Modulpreiscrash und kein Ende in Sicht
Die Preiskorrektur bei Solarmodulen hat sogar nochmals Fahrt aufgenommen – im Schnitt wurden die Preise in allen Modulkategorien um etwa 10% nach unten korrigiert. Noch niemals seit Beginn der Aufzeichnungen gingen die Preise innerhalb so kurzer Zeit so deutlich in den Keller. Schon seit ein, zwei Monaten liegen die Werte damit unter dem bisherigen Allzeit-Tief von 2020 und erst recht unter den Produktionskosten der meisten Hersteller. Das Erwirtschaften von Deckungsbeiträgen scheint vorerst Geschichte zu sein, jetzt geht es für viele nur noch um Schadensminimierung oder gar um das nackte Überleben.
Wie kam es zum Preisverfall bei Solarmodulen?
Was sind die Ursachen für diesen selbstzerstörerischen Trend?
Zunächst muss man beachten, dass die Modulpreise zwischen Oktober 2020 und Oktober 2022 teilweise um mehr als 50% gestiegen sind, was nicht durch technologische Weiterentwicklung, sondern vor Allem durch eine (COVID19-bedingte) Verknappung des Angebots bei gleichzeitigem Anstieg der Nachfrage zu begründen ist. Letztlich haben viele Akteure im Photovoltaikmarkt dabei sehr gut verdient – auf Kosten der Endverbraucher. Die Photovoltaik-Anlagenpreise waren bis vor Kurzem so hoch, wie schon lange nicht mehr. Nun ist das Ruder komplett umgeschlagen, was zwangsläufig zu einem Preisverfall führen muss. Allein die Geschwindigkeit und Heftigkeit überrascht selbst erfahrene Marktteilnehmer.
Nach den Verfügbarkeitsproblemen der vergangenen zwei Jahre wurden bei vielen Installateuren und Großhändlern üppige Forecasts erstellt und dementsprechend neue Ware geordert, als ob es kein Morgen geben würde. Die Produzenten, überwiegend aus Asien, reagierten und fuhren ihre Kapazitäten hoch. Üblicherweise übersteigt die weltweite Produktionskapazität die tatsächlich erwartete Nachfrage um 30 bis 50%, damit mit Schwankungen schnell ausgeglichen werden können. Die Fertigungslinien werden dann nach Bedarf hoch oder runtergefahren. In jüngster Zeit geriet dieser Mechanismus aber etwas aus den Fugen, da viele Hersteller ihre Zell- und Modulfertigung aufgrund von Patentrechtsproblemen in einzelnen Regionen von PERC-Technologie (p type) sehr schnell auf TOPCon-Technologie (n type) umstellen mussten. Da die Absatzbeschränkungen aber nicht weltweit galten, wurden neue Kapazitäten für TOPCon aufgebaut, ohne die alten Kapazitäten zu ersetzen und konsequent herunterzufahren.
Leidensdruck durch explodierende Energiepreise sank schnell
Fröhlich wurde für den europäischen Markt produziert, denn die Aussichten erschienen dank der vermeintlich dauerhaft hohen Kosten für konventionelle Energieträger auch dauerhaft gut. Leider waren unsere Politiker sehr gut darin, die alten Quellen für fossile Brennstoffe kurzfristig durch neue zu ersetzen, so dass der Leidensdruck aufgrund explodierender Energiekosten schnell sank. Auch scheint die Pandemie endlich überstanden zu sein und der Durchschnittseuropäer kann wieder uneingeschränkt verreisen. Nicht zuletzt durch die hohe Inflation fehlt vielen Mitmenschen, die vor kurzem noch in Photovoltaik-Anlagen investieren wollten, das Geld, die Motivation oder beides, die geplante Maßnahme auch wirklich umzusetzen. Das jetzt die Zinsen für Kredite immer weiter steigen, erleichtert die Entscheidung nicht gerade. Die Konsequenz aus all den aufgeführten Faktoren ist ein Einbruch der Nachfrage, so dass die Photovoltaik -Branche aus dem Sommerloch auch Mitte September noch nicht wieder herausgekommen ist.
