Stärkere Solarzellen: Das sind die aktuellen Trends
Der Leistungshunger der Solarkunden ist ungebrochen. Die dynamischen Märkte verlangen immer stärkere Module, zudem wächst die Vielfalt der angebotenen Modulformate und Modultypen. So besetzt die Branche immer neue Nischen und treibt den Zubau voran.
Noch dominiert Perc
Derzeit sind rund 80 bis 85 Prozent aller Solarzellen in den Modulen die bekannten Perc-Zellen. Perc steht für Passivated Emitter and Rear Cell, also für Zellen, deren Rückseitenkontakt passiviert wurde. Diese passivierte Rückseite wirkt wie ein Spiegel, der den roten Anteil des Sonnenlichts in die Zelle zurückwirft und somit die Ausbeute erhöht.
Schon 1983 in Australien entwickelt
Diese Solarzelle wurde schon 1983 im Labor der Universität von New South Wales in Australien entwickelt, von einem Team um den Solarprofessor Martin Green. Eine der ersten Firmen, die solche Zellen gefertigt und eingeführt haben, war Qcells, heute Tochtergesellschaft des Hanwha-Konzerns.
Die Qantum-Zellen sind patentiert, weshalb seit Jahren mehrere Verfahren anhängig sind. Mitte Januar 2023 verlor Trina einen Patentstreit vorm Landgericht Düsseldorf und darf nunmehr keine Perc-Zellen mehr nach Europa einführen.
Qcells macht Patente geltend
Die asiatischen Hersteller verwenden fast ausnahmslos Perc-Zellen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch sie mit den Patentansprüchen von Qcells konfrontiert werden. „Dass weitere große Konkurrenten wie JA Solar, Canadian Solar oder Risen Energy noch lange Zeit davon verschont bleiben, wage ich zu bezweifeln“, analysiert beispielsweise Martin Schachinger von PVXchange.
Dass es ohne Streit geht, beweist dieser Fall: Im März haben Solarwatt und Hanwha eine Vereinbarung geschlossen. Solarwatt darf weiterhin Perc-Zellen in seinen Modulen verwenden und zahlt dafür eine Lizenzgebühr an Hanwha.
Fairen Wettbewerb sichern
Das ist bei patentierten Technologien durchaus üblich. „Qcells war immer bestrebt, einen fairen und gesunden Wettbewerb um die beste Technologie in der Solarbranche sicherzustellen“, kommentierte Moon Hwan Cha, Geschäftsführer von Hanwha Qcells. „Die Lizenzvereinbarung mit Solarwatt gewährleistet, dass Kunden in ganz Europa weiterhin ungehinderten Zugang zu einer gefragten und zukunftsweisenden Solartechnologie haben, und zwar vor dem Hintergrund eines fairen und wettbewerbsorientierten Umfelds für Forschung und Entwicklung.“
Detlef Neuhaus, CEO von Solarwatt, zeigte sich gleichfalls zufrieden über die faire Lösung: „Die Vereinbarung mit Hanwha Solutions schafft Rechtssicherheit nicht nur für uns, sondern auch für unsere Installationspartner und unsere Kunden.“
Probleme mit LID und PID
Bis vor Kurzem galt Perc als Nonplusultra. Allerdings zeigen diese Zellen unerwünschte Nebeneffekte wie lichtinduzierte Degradation (LID) oder potenzialinduzierte Degradation (PID). LID betraf auch ältere Zellen (Al-BSF) mit Aluminiummetallisierung auf der Rückseite. Allerdings scheint Perc stärker betroffen, vermutlich durch Wasserstoffatome, die in die dielektrische Passivierungsschicht diffundieren.
Trina stellt auf Topcon um
Trina will nun sehr schnell neue Topcon-Zellen einführen, um die ökonomischen Risiken einer Patentverletzung zu minimieren. Der chinesische Modulhersteller hat im März den ersten monokristallinen N-Typ-Ingot (210 Millimeter: M12) in seiner neuen Fabrik in Qinghai im Nordwesten Chinas aus der Schmelze gezogen.
Auf diesem Material basieren die neuen Topcon-Zellen, die Trina künftig in Vertex-Modulen nutzen will. Der Rohling wog 542 Kilogramm und war 3,8 Meter lang. In Qinghai werden jährlich N-Typ-Ingots für bis zu 20 Gigawatt Solarzellen das Werk verlassen. Der Bau der Fabrik begann im Juli 2022, im Februar 2023 wurde der erste monokristalline Schmelzofen gezündet.
Unterschiede zwischen Perc und Topcon
Perc-Zellen sind P-Typ-, Topcon hingegen N-Typ-Zellen. Bei P-Typ-Zellen ist der kristalline Siliziumwafer mit Bor positiv dotiert, bei N-Typ mit Phosphor negativ. Topcon-Zellen weisen gegenüber Perc etwas höhere Wirkungsgrade auf, zudem sind sie robuster gegenüber höheren Temperaturen. Hinzu kommt ein besseres Schwachlichtverhalten.
Topcon steht für Tunnel Oxide Passivated Contact. Diese Zellen wurden am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg entwickelt. Sie können sowohl monofazial als auch bifazial sein. Jinko hat ein monokristallines, bifaziales Topcon-Modul mit 23,53 Prozent Modulwirkungsgrad entwickelt, Longi Solar schaffte mit einer P-Typ-Topcon-Zelle sogar 25,19 Prozent.
Ablösung der Perc-Zellen hat begonnen
Es wird erwartet, dass zur Intersolar in München die Ablösung der Perc-Zellen durch Topcon-Zellen in den Solarmodulen deutlich wird. Zwar stehen die Zellhersteller erst am Anfang der Lernkurve und der Skaleneffekte, doch toleriert der Markt gegenwärtig die Mehrkosten, die für die leistungsfähigeren Zellen verlangt werden. Mittelfristig sind Skaleneffekte aus der Massenproduktion zu erwarten wie seinerzeit bei den Perc-Zellen.
Schnell werden die Perc-Zellen nicht aussterben. Die Zellhersteller haben einen deutlich höheren Kapitalbedarf, um auf die neuen Topcon-Zellen umzustellen, als beispielsweise die Hersteller von Solarmodulen, die auf Topcon umsteigen. Vor allem bei Solarparks und großen gewerblichen Aufdachanlagen werden sie weiterhin ein gewaltiges Marktsegment bedienen, bei denen um jeden Cent gefeilscht wird.
Monowafer mit amorpher Schicht umhüllt
Schon kündigt sich die nächste Zellgeneration an: Heterojunction(HJT)-Zellen. Heterojunction-Zellen sind Stapel aus mindestens zwei Zellen, wie sie beispielsweise Meyer Burger in Thalheim prozessiert. Die monokristalline Siliziumzelle wird mit amorphem Silizium ummantelt, dessen hauchfeine Schicht als Schutz und Deckzelle zugleich fugiert. Darüber liegen abschließend transparente, leitfähige Oxidschichten (TCO).
Ursprünglich wurden diese Zellen erstmals von Sanyo entwickelt und patentiert. Aus Sanyo wurde Panasonic, allerdings liefen die Schutzrechte vor einigen Jahren aus. Panasonic verabschiedete sich aus dem Zellgeschäft, dafür stieg Meyer Burger ein.
Höhere Wirkungsgrade durch HJT
Die HJT-Zellen haben höhere Wirkungsgrade als Topcon und ihre Leistung ist stabiler, auch bei höheren Temperaturen. Sie erlauben höhere Spannungen und Leerlaufspannungen. Auch zeigen sie bessere Performance bei Schwachlicht, also bei Bewölkung. LID spielt bei ihnen keine Rolle.
Zudem können HJT-Zellen theoretisch aus sehr dünnen Wafern mit nur hundert Mikrometern gefertigt werden. Deshalb wird derzeit erprobt, sie beispielsweise für die Dächer von Fahrzeugen oder Booten zu adaptieren, die leicht gewölbt sind.
Seit vergangenem Jahr werden zunehmend IBC-Zellen in Modulen gezeigt, beispielsweise Futurasun (Modul Zebra Pro) oder Belinus (M8 IBC). IBC hat nichts mit IBC Solar aus Bad Staffelstein zu tun, sondern in diesem Falle steht es für Interdigited Back Contact.
Bei dieser Technologie liegen die beiden Diffusionskontakte auf der Rückseite der Zelle. Die Frontseite bleibt komplett unverschattet, weder durch Kontaktfinger (Busbars) noch durch hauchfeine Drähte (Smart Wire) wie bei Meyer Burger gestört. Auch die Schweizer haben bereits Prototypen von Modulen mit IBC-Zellen vorgestellt. Weil beide Kontakte (plus und minus) auf der Rückseite liegen, kann man die Anschlüsse niederohmig ausführen. Das minimiert Übergangsverluste.
IBC-Zellen mit besserem Solarertrag
Belinus hat unlängst sein Glas-Glas-Modul M7 Ultrablack mit dem neuen Glas-Glas-Modul M8 IBC verglichen. Beide Solarmodule sind mit 120 Halbzellen (166 mal 83 Millimeter) ausgestattet. Das komplett schwarze Solarmodul hat eine Spitzenleistung von 410 Watt. Seine monokristallinen Siliziumzellen erreichen einen Wirkungsgrad von 21 Prozent.
Das zweite Solarmodul im Vergleich hat eine etwas geringere Leistung von 400 Watt. Seine IBC-Zellen erreichen einen Wirkungsgrad von 22,4 Prozent. „Die Kombination von N-Typ-IBC-Solarzellen mit dem ultraschwarzen Aussehen und der Tatsache, dass es sich um Glas-Glas-Solarmodule handelt, machen sie zu einem unserer meistverkauften Premiumprodukte in den Benelux-Ländern“, bestätigt Francis Rome von Belinus. Obwohl die Nennleistung des schwarzen M7-Solarmoduls nominal um zehn Watt höher ist, schneidet das M8 IBC-Solarmodul beim Solarertrag besser ab.
Aufgrund der anderen Kontaktierung lässt sich das Layout der Halbzellen verdichten. Auch bei IBC-Solarmodulen vom N-Typ drohen weder lichtinduzierte noch potenzialinduzierte Degradation.
Taufrisch sind die Topcore-Zellen, die 2021 am Fraunhofer-ISE einen Rekordwirkungsgrad von 26 Prozent erreichten. Das entspricht dem Rekord von IBC-Zellen. Grundlage ist die Topcon-Technologie.
Bei der Rekordzelle wurde der P-N-Übergang auf der Rückseite als vollflächiger Topcon-Kontakt ausgebildet. Die vollflächige Bordotierung auf der Vorderseite wurde nicht mehr benötigt, sondern ausschließlich lokal direkt unter den Frontkontakten ausgeführt.
Topcore schafft 26 Prozent
Diese Topcore-Zelle (Topcon Rear Emitter) erlaubt höhere Spannungen und höhere Füllfaktoren als Zellen mit sammelndem Emitter auf der Vorderseite. Mit diesem Design wird der Wafer besser für den Transport der Ladungsträger ausgenutzt. Die Vorderseite wird effektiver passiviert (mit Aluminiumoxid).
Die detaillierte Analyse der Verlustleistung im Labor des ISE in Freiburg ergab, dass diese Zelle sowohl Transportverluste (Elektronen und Löcher) als auch Rekombinationsverluste ausgleicht und minimiert. „Aus der Simulation konnten wir einige grundlegende Designregeln für zukünftige Siliziumzellen mit einem Wirkungsgrad von mehr als 26 Prozent ableiten“, erläutert Professor Stefan Glunz vom Fraunhofer ISE. „Beidseitig kontaktierte Solarzellen haben das Potenzial für Wirkungsgrade bis zu 27 Prozent. Damit sind sie geeignet, den bisherigen Weltrekord für Siliziumzellen zu übertreffen.“
Das Rennen bleibt spannend
Das Rennen um leistungsfähigere Zellen und damit Solarmodule ist längst nicht beendet. Im Gegenteil: Die Dominanz einer bestimmten Zelltechnologie erodiert, macht Platz für verschiedene Konzepte. Das erlaubt, die Solarmodule noch genauer auf bestimmte Anwendungen abzustimmen, um neue Kundengruppen zu bedienen.