Seelen-Gemeinde im Landkreis Tübingen. Im Ortskern, der im Zuge des Projektes als Sanierungsgebiet ausgewiesen wurde, ist bis Ende 2022 der Bau eines Nahwärmenetzes mit regenerativem Energieanteil geplant – am 13. Juni rollten die ersten Bagger an.

Bei diesem von der EU geförderten Vorhaben soll die Abwärme des Hauptwasserkanals des Verbandssammlers für die Wärmeversorgung der umliegenden Gebäude genutzt werden (Abb. 14), um damit öffentliche Gebäude wie das Rathaus zu versorgen. Auch private und gewerbliche Hauseigentümerinnen und -eigentümer bekommen die Möglichkeit, ihre Gebäude an das umweltfreundliche Heizungsnetz anzuschließen (Abb. 15). Die Abwasserwärme macht dabei rund 40 Prozent des Wärmenetzes aus, in das zusätzlich die bestehenden Gaskessel einer naheliegenden Schule sowie ein effizientes BHKW eingebunden sind.

14 Die schwäbische Gemeinde Dußlingen konnte mithilfe von EU-Fördergeldern ein Nahwärmenetz im Ortskern umsetzen, das die im Abwasser enthaltene Wärme nutzt.
15 Versorgt werden neben öffentlichen Gebäuden wie Rathaus und Schule auch private Hausbesitzerinnen.

Entstanden ist das Projekt auf Basis eines energetischen Quartierskonzepts, welches die Agentur für Klimaschutz Kreis Tübingen gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Lorinser für die Gemeinde erstellt hat. Über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Förderprogramm „REACT-EU – Klimaschutz mit System“ konnte die Kommune mit ihrer Idee der Abwasserwärmenutzung eine erhöhte Förderquote von 90 Prozent erhalten. Das Vorhaben verfolgt die kommunalen wie regionalen Klimaschutzziele, regenerative Energiequellen auszubauen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig fügt sich das geplante Wärmenetz mit der Nutzung von Abwasserwärme in die europäischen Klimaschutzziele des Green Deal ein, eine effiziente Ressourcennutzung zu fördern und umweltfreundliche Technologien zu nutzen.

Das Förderprojekt umfasst sowohl einen investiven als auch einen nicht investiven Bereich, sodass auch die begleitende Öffentlichkeitsarbeit sowie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bezuschusst wird. Zukünftig soll das Wärmenetz erweitert und um zusätzliche erneuerbare Erzeugungsanlagen ergänzt werden, sodass der Gasanteil weiter abgesenkt werden kann. Durch das Wärmenetz werden mehr als hundert Tonnen CO2 pro Jahr eingespart.

In den vergangenen Jahren wurde bereits damit begonnen, private Zentralheizungen im Quartiersgebiet zu erneuern. Da rund zwei Drittel der Heizungsanlagen im Bestand älter als 20 Jahre sind, wird in vielen Fällen ein Austausch alleine schon aus technischen Gründen nötig sein. Der Aufbau eines Wärmenetzes bietet jetzt die Chance, die energetische Nutzung fossiler Brennstoffe im Quartier flächendeckend durch erneuerbare Energien zu ersetzen.

Mehr Infos zu dem Projekt unter: www.rewarm-dusslingen.de

Dieser Artikel von Claudia Siegele erschien zuerst in Gebäude Energieberater GEB Ausgabe 07/2022. 

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