Ware staut sich bei den Großhändlern
Das schnell wieder verebbte Interesse an der Solarstromerzeugung führt zwangsläufig dazu, dass die Auftragsbücher der Installateure und Projektierer leerlaufen, vorbestellte Module und Wechselrichter nicht termingerecht abgenommen werden können. Die Ware staut sich zunehmend bei den Großhändlern und in den Zwischenlagern der Hersteller auf. Mittlerweile sollen sich bereits 40 bis 100 Gigawatt unverkaufter Module in europäischen Warenhäusern, vornehmlich im Großraum Rotterdam befinden. Eine exakte Menge zu bestimmen, ist nahezu unmöglich. Es reicht aber zu wissen, dass sich etwa ein Jahresbedarf an Modulen bereits in Europa befindet, um die Dimension und Tragweite des Dilemmas zu verstehen. Die Lagerung dieser Ware kostet sehr viel Platz und damit Geld, die Verluste werden von Tag zu Tag größer, während die Absatzmöglichkeiten kleiner werden. So wird der Druck immer größer, bis die Lawine irgendwann ins Rutschen gerät und der erste seine Module unter Einkaufs- beziehungsweise Produktionskosten anbietet. Die Wettbewerber sehen sich gezwungen nachzuziehen und die Abwärtsspirale wird in Gang gesetzt.
Nun könnte man meinen, dass fallende Preise die Nachfrage doch anheizen müssten. Vielfach ist das aktuelle Preisniveau bei den Materialien aber noch gar nicht bei den Endkunden oder Investoren angekommen. Zu groß ist bei vielen Anbietern noch der Altbestand, der zu höheren Preisen eingekauft wurde. Die Abwertungswelle setzt auch gerade erst ein, weswegen der Preisverfall von Monat zu Monat heftiger wird. Viele hoffen noch darauf, mit einem blauen Auge davon zu kommen. So aber ist das Risiko, auf der alten Ware sitzen zu bleiben, sehr hoch.
Die Photovoltaikinteressenten beobachten die Preise ebenfalls sehr genau und vergleichen Angebote. Mittlerweile bekommen sie ja auf Anfrage wieder welche zugesendet – auch die Konkurrenzsituation unter den Handwerksbetrieben wird größer. Dementsprechend warten viele Endkunden jetzt darauf, dass die Angebotspreise weiter sinken und zögern mit der Beauftragung.
Alles hängt nun also davon ab, wo die Reise hingeht.
Wie tief müssen die Modulpreise noch sinken, bevor die Nachfrage wieder anzieht?
In China werden die Fertigungslinien bereits heruntergefahren, außerdem sollen im Land selbst in diesem Jahr noch bis zu 50 Gigawatt neu gebaut werden – zu den bereits in diesem Jahr installierten 80 bis 90 Gigawatt. Aber selbst wenn aus China kein einziges neues Modul mehr nach Europa kommen würde, bräuchten wir viele Monate, bis der Modulstau abgebaut ist. Auch handelt es sich bei den vorproduzierten Modulen überwiegend um Produkte mit PERC-Zellen, deren Wirkungsgrade unter denen der Module mit neuester Technologie liegen. Dass diese geeignet sind, die Binnennachfrage stark wachsen zu lassen, wage ich zu bezweifeln. Eher lassen diese Produkte sich in Märkten außerhalb Europas einsetzen – auch dort freut man sich über preiswerte Solarmodule. Erst wenn die existierende Modulschwemme abgebaut werden konnte, wird sich meiner Meinung nach wieder ein gesundes Preisniveau im Markt etablieren lassen. Bis dahin aber wird wohl eine Marktbereinigung einsetzen, werden einige Marktteilnehmer auf der Strecke bleiben.
Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit bald 30 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten für Neuinstallationen auch Solarmodule und Wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, die aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden.